Berichte

Exkursion: Alte Hospitäler und Klöster in Burgund

Am 28. Mai 2002 war es soweit: Professoren und Mitarbeiter sowie Doktoranden und "Ehemalige" des Instituts für Geschichte der Pharmazie in Marburg starteten zu einer sechstägigen Studienfahrt nach Burgund. Die Reise führte durch die Städte Avallon, Dijon, Beaune und Mâcon sowie in das renommierte Weinbaugebiet von Chablis. Exkursionsziele waren vor allem Hospitäler und prächtige Apotheken vom ausgehenden Mittelalter bis zum Barock.

Die Hospitäler – Hôtels-Dieu genannt –, wurden zu einer Zeit gegründet, als die Heilung von Krankheiten selten möglich war. Krank oder körperlich hilfsbedürftig zu sein wurde häufig als Strafe Gottes empfunden, und nur durch eine Versöhnung mit Gott, so glaubte man, war eine Genesung möglich. Diese Vorstellung spiegelt sich in der Architektur der Hospitäler wider. Krankensaal und Kapelle, in der mehrmals täglich die Messe gelesen wurde, bildeten baulich eine Einheit. Die Kranken hatten so von ihren Betten aus, die entlang der Längswände ausgerichtet waren, den Altar im Blick und konnten am Gottesdienst teilnehmen.

"Hygienische" Bauweise des Mittelalters

Das älteste Hôtel-Dieu, welches wir besuchten, gründete Margarete von Burgund 1293 n. Chr. in Tonnerre. Der imposante Krankensaal, in dem Arme und Kranke, geschwächte Pilger und Soldaten von Schwestern gepflegt wurden, ist mit einem gewaltigen Holzgewölbe ausgestattet. Nach mittelalterlichen Vorstellungen verbreiteten sich Krankheiten über schlechte, ungesunde Luft (Miasmen). In den Hospitälern musste daher für eine ausreichende Luftzirkulation gesorgt sein, was durchgängig zum Bau sehr hoher und großflächiger Krankensäle führte.

Im Krankensaal des Hôtel-Dieu von Tournus waren in die Decke Luken eingelassen, damit die schädlichen Miasmen nach oben entweichen konnten. Dies war bei den herrschenden hygienischen Verhältnissen sicherlich auch nötig; denn in dem unbeheizten Krankensaal lagen die Notleidenden oft zu zweit im Bett, und die Bettwäsche wurde nur zweimal im Jahr gewechselt.

Das Herzogtum Burgund gelangte im 14. und 15. Jahrhundert unter den vier Herzögen aus dem Hause Valois zu Macht und Reichtum; die Bevölkerung litt aber in den unruhigen Zeiten des hundertjährigen Krieges trotzdem unter Armut und Krankheit. Die Stifter und Mäzene der Spitäler in Burgund erlangten durch ihre Großzügigkeit und ihr karitatives Engagement weltlichen Ruhm, vor allem aber erhofften sie sich im Gegenzug für ihre Wohltaten himmlisches Heil.

Das Hôtel-Dieu in Beaune

Neben Margarete von Burgund war Nicolas Rolin, der Kanzler des Burgunderherzogs Philipp des Guten, einer der bekanntesten Hospitalstifter. Er gründete 1443 n. Chr. das Hôtel-Dieu in Beaune, ein bemerkenswertes Beispiel burgundischer Baukunst. Sein mit bunt-glasierten Ziegeln geschmücktes Dach und seine prachtvolle Ausstattung haben das Spital weit über die Grenzen des Herzogtums hinaus berühmt gemacht. Noch bis 1971 wurde es als Krankenhaus genutzt. Im weiten und hohen Innenraum des "Großen Armensaals" mit seiner prachtvollen, grün-roten Holzdecke pflegten die Soeurs HospitaliŹres de Beaune die Armen und Kranken.

Damals konnten die Kranken an Feiertagen das berühmte Altarbild mit einer Ansicht des Jüngsten Gerichts von dem Brüsseler Maler Rogier van der Weyden bewundern. Heute wird es dem Besucher nicht mehr an Ort und Stelle in der Kapelle, sondern in einem anderen Raum gezeigt. Auch in den im 17. und 18. Jahrhundert erbauten Hospitälern, wie in Alise-Ste.-Reine, Chalon-sur-Saône oder Mâcon, bildete die Kapelle ein zentrales Element. Der Krankenhauskomplex hatte nun oft die Form eines "H" (Anfangsbuchstabe von "Hospital"), in dem die Kapelle die Verbindung der beiden Krankensäle bildete.

Bemerkenswert sind die Wohnräume der Hospitalschwestern. Da sie normalerweise wohlhabenden adeligen Familien entstammten, brachten sie schöne und wertvolle Möbelstücke bei ihrem Eintritt in die Schwesternschaft der heiligen Martha mit, die in Beaune von Nicolas Rolin ins Leben gerufen worden war. Nach dem Vorbild von Beaune waren sie in vielen Hospitälern Burgunds tätig. Ihr Gelöbnis, in religiöser Gemeinschaft zu leben und mit Fleiß ihren Dienst am Kranken zu verrichten, war nur ein Gelübde auf Zeit.

Apotheken und Arznei-

mittel der Vergangenheit

Die den Hospitälern angegliederten Apotheken bestanden oft aus einem Abgaberaum (unserer Offizin entsprechend) und einem Rezepturraum. Anfangs übernahmen Apothekerschwestern die Herstellung und Abgabe der Arzneimittel. Später beaufsichtigten örtliche Apotheker die Schwestern oder leiteten selbst die Spitalapotheken.

Die Räume dieser Apotheken sind meist mit prachtvollen Regalen aus kunstvoll gedrechseltem Holz und Glasvitrinen ausgestattet, in denen herrliche Fayencen stehen. Das Dekor der Albarelli, Chevretten und anderer Gefäßformen lässt auf die Herkunft aus bestimmten Werkstätten und Gegenden schließen. In der Apotheke des Hôtel-Dieu von Louhans können besonders farbenprächtige Fayencen des 15. und 16. Jahrhunderts bewundert werden, die unter anderem von maurischen Künstlern gefertigt worden waren, die nach der Verfolgung durch Isabella die Katholische von Spanien in Burgund eine neue Heimat gefunden hatten.

Die Signaturen (Beschriftungen) auf einigen Fayencen spiegeln den damaligen Arzneischatz wider; außerdem besitzen viele Apotheken auch Glasbehältnisse, die zum Teil noch mit den ursprünglichen Drogen gefüllt sind. Die Substanzen stammen aus allen drei Reichen der Natur, neben pflanzlichen und mineralischen sind es auch tierische Stoffe. Eine französische Spezialität waren metallüberzogene Pillen, die sehr kostbar waren. "Goldene Pillen", die sich in Magen und Darm nicht auflösten, konnten immer wieder genommen werden. Ausschlaggebend für die erfolgreiche Geschichte der Hospize war auch ihre wirtschaftliche Unabhängigkeit. Den Grundstein hierfür bildete der Weinbau.

Berühmte Klöster

Ein Besuch der Klosteranlagen von Cluny und Fontenay lehrte die Exkursionsteilnehmer, dass Burgund auch eine bedeutende Rolle in der Kirchengeschichte des Mittelalters gespielt hat. Eine große Reformbewegung des Mönchtums nahm ihren Ausgang von Cluny, wo die Benediktinerregel des "ora et labora" im 10. Jahrhundert wiederbelebt wurde. Leider sind von der großartigen Klosteranlage Clunys nur noch Grundrisse und Fragmente übrig. Doch die Kirche von Paray-le-Monial stellt eine fast getreue Abbildung Clunys in kleinerem Maßstab dar und vermittelt eine Vorstellung seiner früheren Pracht.

Fontenay ist ein altes Zisterzienserkloster. Der in Burgund gegründete Zisterzienserorden forderte Entsagung und harte Arbeit; die Mönche lebten ein sehr karges Leben in Abgeschiedenheit, machten Wälder urbar und entwickelten den Weinbau weiter. Der Zisterzienser Bernhard von Clairvaux (1090 – 1153) gilt als einer der bedeutendsten Kirchenlehrer seiner Zeit.

Nach den vielen Eindrücken, die die Teilnehmer bei den Hospital-, Apotheken- und Kirchenbesuchen gesammelt hatten, entspannten sie sich abends bei einem Glas Wein und lokalen Spezialitäten, allen voran den für Burgunds Küche berühmten Weinbergschnecken und den Hühnern aus Bresse.

Unser besonderer Dank gilt Katja Schmiederer für die sorgfältige Vorbereitung, die gelungene Auswahl der Exkursionsziele und ihre kenntnisreiche Dolmetschertätigkeit.

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