DAZ aktuell

Gesundheitspolitik aus Pharma-Sicht: Mit den jetzigen Regelungen bekommt man die

ULM (diz). Mit dem Arzneimittelausgaben-Begrenzungsgesetz (AABG), das im Februar dieses Jahres in Kraft getreten ist, will die Bundesregierung Arzneimittelausgaben zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung eindämmen. Ein zentrales Steuerungsinstrument ist dabei die umstrittene Aut-idem-Regelung. Wir sprachen mit Frau Dagmar Siebert, Geschäftsführerin Marketing & Vertrieb ratiopharm, wie sich diese Regelung aus Sicht eines Generikaherstellers darstellt. Weitere Themen waren u. a. Importarzneimittel und Versandhandel.

?

Frau Siebert, die Aut-idem-Regelung macht den Apothekern zu schaffen. Die gesetzliche Regelung ist nach Auffassung vieler nicht durchdacht, es fehlen Ausführungsbestimmungen, die Regelung ist so in der Apothekenpraxis nur schwer praktizierbar. Wie stellt sich diese Aut-idem-Regelung aus Sicht eines großen Generikaherstellers dar? Sind Sie über die Regelung erfreut?

Siebert:

Aut idem in der vorliegenden Form ist nicht das, was man sich unter aut idem vorstellt. Die Regelung dient lediglich dazu, ein neues Preisniveau auf den Generikamarkt einzubringen, nämlich das untere Preisdrittel, das unserer Meinung nach den Festbetrag ablösen könnte. Wir haben es hier ausschließlich mit drastischen Preissenkungsmaßnahmen zu tun. Bekanntlich ist das untere Preisdrittel alle drei Monate neu zu definieren. Den dadurch ausgelösten Preisverfall haben wir in unserem Haus einmal durchgerechnet: Ein Arzneimittel das Anfang dieses Jahres 90 Euro kostet, sinkt dadurch auf 16 Euro Ende nächsten Jahres. Das ist eine Preisspirale nach unten, die weder im Interesse der Apotheker noch im Interesse des Gesundheitswesens ist und schon gar nicht kann es im Interesse der Generikahersteller sein.

?

Kann da überhaupt noch ein echter Preiswettbewerb stattfinden?

Siebert:

Das Preislimit ist mit dem unteren Preisdrittel definiert, logischerweise gehen wir mit unseren Produkten ins untere Drittel. Aber es darf nicht sein, dass dieses untere Drittel immer weiter nach unten geht. Dadurch wird eine dramatische Entwicklung für den generischen Wettbewerb und für die pharmazeutische Industrie ausgelöst, aber auch für die Einkommen der Apotheker. Es ist ein teuer eingekauftes Pseudo-aut-idem – eine Situation, mit der niemand zufrieden ist.

?

Hätten Sie mit einer "echten" Aut-idem-Regelung leben können?

Siebert:

Ich denke, wenn wir ein echtes aut idem hätten, wie beispielsweise in den Niederlanden, und wenn alle anderen Rahmenbedingungen eindeutig geklärt wären, wie z. B. auch die Therapieverantwortung, dann könnte man sich durchaus damit anfreunden. Die jetzige Regelung ist nach meiner Meinung jedoch keine Lösung, Arzneimittelkosten im Gesundheitswesen in den Griff zu bekommen.

?

Nicht nur mit einer Aut-idem-Regelung versucht man Kosten einzusparen, angedacht ist bekanntlich bereits, die Preise für OTC-Arzneimittel freizugeben oder überhaupt die Arzneimittelpreisverordnung zu kippen. Was halten Sie von solchen Vorhaben?

Siebert:

Ich glaube, dass man mit solchen Einzelmaßnahmen, wie man sie jetzt vorhat, nur relativ wenig ausrichten kann. Man sollte sich vielmehr überlegen, wie man in Zukunft die Arzneimittelkosten in unserem Gesundheitswesen steuern möchte. Nach meiner Auffassung ist es dabei wichtig, nicht den Wettbewerb einzudämmen, sondern einen funktionierenden Wettbewerb zu erhalten.

?

Wie könnte ihrer Meinung nach ein funktionierender Wettbewerb aussehen bzw. aufrecht erhalten werden?

Siebert:

Wir stellen uns vor, dass man stärker bewusst macht, was man verordnen muss, was in der Therapie notwendig ist und wo was eingesetzt wird. Auf der einen Seite haben wir die hochpreisigen Innovationen, die in der Therapie nicht zu ersetzen sind. Aber man muss bezahlen können. Die Bezahlbarkeit kann man sich schaffen, indem man bei den Basistherapeutika konsequent Originalpräparate durch Generika ersetzt und sich hier Freiräume schafft für hochpreisige Innovationen. Dabei ist es wichtig, dem Arzt zeitnah eine Übersicht über seine Arzneiverordnungen, seine Arzneiausgaben zu verschaffen. Erst dann sind wir auf dem Weg, Arzneikosten besser zu steuern als bisher. Da ist noch viel Aufklärungsarbeit notwendig. Es muss zunächst einmal diese Basis gelegt werden, nur dann können Generikaunternehmen mit ihrem Preis darum konkurrieren, in die Verordnung, in die Substitution zu kommen. Das ist für mich Wettbewerb. Hier kommt dann die Leistungsfähigkeit des einzelnen Unternehmens zum Tragen, z. B. in der Qualität, in der Angebotspalette, in den Dienstleistungen und wie hoch die Akzeptanz des Unternehmens in der Bevölkerung ist. Gerade unser Unternehmen, die ratiopharm, hat eine so hohe Akzeptanz und einen großen Bekanntheitsgrad, dass eine Umstellung auf ratiopharm-Präparate heutzutage kein Handicap ist. Dies sind Voraussetzungen, um Zeit zu sparen, um wirtschaftlich zu verordnen - und das sollte man nutzen.

?

Kommen wir zum Thema Importarzneimittel. Bekanntlich wurde hier ein Schiedsvertrag geschlossen zwischen den Krankenkassen und dem Deutschen Apothekerverband, wonach eine Mindestquote an abgegebenen Importarzneimitteln pro Krankenkasse, die zur Zeit bei 5,5% liegt, erfüllt werden muss. Wie stellt sich ein solcher Vertrag aus Ihrer Sicht dar?

Siebert:

Für mich ist dies ein ungeheuerlicher Vorgang, von offizieller Seite eine bestimmte Quote an Importarzneimitteln vorzuschreiben. Für Importeure ist dies eine Lizenz zum Geld Drucken. Da gibt es Importarzneimittel, die nur geringfügig unter dem Preis des Originalpräparates liegen, aber demnach abgegeben werden müssen, wohingegen es zahlreiche qualitativ hochwertige Generikapräparate gibt, die weit preisgünstiger sind. Im generischen Bereich ist jeder Importeur wesentlich teurer als jedes generische Unternehmen. Wo liegt da die Wirtschaftlichkeit?

?

Sprechen wir ein weiteres Reizthema für Apotheker an: den Versandhandel. Wie stellt sich diese Absicht der Bundesregierung, den Versandhandel mit Arzneimitteln einführen zu wollen für Sie als Unternehmen dar?

Siebert:

Das passt natürlich genau in diese gesamte Richtung der anderen Gesetze, Verordnungen und Regelungen. Ich halte da schon eher die Bemühungen der ABDA für sinnvoll, die Zustellungsregelungen für die Apotheke entsprechend zu erweitern. Der Apotheke sollte erlaubt werden, generell Arzneimittel per pharmazeutischem Boten zum Patienten nach Hause zu liefern. Im Prinzip dreht sich die gesamte Internet- und Versandhandeldiskussion doch um eine verbesserte Serviceleistung und genau die können die Apotheken bereits heute anbieten. Eingespart wird mit dem Arzneimittelversandhandel fürs Gesundheitswesen so gut wie nichts.

?

Würden Sie eine Prognose abgeben zur Entwicklung unseres Gesundheitswesens? Wird es in der Zukunft weitgehend so bleiben, wie es heute ist, oder sehen Sie doch dramatische Veränderungen auf uns zukommen?

Siebert:

Ich gehe davon aus, dass die integrierten Versorgungssysteme bedingt durch Disease Management Programme und durch Konzentrationsprozesse in Nachfrage und in der Versorgung das Bild bei Apotheken, Ärzten und vor allem im Krankenhausbereich neu prägen werden. Wir werden auch weiterhin über Kosten reden. Wichtig ist es, dass sich die Partner im Gesundheitswesen, die Leistungserbringer, stärker aufeinander zubewegen und sich näher kommen. Das ist mein Wunsch und meine Botschaft an die Zukunft. Dazu gehören für mich Ärzte, Apotheker, die Krankenkassen und die Arzneimittelhersteller. Sie sollten sich öfters gemeinsam an einen Tisch setzen und über die Zukunft des Gesundheitswesens miteinander reden. Und sich überlegen, was können wir eigentlich gemeinsam leisten, wo sehen wir Entwicklungen für die Zukunft. Man sollte aufhören mit dem gegenseitigen Schlagabtausch, sondern konstruktiv die Zukunft gestalten.

!

Frau Siebert, vielen Dank für das Gespräch!

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.