Berichte

Mitgliederversammlung des LAV Baden-Württemberg: Besonders rührig

Mit Stolz wies der Präsident des baden-württembergischen Landesapothekerverbandes (LAV), Fritz Becker, auf der LAV-Mitgliederversammlung am 12. Juni 2002 darauf hin, dass man die größte Geschäftsstelle im Lande sei und folglich auch die meisten Retaxationen und Anfragen täglich bearbeite. Außerdem sei man einer der "professionellsten Verbände", nicht zuletzt deswegen, weil man für einzelne Bereiche wie beispielsweise die Pressearbeit Profis engagiere, die "kurzfristig teurer, langfristig aber billiger" seien. Auch sei im Kampf gegen den Versandhandel ein Sonderetat für die Öffentlichkeit vorgesehen.

Diesen Sonderetat kann sich der LAV guten Gewissens leisten, denn die Zahlen, die der neue Schatzmeister Dieter Harfensteller zusammen mit der Geschäftsführerin Ina Hofferberth beim Geschäftsbericht präsentierten, waren bis ins letzte Detail erfreulich. So verbuchte die LAV-Geschäftsstelle für das Geschäftsjahr 2001 betriebliche Erträge in Höhe von 2 700 516 Euro, der LAV-Sonderfonds-Markt (SOFO) erwirtschaftete 753 685 Euro, und die LAV-Service GmbH schloss mit 350 971 Euro ab.

In der Kette der politisch unerfreulichen Ereignisse bezeichnete Becker die diskutierte, aber vom Vermittlungsausschuss zurückgewiesene Entlassung der Impfstoffe aus der Apothekenpflicht als ein Stück aus dem "Tollhaus".

Trojanisches Pferd der Systemveränderung

Im Hinblick auf den Versandhandel steht für ihn fest, dass diejenigen, die für die Einführung plädieren, nichts anderes wollen, "als die Qualität der Arzneimittel für unsere Kunden und Patienten drastisch zu senken". Der Präsident warnte davor, das bewährte System zu kippen, und bezeichnete den Versandhandel als das "Trojanische Pferd der Systemveränderung".

Becker betonte in diesem Zusammenhang drei Fakten:

1. National begrenzter Versandhandel ist europarechtlich unmöglich. Würden Politik und Kassen diese Wahrheit anerkennen, so müssten sie die drastisch anwachsende Gefahr eingestehen, dass in Deutschland "nicht verkehrsfähige, ja sogar gefälschte Arzneimittel vertrieben werden". 2. Kein Gesetz wird es schaffen, die Versandhändler auf die Einhaltung des Kontrahierungszwanges zu verpflichten, Rosinenpickerei ist die Folge. 3. Es besteht der begründete Verdacht, dass der Versandhandel nur aufgrund von Mehrwertsteuer-Arbitrage lukrativ ist. Durch die verschiedenen Steuersätze – in Holland beispielsweise 6%, in Deutschland dagegen 16% – ist der holländische Versandhändler nach Abführung der Steuer an den holländischen Fiskus in der Lage, aus der eingesparten Differenz von 10% den Krankenkassen Extrarabatte zu gewähren.

"Im Klartext heißt das: die billigeren Arzneimittel werden von unserem deutschen Finanzministerium bezahlt", so der empörte Standespolitiker und legte rhetorisch geschickt nach: "Wäre nicht der elegantere Weg in Deutschland, gleich die Mehrwertsteuer zu senken? Eine langjährige Forderung von vielen Leistungserbringern wäre damit ganz locker erfüllt."

Empörend: Rechtsbruch bleibt ungeahndet!

Dass die Aufsichtsbehörden das ungesetzliche Verhalten einzelner Krankenkassen im Hinblick auf deren Aufruf, Arzneimittel über den verbotenen Versandhandel zu beziehen, ignorieren, empörte den Präsidenten, für den damit "ein Riesenstück Rechtssicherheit" verloren gegangen ist.

Erfreulich dagegen registrierte Fritz Becker den sich schon jetzt ahnen lassenden großen Erfolg der von der ABDA initiierten Unterschriftenaktion "Initiative Pro Apotheke". Sie zeige nicht nur, dass der Berufsstand Solidarität übe, sondern auch, dass die Kunden und Patienten hinter den Apothekern stehen. In diesem Zusammenhang wurde auch mehrheitlich ein Aufruf des LAV an die Öffentlichkeit und insbesondere an die Apothekenkunden verabschiedet, der für eine weitere Beteiligung an der Unterschriftenaktion wirbt und sich gegen den Versandhandel und für den Erhalt der öffentlichen Apotheke ausspricht.

Abschließend sagte der LAV-Präsident, dass die Apotheker es endgültig leid seien, "nur die Prügelknaben der Nation zu sein: "Wir haben es satt, mit einem Sonderopfer in Form einer Erhöhung des Kassenrabattes belegt zu werden; wir Apotheker haben es satt, eine Aut-idem-Regelung umsetzen zu müssen, die meilenweit von dem entfernt ist, wie wir Apotheker uns vorstellen, aut idem umzusetzen.

Wir Apotheker haben es satt, uns dem Diktat einer Importklausel unterwerfen zu müssen und dabei der Willkür der Pharmaindustrie ausgesetzt zu sein." Der LAV sei bereit, "unkonventionelle Wege" zu gehen und zusammen mit den Patienten für eine sichere Arzneimittelversorgung zu kämpfen.

Unmengen von Preisänderungen werden erwartet

Nachdem die Beschlussfassung des Finanzplanes 2001 und 2002 sowie die Entlastung des Schatzmeisters und der Mitglieder des Vorstandes mit großer Mehrheit beschlossen waren, wurden unter dem Tagesordnungspunkt "Verschiedenes" die derzeit drängenden Fragen diskutiert. Dabei wurde zunächst die unter etlichen Apothekern grassierende Unsicherheit im Hinblick auf die zu erwartenden Preissenkungen problematisiert.

Wolfgang Presser vom Vorstand des LAV wies darauf hin, dass bis zum 15. Juli bei ca. 20 000 Artikeln Preisänderungen erwartet werden. Um die Aut-idem-Regelung korrekt umsetzen zu können, versendet die Abdata derzeit alle relevanten Daten an alle Softwarehäuser. Nach Erfahrung von Presser wird die Festbetragsgrenze, die festlegt, ob ein Medikament substituiert werden muss oder nicht (sofern der Arzt keine Vorbehalte kenntlich gemacht hat), im Computer in der Regel durch zweierlei Farbgebung der aufgerufenen Arznei gekennzeichnet.

Ein Apotheker klagte über den Zwangscharakter der Substitution – so sei es den Patienten vielfach nicht vermittelbar, dass es nicht möglich sei, trotz freiwilliger Zuzahlungen das gewohnte Medikament zu erhalten. Der Präsident versprach in dieser Frage am Deutschen Apothekertag einen entsprechenden Antrag zu stellen.

Bezüglich der Importregelung nehmen derzeit 800 von 2800 baden-württembergischen Apothekern die Zahlung eines Malus in Kauf. Während das Land im Durchschnitt vor der Einführung der Importquote im April dieses Jahres noch unter 1% lag, ist es nun gelungen, die durchschnittliche Quote auf 6,38% zu steigern.

Von der Basis wurden Stimmen laut, die bemängelten, dass aufgrund der Importregelung Länder wie beispielsweise Griechenland und Portugal im Arzneimittelbereich teilweise in eine Unterversorgung getrieben werden. Um dieses Problem anzupacken, will man demnächst mit einem Brief an die betroffenen EU-Partner herantreten.

Anstatt das 25-jährige Verbandsjubiläum mit einer teuren Feier zu würdigen, beschloss man, das gesparte Geld dem am 11. Juni 2002 gegründeten Hilfswerk für notleidende Menschen zu spenden. Der Landesapothekerverband Baden-Württemberg e.V. folgt mit der Vereinsgründung dieses Hilfswerks dem Beispiel der Bayern, mit denen man in diesem Zusammenhang auch gelegentlich kooperieren möchte.

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