Arzneimittel und Therapie

Injizierbarer COX-2-Hemmer: Parecoxib zur kurzfristigen Schmerzbehandlung

Nach den beiden oralen COX-2-Hemmern Rofecoxib (Vioxx®) und Celecoxib (Celebrex®) kommt jetzt mit dem gut wasserlöslichen Parecoxib (Dynastat®, Pharmacia) ein injizierbarer COX-2-Hemmer zur kurzfristigen Behandlung von akuten postoperativen Schmerzen auf den Markt. Der neue Wirkstoff kann intravenös oder intramuskulär verabreicht werden. Nach der Injektion wird Parecoxib durch enzymatische Hydrolyse in der Leber schnell zu Valdecoxib, der pharmakologisch aktiven Substanz, umgewandelt.

Eine wirksame Behandlung akuter Schmerzen nach Operationen führt dazu, dass weniger Komplikationen auftreten und die Patienten sich rascher erholen. Dafür werden vor allem Opioide verwendet, aber auch nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) können in der postoperativen Schmerztherapie eingesetzt werden und die Opioide teilweise ersetzen. Für Opioide typische Nebenwirkungen, wie Atemdepression, Sedierung, Übelkeit und Erbrechen, können dadurch verringert werden.

Unerwünschte Wirkungen von NSAR sind dagegen peptische Geschwüre, gastrointestinale Blutungen und Einschränkungen der Nieren- und Leberfunktion. Außerdem können sie die Thrombozytenfunktion hemmen.

Selektive COX-2-Hemmung

Der Wirkungsmechanismus von Parecoxib und Valdecoxib beruht auf einer Hemmung der durch die Cyclooxygenase-2 (COX-2) vermittelten Prostaglandinsynthese. Die Cyclooxygenase ist für die Bildung von Prostaglandinen verantwortlich. COX-2 ist die Isoform des Enzyms, von der gezeigt wurde, dass sie durch proinflammatorische Reize induziert wird, und von der postuliert wird, dass sie primär für die Synthese prostanoider Mediatoren von Schmerz, Entzündung und Fieber verantwortlich ist.

In therapeutischen Dosen ist Valdecoxib ein selektiver COX-2-Hemmer und beeinflusst die COX-1-abhängigen physiologischen Prozesse in Geweben, insbesondere in Magen und Darm sowie in den Thrombozyten, nicht. Allerdings ist die COX-2 auch an verschiedenen physiologischen Vorgängen, wie Ovulation, Implantation und Verschluss des Ductus arteriosus Botalli sowie zentralnervösen Funktionen (Fieberauslösung, Schmerzwahrnehmung und kognitiven Funktionen) beteiligt.

Anwendung intramuskulär oder intravenös

Dynastat® enthält 40 mg Parecoxib. Nach Auflösung des Pulvers im Lösungsmittel entsteht eine Injektionslösung mit 20 mg Arzneistoff pro ml. Die empfohlene Anfangsdosis von Parecoxib beträgt 40 mg und kann intramuskulär oder intravenös gegeben werden. Anschließend werden 20 bis 40 mg je nach Bedarf alle sechs bis zwölf Stunden verabreicht. Die Tageshöchstdosis beträgt 80 mg. Parecoxib-Natrium wird in Einzeldosen bis 40 mg intramuskulär und 200 mg intravenös gut vertragen.

Parecoxib wird in vivo schnell und nahezu vollständig in Valdecoxib und Propionsäure mit einer Plasmahalbwertszeit von ungefähr 22 Minuten umgewandelt. Spitzenkonzentrationen im Plasma werden 1,1 bis 3,5 Stunden nach intramuskulärer und 16 Minuten bis zwei Stunden nach intravenöser Gabe erreicht. Valdecoxib bindet zu 98% an Plasmaproteine und extensiv an Erythrozyten. Die Eliminierung von Valdecoxib erfolgt über einen ausgeprägten Leberstoffwechsel und schließt verschiedene Abbauwege ein, einschließlich über die Isoenzyme Cytochrom P450 (CYP) 3A4 und CYP2C9 und die CYP-unabhängige Glukuronidierung (etwa 20%) der Sulfonamid-Untereinheit. Bei gleichzeitiger Gabe von anderen Substraten dieser Enzyme ist Vorsicht geboten.

5% des Valdecoxib werden unverändert und 70% als inaktive Metaboliten über den Urin ausgeschieden. Die Plasma-Clearance (CLp) von Valdecoxib beträgt ca. 6 l/h. Nach intravenöser oder intramuskulärer Gabe von Parecoxib-Natrium beträgt die Eliminations-Halbwertszeit (t½) von Valdecoxib ungefähr acht Stunden.

Mäßige Leberfunktionsstörungen führen nicht zu einer Reduzierung oder Erhöhung der Umwandlungsrate von Parecoxib zu Valdecoxib. Bei Patienten mit mäßigen Leberfunktionsstörungen soll die Behandlung mit der Hälfte der empfohlenen Dosis begonnen werden, und die maximale Tagesdosis soll auf 40 mg reduziert werden. Die Anwendung von Parecoxib bei Patienten mit schweren Leberfunktionsstörungen wird nicht empfohlen.

Vergleich mit Ketorolac und Morphin

Wirksamkeit und Verträglichkeit von Parecoxib wurden in einer Reihe klinischer Studien im Vergleich zu Plazebo, Morphin und Ketorolac nach gynäkologischen Operationen, orthopädischen Eingriffen und nach Bypass-Operationen gezeigt. Dabei wurde unter anderem zweimal täglich 40 mg Parecoxib-Natrium (zweimal täglich 40 mg i. v.) mit Ketorolac (viermal täglich 15 mg i. v.) verglichen.

Bei Patientinnen, denen ein Gebärmuttermyom oder die Gebärmutter entfernt worden war, wurde 20 oder 40 mg Parecoxib-Natrium i. v. mit 4 mg Morphinsulfat i. v. und gegenüber 30 mg Ketorolac i. v. verglichen. Nach Extraktion zweier Backenzähne an 304 Patienten wurde 20 oder 40 mg Parecoxib-Natrium i. m. oder i. v. gegenüber 60 mg Ketorolac i. m. verglichen.

In diesen Studien zeigte die neue Substanz einen raschen Wirkeintritt, lang anhaltende Wirkdauer und reduzierte zum Teil den Bedarf an opioiden Schmerzmitteln. In allen Untersuchungen war Parecoxib-Natrium in Bezug auf gastrointestinale Nebenwirkungen sicherer als Ketorolac. Erosionen und Geschwüre traten mit dem COX-2-Hemmer sowohl im Magen (14% gegenüber 90%) als auch im Zwölffingerdarm (10% gegenüber 45%) seltener auf als mit Ketorolac. Bei den gynäkologisch operierten Frauen war die schmerzstillende Wirkung von Parecoxib mit Ketorolac vergleichbar und größer als von Morphinsulfat, das allerdings im Vergleich zu Parecoxib zu niedrig dosiert war.

Bis zum Beginn der schmerzlindernden Wirkung vergingen in allen Gruppen sechs bis 13 Minuten, bis zur Schmerzlosigkeit zehn bis 23 Minuten. Mit Parecoxib-Natrium oder Ketorolac dauerte es im Mittel 6 bis 6,5 Stunden, bis ein weiteres Schmerzmittel (Rescue Medication) benötigt wurde, mit Morphinsulfat im Mittel nur 2,5 Stunden. Von 0,25 bis 24 Stunden nach den Zahnextraktionen war Parecoxib-Natrium in seiner analgetischen Wirkung Plazebo überlegen. Die analgetischen Wirkungen von 20 mg Parecoxib-Natrium und 60 mg Ketorolac unterschieden sich nicht. 40 mg Parecoxib-Natrium wirkten bedeutend länger als die übrigen Medikationen.

Zahlreiche unerwünschte Wirkungen

In kontrollierten klinischen Studien wurden 1962 Patienten mit postoperativen Schmerzen mit 20 mg oder 40 mg Parecoxib als Einzeldosis oder mit Mehrfachdosen (bis zu 80 mg/Tag) behandelt. Die Studien umfassten dentale, gynäkologische, orthopädische Operationen oder koronare Bypass-Operationen sowie die präoperative Anwendung bei Dental- und orthopädischen Operationen.

Bei diesen Studien lag die Abbruchrate aufgrund von Nebenwirkungen bei den mit Dynastat® behandelten Patienten bei 5,0% und bei den mit Plazebo behandelten Patienten bei 4,3%. Häufige Nebenwirkungen waren Hypertonie und Hypotonie, Rückenschmerzen, periphere Ödeme, Hypästhesie und gastrointestinale Beschwerden wie Dyspepsie und Flatulenz.

Seltene schwerwiegende Nebenwirkungen, die im Zusammenhang mit der Anwendung von anderen nichtsteroidalen Antirheumatika aufgetreten sind, können auch für Parecoxib nicht ausgeschlossen werden. Dazu gehören akutes Nierenversagen, dekompensierte Herzinsuffizienz, anaphylaktischer Schock, Bronchospasmus, Hepatitis. Besonders gefährdet sind Patienten, die sich einer aorto-koronaren Bypass-Operation unterzogen haben. Bei ihnen kann es nach Anwendung von Parecoxib zu einem erhöhten Risiko von unerwünschten Ereignissen wie z. B. zerebrovaskulären Vorfälle, Nierenfunktionsstörungen oder Komplikationen bei der Wundheilung kommen.

Nach einer Operation sollten die Patienten außerdem sehr genau auf Anzeichen einer Infektion beobachtet werden, da Parecoxib Fieber maskieren kann. Im letzten Trimenon der Schwangerschaft ist die Anwendung von Parecoxib kontraindiziert, da es, wie andere Arzneimittel, die die Prostaglandin-Synthese hemmen, einen vorzeitigen Verschluss des Ductus arteriosus Botalli oder Wehenschwäche verursachen kann.

Gastrointestinale Nebenwirkungen

Die häufigsten Nebenwirkungen von Parecoxib waren in den klinischen Studien gastrointestinale Beschwerden wie Übelkeit, Erbrechen und Juckreiz. Nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) können zu peptischen Geschwüren, gastrointestinalen Blutungen, Hemmung der Thrombozytenfunktion sowie zu Einschränkungen von Nieren- und Leberfunktion führen. Das für die COX-2 spezifische Parecoxib scheint jedoch in einer Dosierung von 20 oder 40 mg zweimal täglich die Thrombozytenaggregation oder Blutung verglichen mit Plazebo nicht zu beeinflussen.

Die neuen selektiven COX-2-Hemmer sollten, so hoffte man bei ihrer Einführung, ein geringeres Risiko für gastrointestinale Komplikationen aufweisen. Je weniger sie die Cyclooxygenase 1 hemmen, desto geringer sollte das Risiko gastrointestinaler Nebenwirkungen sein. Allerdings stellt sich jetzt heraus, dass dieser Vorteil in der Langzeitbehandlung nicht oder kaum vorhanden ist, wie eine Meldung der Arzneimittelkommission (AMK) in der letzten Ausgabe der DAZ (DAZ 24/02, S. 12–13, WM Nr. 48–49) zeigt.

Darin weist die AMK darauf hin, dass "das Sicherheitsprofil der COX-2-Inhibitoren bezüglich gastrointestinaler Nebenwirkungen gerade bei Risikopatienten erheblich geringer als angenommen" ist. In den klinischen Studien waren die gastrointestinalen Nebenwirkungen von Parecoxib zwar geringer als unter den Behandlung mit anderen NSAR, die vorwiegend COX-1 hemmen. Jedoch sind auch unter der Behandlung mit Parecoxib im oberen Gastrointestinaltrakt Perforationen, Ulzerationen oder Blutungen aufgetreten. Parecoxib sollte deshalb bei Patienten mit solchen Erkrankungen in der Vorgeschichte mit Vorsicht angewendet werden und ist bei entzündlichen Darmerkrankungen, aktiven peptischen Ulzerationen und gastrointestinalen Blutungen kontraindiziert.

Diskussion um Nierenschäden

Da die Prostaglandinsynthese-Hemmung zu einer Verschlechterung der Nierenfunktion und zu einer vermehrten Flüssigkeitsretention führen kann, sollte Parecoxib wie alle NSAR bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion oder Hypertonie, mit beeinträchtigter Herz- oder Leberfunktion oder mit einer Neigung zur Flüssigkeitsretention vorsichtig eingesetzt werden.

Symptome, die auf eine Beeinträchtigung der Nierenfunktion hindeuten, kommen laut Fachinformation bei Parecoxib häufig vor. Dazu gehören ein Kreatininanstieg, Oligurie und periphere Ödeme. Bei der Anwendung von Parecoxib bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion oder Hypertonie sowie bei Patienten mit beeinträchtigter Herz- oder Leberfunktion oder mit einer Neigung zur Flüssigkeitsretention ist Vorsicht geboten.

Die nephrotoxischen Effekte von Parecoxib werden bei gleichzeitiger Gabe von Ciclosporin oder Tacrolimus verstärkt. Das Risiko einer akuten Niereninsuffizienz kann auch ansteigen, wenn ACE-Hemmer oder Diuretika zusammen mit Parecoxib-Natrium angewendet werden.

Vor zehn Jahren musste das ebenfalls zur Schmerztherapie zugelassene nichtsteroidale Antirheumatikum Ketorolac (Toratex®) bei uns vom Markt genommen werden. In Deutschland ist Ketorolac heute nur noch in Form von Augentropfen unter dem Warenzeichen Acular® zur Prophylaxe und Therapie postoperativer Entzündungen des Auges erhältlich. In den USA und in Kanada ist Ketorolac in einer oralen und einer parenteralen Anwendungsform weiterhin zur kurzzeitigen Schmerzbehandlung über maximal fünf Tage auf dem Markt. Erst nach dieser Zeit wird ein erhöhtes Risiko für Nierenversagen vermutet.

Kastentext: Prodrug von Valdecoxib

Parecoxib-Natrium weist eine Sulfonamid-Struktur auf. Es ist ein Prodrug des COX-2-Hemmers Valdecoxib und wird in der Leber rasch und vollständig in Valdecoxib und Propionsäure umgewandelt. Parenteral verabreichtes Parecoxib-Natrium und oral gegebenes Valdecoxib sind praktisch bioäquivalent. Valdecoxib ist seit November 2001 zur oralen Anwendung in den USA mit der Handelsbezeichnung Bextra® 10 mg und 20 mg (Pharmacia USA) zur Behandlung von Schmerzen und Entzündungen bei Osteoarthritis, Rheumatoider Arthritis und Menstruationsbeschwerden auf dem Markt.

Kastentext: Riskant für die Nieren?

Das "arznei-telegramm" warnt in seiner neuesten Ausgabe vor der neuen Substanz. Parecoxib hemmt, wie alle nichtsteroidalen Antirheumatika, die Prostaglandinsynthese in den Nieren und kann die Autoregulation des renalen Blutflusses behindern, sodass das Nierengewebe unzureichend durchblutet wird. In den ersten Tagen nach einer Operation ist dann das Risiko nach Aussage vom "arznei-telegramm" besonders hoch, ein akutes Nierenversagen auszulösen, da zu dieser Zeit stressbedingt hohe Catecholaminspiegel vasokonstriktiv auf die Nieren wirken. Das "arznei-telegramm" ist der Meinung, dass "auf der Basis dieses Schädigungsmechanismus" eigentlich die Indikation, nämlich die postoperative Behandlung von Schmerzen, "als Gegenanzeige ausgewiesen" werden sollte.

Literatur

Sorbera, L. A., et al.: Valdecoxib and Parecoxib Sodium. Drugs of the Future 26, 133 – 140 (2001). Fachinformation von Parecoxib, Stand Juni 2002 arznei-telegramm, Ausgabe Juni 2002

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