Arzneimittel und Therapie

Phytopharmaka: Rückruf für Kava-Kava-Präparate

Bereits seit zwei Jahren wird über die Möglichkeit diskutiert, dass Kava-Kava-Präparate Leberschäden auslösen können (siehe z. B. DAZ 47/01, S. 34 und DAZ 29/00, S. 43 Ų 48). Jetzt hat das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte auf die zunehmende Zahl der Meldungen reagiert und die Zulassung für Arzneimittel mit Kava-Kava (Piper methysticum) und Kavain mit sofortiger Wirkung widerrufen (siehe auch Wichtige Mitteilungen in dieser Ausgabe). Kava-Kava-Präparate wurden bisher zur Behandlung von Angst- und Spannungszuständen eingesetzt.

Noch bevor am 1. Juli 2002 die Verschreibungspflicht für Kava-Kava-Produkte in Kraft treten kann, widerruft das BfArM jetzt die Zulassung von Kava-Kava-haltigen Arzneimitteln sowie von Kavain (Neuronika®) mit sofortiger Wirkung. Die Maßnahme gilt nicht nur für zulassungspflichtige Fertigarzneimittel, sondern auch für die lose verkaufte Arzneidroge und Homöopathika. Ausgenommen sind homöopathische Präparate mit einer Endkonzentration unter der vierten Dezimalpotenz (D4). Kava-Kava-Präparate waren die einzigen pflanzlichen Präparate, die für die Indikation nervöse Angst-, Spannungs- und Unruhezustände zugelassen waren. Allerdings überwiegt das Risiko ihren Nutzen bei weitem.

Gefahr von Leberschäden

Derzeit liegen dem BfArM 39 Berichte aus Deutschland über meist schwerwiegende Leberschäden in Verbindung mit der Einnahme von Kava-Kava- oder Kavain-haltigen Arzneimitteln vor. Sechsmal wurde eine Lebertransplantation erforderlich, drei Patienten starben. Die schweren lebertoxischen Effekte treten vor allem drei bis vier Monate nach Einnahmebeginn auf und scheinen dosisabhängig zu sein.

Aus der Schweiz sind sieben Spontanberichte über Leberschäden in Verbindung mit Kava-Kava-Produkten sowie mit Kavain bekannt (zweimal war eine Lebertransplantation erforderlich), aus den USA 15 Meldungen zu Leberschäden (darunter zwei Lebertransplantationen, eine davon bei einem 14-jährigen Mädchen nach mehrmonatiger Einnahme von Kava Kava), aus Kanada zwei und aus Großbritannien ein Bericht zu Problemen mit der Leber.

Vor einem Jahr: Rückruf von Laitan® in der Schweiz

In anderen Ländern waren bereits vor längerer Zeit Maßnahmen ergriffen worden: Nachdem alleine in der Schweiz von Herbst 1999 bis Mitte 2000 vier Meldungen eingetroffen waren, mahnte die schweizerische Interkantonale Kontrollstelle für Heilmittel (IKS) zu erhöhter Vorsicht bei der Anwendung von Kava-Kava-Präparaten. In der Schweiz wurde die Zulassung des acetonischen Extraktes Laitan® vor einem Jahr widerrufen.

Vorangegangen war eine Diskussion darüber, ob die unerwünschten Wirkungen nur durch acetonische Extrakte ausgelöst werden oder ob auch ethanolische Extrakte lebertoxische Wirkungen entfalten können. In ihrer Nutzen-Risiko-Bewertung kam die IKS damals zu dem Schluss, dass "im Hinblick auf die nicht-vitale Indikation, das geringe Ausmaß der nachgewiesenen Wirkung und die vorhandenen risikoärmeren medikamentösen und nicht-medikamentösen Alternativen das dokumentierte Risiko schwerwiegender, sogar lebensbedrohlicher Leberschädigungen beim höher dosierten Aceton-Extrakt nicht vertretbar" sei.

In Frankreich und Portugal ruht seit Jahresbeginn die Zulassung aller Kava-Kava-Produkte für ein Jahr. In Großbritannien, Irland und Singapur erfolgten Marktrücknahmen auf freiwilliger Basis, in Kanada, Australien und Neuseeland warnten die Behörden die Verbraucher vor der Einnahme von Kava-Kava-Produkten.

Mechanismus der Schädigung ist unklar

Über die Inhaltsstoffe von Kava-Kava ist wenig bekannt, so dass eine einzige potenziell leberschädigende Substanz bisher nicht identifiziert werden konnte. Synthetisch hergestelltes Kavain war bis jetzt als Reinsubstanz auf dem Markt, und auch hier kam es unter der Dosierung von 200 mg seit April 1976 zu zwei schwerwiegenden Fällen von Leberschädigung im Zusammenhang mit der Einnahme des Präparates. Der Mechanismus der unerwünschten Wirkungen ist nicht bekannt. Nach dem derzeitigen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse wird von einer dosisabhängigen toxischen Arzneimittelinteraktion ausgegangen.

Nach Angaben des BfArM sind die hepatotoxischen Reaktionen histologisch als toxikologische Arzneimittelreaktionen gesichert. Die Art der Aufbereitung der Ausgangsstoffe und die Herstellungsmethode (ethanolischer oder acetonhaltiger Auszug) scheint dabei die Art und Schwere der unerwünschten Reaktion nicht zu beeinflussen.

Das BfArM sieht daher auf Grund der Datenlage keine hinreichende Begründung für eine Differenzierung der Maßnahmen nach verwendetem Extraktionsmittel, und auch das synthetische Kavain wird zurückgerufen. Außer den ethanolischen und acetonischen Spezialextrakten waren bis jetzt in Deutschland zwei Präparate der Klinge Pharma auf dem Markt, die synthetisches Kavain in Reinform enthalten: Kavaform N mit 50 mg und Neuronika mit 200 mg Kavain.

Zweifelhafter Nutzen

Die von den Firmen vorgelegten Studien zum Nutzen von Kava-Kava-Produkten haben das BfArM nicht überzeugt: Bei Dosierung bis 120 mg hätten sich praktisch keinerlei Hinweise auf eine Wirksamkeit in den beanspruchten Anwendungsgebieten ergeben. Bei Dosierungen oberhalb von 120 mg hätte zwar ein gewisser Anhalt für eine mögliche Wirksamkeit bestanden, aber die Nachweisqualität hätte nicht den heutigen Anforderungen entsprochen, so das BfArM in einer Pressemitteilung.

Bei den vorgelegten Studien könne nicht von einem Wirksamkeitsbeleg gesprochen werden. Da Angst- und Spannungszustände mit anderen Arzneimitteln und Maßnahmen behandelt werden könnten, bei denen das Verhältnis vom Nutzen zum Risiko deutlich günstiger ist, dürfen Kava-Kava-Produkte ab sofort nicht mehr in den Verkehr gebracht werden. Patienten können Kava-Kava und Kavain-haltige Arzneimittel ohne Ausschleichen absetzen. Das BfArM meint, mit Leberschäden sei nach dem Absetzen nicht mehr zu rechnen.

Kastentext: Piper methysticum und seine Inhaltsstoffe

Die Kavapflanze (Piper methysticum) ist unter verschiedenen Bezeichnungen bekannt. Im deutschsprachigen Raum spricht man von polynesischem Pfeffer, Rauschpfeffer oder Kawa-Kawa, im anglo-amerikanischen Sprachraum von Kava-kava-root und Narcotic pepper. Die Kavapflanze ist ein Strauch, der bis zu vier Meter hoch werden kann.

Kulturformen der Kavapflanze werden auf allen Inseln im Pazifik angebaut. Dort wurde Kava als Anxiolytikum bereits von den Ureinwohnern eingesetzt – meistens als Trank vor einer wichtigen religiösen Zeremonie. Die Pflanze besitzt mächtige, 2 bis 10 kg schwere, verästelte, sehr saftige Wurzelstöcke. Die getrockneten Wurzelstöcke werden zur Extraktgewinnung herangezogen.

Hauptinhaltsstoffe der Extrakte sind Kava-Pyrone (Kavalactone) wie Kavain, Dihydrokavain und Methycysticin. Ihr Verhältnis variiert je nach Zubereitung (gereinigter Aceton- oder Alkohol-Extrakt). Die zugelassenen Tagesdosierungen entsprachen 60 bis 210 mg Kavalactonen. Kavalactone können die Blut-Hirnschranke passieren und wirken in niederen Dosen zentral stimulierend. In höheren Dosen lösen sie Wohlbehagen und Entspannung aus. Sehr hohe Dosen führen zu Störungen der Bewegungsabläufe, ohne dass das Bewusstsein getrübt wird.

Kava-Kava-Präparate wurden bis jetzt als Beruhigungs- und Schlafmittel, als Geriatrika und in der Neuropsychiatrie als Spasmolytikum benutzt.

Bereits seit zwei Jahren wird über die Möglichkeit diskutiert, dass Kava-Kava-Präparate Leberschäden auslösen können. Jetzt hat das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte auf die zunehmende Zahl der Meldungen reagiert und die Zulassung für Arzneimittel mit Kava-Kava (Piper methysticum) und Kavain mit sofortiger Wirkung widerrufen (siehe auch Wichtige Mitteilungen in dieser Ausgabe). 

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