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Ansporn zum Impfen: Kinderlähmung in Deutschland ausgerottet

BERLIN (sw). Auf einer Pressekonferenz anlässlich des Symposiums "Polio-Eradikation in Deutschland" am 22. April verkündete die Deutsche Vereinigung zur Bekämpfung der Viruskrankheiten, dass der Kampf gegen Poliomyelitis in Deutschland erfolgreich war.

1988 hat sich die WHO das Ziel gesetzt, die Kinderlähmung durch Impfungen bis 2005 weltweit auszurotten – nach den Pocken wäre dies die zweite Infektionskrankheit. Ein beträchtliches Stück dieses Weges ist bereits zurückgelegt. Gab es 1988 weltweit noch ca. 350 000 Fälle in 125 Ländern, waren es 2001 noch 537 Erkrankungen aus zehn Ländern, die an die WHO gemeldet wurden (vor allem Nordindien, Pakistan/Afghanistan und Nigeria).

Von 1950 bis 1961 hat es in Deutschland 25 000 Erkrankungen mit 10% Toten und 80% bleibenden Lähmungen gegeben. Heute leben in Europa noch 1,5 Mio. Menschen mit Folgeschäden der Erkrankungen vor 1970. Vereinzelt treten Krankheitsfälle durch Einschleppung von außen auf, die aber aufgrund des guten Impfschutzes zu keiner Ausbreitung führten.

Deutschland poliofrei

Nord-, Mittel- und Südamerika sind seit 1994 poliofrei, ebenso die westpazifische Region (China, Indonesien, Westpazifik). Am 18. Dezember 2001 hat Deutschland an die WHO gemeldet, dass das Land poliofrei ist. Das bedeutet, dass keine Poliowildviren in Deutschland zirkulieren, die Bevölkerung gut gegen importierte Poliowildviren geschützt ist, eine ausreichend gute Surveillance besteht und das Laborcontainment erfolgreich angelaufen ist.

Mittels eines Überwachungssystems konnte nachgewiesen werden, dass die Polioviren nicht mehr in Deutschland zirkulieren. Die so genannte AFP/Poliomyelitis Surveillance erfasst möglichst vollständig akut auftretende schlaffe Lähmungen (AFP), bisher konnte in allen Fällen eine Poliomyelitis ausgeschlossen werden (Untersuchung von Stuhlproben auf Entero-/Polioviren). Das System soll weiter vervollkommnet werden.

Das Laborcontainment wurde 2001 gestartet. Hierbei erfolgt die Erfassung aller Labore, die Poliowildviren lagern, dann wird entschieden, ob dieses Material zerstört oder unter strengen Sicherheitsbedingungen weiter gelagert wird. Voraussetzung für die Polio-Eradikation war die Entwicklung eines einfachen Impfstoffes (Polio-Schluckimpfung) in den 50er Jahren. Seit 1998 wurde der orale Lebendimpfstoff durch einen Spritzschutz mit abgetöteten Viren ersetzt. Durch die generelle Impfempfehlung und die routinemäßige Überprüfung der Impfausweise bei der Schuleingangsuntersuchung konnte ein Impfschutz von 93 – 97% bei den 5- bis 7-Jährigen erreicht werden.

Auffrischungsimpfungen (bisher im 11. – 13. Lebensjahr, evtuell später noch einmal) erhöhen den Impfschutz weiter. Auch in den nächsten zehn Jahren wird der Polioimpfstoff Bestandteil der 4- oder 6-fach-Impfungen bleiben, danach wird neu entschieden.

Impfmotivation erhöhen

Allgemein schützt man sich vor etwas, wovor man Angst hat. Da kaum noch jemand die schlimmen Auswirkungen von Polio gesehen hat (auch Ärzte nicht), gilt es, gegen die Impfmotivationsmüdigkeit (auch bei Ärzten) anzukämpfen. Die Ausrottung der Kinderlähmung zeigt eindrucksvoll, welche Erfolge durch Impfung erreichbar sind. Dies sollte der Bevölkerung, aber auch den Ärzten und Apothekern Ansporn sein, weitere Infektionskrankheiten zurückzudrängen – z. B. Masern. (Die aktuellen Masernfälle in Coburg wurden zum größten Teil durch zwei Ärzte mitverursacht, die vom Impfen abrieten.) In den USA bekommt übrigens kein ungeimpftes Schulkind einen Schulplatz, wegen der Gefährdung für andere.

In Gemeinschaften von in Deutschland lebenden Ausländern ist die Vorsorge kaum bekannt, entsprechende Programme laufen, um auch hier die Durchimpfungsrate zu erhöhen. Deutschland engagiert sich auch weltweit in Impfkampagnen, vor allem in Indien, demnächst auch in Afghanistan.

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