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Jedes Jahr im Mai legt die ABDA den Wirtschaftsbericht der deutschen Apotheken vor. Es war immer spannend, die Entwicklung der betriebswirtschaftlichen Zahlen, die Zahlen des Arzneimittel- und Apothekenmarktes und die des größten Marktpartners GKV in Relation zu setzen und zu den Vorjahren zu vergleichen. In diesem Jahr erhalten diese Zahlen aber eine zusätzliche gesundheitspolitische Bedeutung. In einem Satz gesagt: die Zahlen beweisen, dass die deutschen Apotheken viel, sehr viel leisten für relativ wenig Geld und dass die Apotheken keine Preistreiber im System sind. Da müsste ein Versandhandel – dessen Einführung bekanntlich unsere Bundesgesundheitsministerin Schmidt empfiehlt – erst einmal vorrechnen, dass er die Benchmark, die die Apotheke setzt, unterbieten kann.

Im Klartext: die gesetzliche Krankenversicherung gab im Jahr 2001 für die Benutzung des Vertriebsweges öffentliche Apotheke nur 4,15 Mrd. Euro aus. Im Jahr 1992 belief sich das "Benutzungsentgelt" gerade mal auf 3,76 Mrd. Euro, so dass sich in diesem Gesamtzeitraum dieser Ausgabenposten der GKV nur um 10% erhöht hat. "Da ist unsere Performance nicht zu toppen", meinte Dr. Diener, Geschäftsführer Wirtschaft und Soziales der ABDA, dazu und dem kann man sich nur anschließen. Vor allem, wenn man sich die Leistungen vor Augen führt, die die Patienten, die Krankenkassen, die Gesellschaft dafür erhält: zum Beispiel Nacht- und Notdienst, Herstellung individueller Rezepturen,

Arzneimittelmarktüberwachung, Information und Beratung, Prüfung der Verordnungen auf Wechselwirkungen und Nebenwirkungen, Beschaffung auch ausgefallener Arzneimittel innerhalb kürzester Zeit, pharmazeutische Betreuung – und nicht zuletzt der soziale Faktor, den die Apotheke, das persönliche Gespräch mit der Apothekerin, dem Apotheker und seinen Mitarbeiter(innen) für Kranke darstellt. Dinge, die Versandapotheken so in der Regel nicht leisten können. Was der Wirtschaftsbericht für das vergangene Jahr auch zeigt: Obwohl die Zahl der Apotheken zurückgegangen ist, stieg die Zahl der beschäftigten Mitarbeiter(innen). Fast 1000 Arbeitsplätze wurden neu geschaffen. Ich denke, auch das ist ein Zeichen dafür, dass es die Apotheken mit der Versorgung und Beratung ihrer Patienten ernst meinen.

Weitere Zahlen aus dem Wirtschaftsbericht: Der Gesamtumsatz der Apotheken ist in 2001 um 7,5% gestiegen und lag bei 29,3 Mrd. Euro. Die Umsatzrendite, also die Handelsspanne abzüglich der Gesamtkosten, stieg allerdings nur um 0,4 Prozentpunkte und lag bei 1,4% des Bruttoumsatzes. Eine typische Apotheke, also die Apotheke, die in Deutschland umsatzmäßig am häufigsten vorkommt, erzielte 2001 einen Bruttoumsatz von 1 078 000 Euro, für den Apothekenleiter bleiben davon 79 000 Euro als Einkommen vor Steuern, von dem er auch seine gesamte Sozialversicherung und Altersvorsorge finanzieren muss und das auch als Entgelt für das eingesetzte Eigenkapital und die Arbeitszeit des Apothekers steht. Zwar lag dieses Einkommen vor Steuern im vergangenen Jahr um 11 Prozent über dem des Vorjahrs, seit 1992 ist es aber jahresdurchschnittlich nur um 1% gestiegen. Mit am eindrucksvollsten lesen sich die Vergleichszahlen zum Apotheken- und Arzneimittelmarkt der USA.

Diese Zahlen sollten sich alle, die einem Versandhandel das Wort reden und damit für eine zwangsläufig folgende Änderung unseres Apothekensystems plädieren, genau anschauen. In Schlagworten: 61% mehr Arzneimittelausgaben pro Einwohner als bei uns, 36% mehr Verordnungskosten pro Einwohner, 202% höhere Ausgaben für die Selbstmedikation pro Einwohner und ein um 100% höherer durchschnittlicher Preis einer verordneten Arzneimittelpackung als bei uns – deutlicher lassen sich die Systemunterschiede nicht vor Augen führen.

Ob unserer Ministerin solche Zahlen bekannt und bewusst sind? Ob sie weiß, dass "ein bisschen" Versandhandel in Deutschland nicht möglich ist, da Fremd- und Mehrbesitz, Aufhebung der Arzneimittelpreisverordnung, kurzum eine Systemveränderung die Folge wäre? Sie wird sich das fragen lassen müssen. Trotzdem gibt es in Deutschland einige Apotheker, die sich unter dem Vorsitz von Dr. Kerckhoff, dem Repräsentanten der schweizer Versandapotheke Mediservice, nun zum Bundesverband Deutscher Versandapotheker zusammengeschlossen haben und deren Ziel es ist, den Versandhandel in Deutschland einzuführen, so er denn erlaubt wird. Wir sprachen mit Kerckhoff, um zu erfahren, wie man sich den Versandhandel vorstellt, welche Vorteile man sich davon verspricht und warum überhaupt ein Versandhandel in Deutschland sinnvoll sein soll. Unter den Apothekern, die sich an der Vereinsgründung beteiligten, sollen Apotheker sein, die bereits dadurch auffielen, dass sie sich für einen Impfstoffversand stark machten und in gerichtlichen Entscheidungen unterlagen...

Peter Ditzel

Überzeugende Zahlen

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