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Diffimmun-Therapie von Tumoren

Auf seiner Abschiedsveranstaltung am 26. April 2002 sprach Prof. Dr. H. Rainer Maurer, Freie Universität Berlin, über die Diffimmun-Therapie von Tumoren (kombinierte Differenzierungs-Immun-therapie).

Die klassischen Chemotherapien der Tumoren haben zum Ziel, möglichst nur die Tumorzellen eines Krebskranken anzugreifen und zu vernichten. Als Hemmstoffe der Zellproliferation blockieren Zytostatika nach der allgemeinen Lehrmeinung hauptsächlich Zellteilungsprozesse. Es gibt aber Tumoren mit relativ geringen Zellproliferationsraten, die auf die Therapie mit bekannten Zytostatika mit beachtlichen Remissionen reagieren. Deshalb müssen neben der Proliferationshemmung noch andere Mechanismen dazu beitragen, Tumoren zum Verschwinden zu bringen.

Induktion der Zelldifferenzierung

Zu den wichtigen Merkmalen von Tumorzellen gehört neben dem Verlust der Proliferationskontrolle ihr Unvermögen, das terminale Differenzierungsstadium zu erreichen. So versucht man seit Jahren, durch Induktion der Zelldifferenzierung mit spezifischen Agenzien Prozesse der Differenzierung einzuleiten, um Tumorzellen schließlich durch Apoptose zu beseitigen.

Bekanntestes Beispiel eines Differenzierungsinduktors ist die Vitamin-A-Säure zur Behandlung der Promyelozyten-Leukämie. Wichtig ist die Erkenntnis, dass man mit bestimmten Zytostatika in niedrigen Konzentrationen Tumorzellen zur Differenzierung und Apoptose zwingen kann. Trotzdem sind die Erfolge der bislang praktizierten Differenzierungstherapie im Großen und Ganzen bescheiden geblieben. Warum?

Es gibt experimentelle Hinweise dafür, dass die Differenzierungsinduktion zur Apoptose-Auslösung nicht ausreicht, wenn das Immunsystem geschwächt ist, wie dies bei den meisten Krebspatienten der Fall ist. Deshalb erscheint es sinnvoll, mit komplementären Methoden die Schwäche des Immunsystems gegen Tumorzellen zu überwinden.

Aktivierung des Immunsystems

Während sich also die klassischen Chemotherapien mehr oder weniger auf die Beseitigung der Tumorzellen konzentrieren, berücksichtigen die komplementären Verfahren den Immunstatus des Patienten und dessen Beziehungen zum Tumor. Im Grunde genommen bemühen sich die verschiedenen komplementären Methoden um die Stärkung der Immunabwehr, sei es

  • auf direktem Wege durch passive Substitutionstherapien mit z. B. monoklonalen Antikörpern, Thymus-, Milz- und Leberpeptiden, oder
  • auf indirektem Wege mit aktiven Therapien wie z. B. Mistel-Lektinen, der aktiv-spezifischen Immuntherapie, Hyperthermie, Zytokin-Induktion und Enzymen (Proteasen).

Wie kann man den Synergismus zwischen Differenzierungsinduktion und Immunzell-Aktivierung auf molekularer Ebene verstehen? Durch die Differenzierungsinduktion gewinnen die Tumorzellen eine veränderte Immunogenität, die sie für aktivierte Immunzellen angreifbar macht. Hierfür gibt es experimentelle Belege.

Fazit: Nach Reduktion einer hohen Tumorlast (z. B. durch Operation) erscheint es sinnvoll, mit möglichst niedrigen Zytostatika-Dosen (Vorteil: weniger Zytostatika-bedingte Nebenwirkungen) die Differenzierungsinduktion einzuleiten und dann komplementäre Methoden anzuschließen.

Die Diffimmun-Therapie greift so auf zwei Ebenen an: auf der der Tumorzellen und auf der der Immunzellen. Daraus folgt, dass die Hochdosis-Chemotherapie bestimmter Krebserkrankungen, deren Sinn und Zweck heute immer mehr bezweifelt werden, hier fehl am Platz ist. Klinische Studien müssen erst noch zeigen, ob bzw. unter welchen Bedingungen sich die Diffimmun-Therapie als tragbare Basis für weitere klinische Konzepte eignet.

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