BVA-Info

Versandhandel: Angestellte in Apotheken gegen Änderung der Arzneimitteldistribu

Offener Brief an die Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt.

Sehr geehrte Frau Ministerin Schmidt,

mit sehr gemischten Gefühlen hat der Bundesverband der Angestellten in Apotheken (BVA) Ihr Bekenntnis zum Versandhandel aufgenommen, das Sie bei der Sitzung des "Runden Tisches" am 22. April in Groß-Ziethen abgelegt haben.

Der BVA vertritt die ca. 110 000 Angestellten in Apotheken, die mit täglich ca. 3,5 Millionen Kundenkontakten einen guten Multiplikator bilden. Trotz mehrfacher Intervention waren die Apothekenangestellten nicht beim Runden Tisch beteiligt. Dabei hätten unter Mitwirkung des BVA viele der Fragen, die sich jetzt geballt stellen, schon früher angesprochen und bearbeitet werden können. Nun sind Bundesregierung und das Gesundheitsministerium aufgefordert, zügig auf die sich jetzt aufdrängenden Fragen zu antworten.

Nach Ihrem Wunsch sollen die Kassen nur in Deutschland zugelassene Arzneimittel erstatten - wie soll kontrolliert werden, ob dort ein deutscher oder griechischer Beipackzettel beigefügt ist? Was ist mit nicht GKV-erstattungsfähigen Arzneimitteln, also Arzneimitteln im Rahmen der Selbstmedikation?

Im Sinne des Patientenschutzes ist es auch hier erforderlich, nur Arzneimittel für den Versandhandel zuzulassen, die den hohen Sicherheits- und Qualitätsstandards in Deutschland genügen. Dies ist unserer Meinung nach nicht möglich und nicht kontrollierbar. Bevor nicht die Frage geklärt ist, ob und wie sich ein Versandhandel mit Arzneimitteln begrenzen lässt, darf nicht einfach ein Bekenntnis zum Versandhandel abgelegt werden.

Gesetzt den Fall, es käme, wie von Ihnen geplant: Dürfte dann jede Apotheke Versandhandel betreiben? Oder gibt es besondere Kriterien? Es müsste dann wohl auch so sein, dass deutsche Apotheken im Ausland günstig Arzneimittel erwerben und per Versand losschlagen? Sonst wären die Wettbewerbsbedingungen nicht gleich und somit rechtlich angreifbar?

Als Konsequenz müsste wohl die Preisbindung bei Arzneimitteln fallen? Ist das wirklich von der Regierung gewünscht? Arzneimittel als "normale", nicht als "besondere" Ware, die per Sonderangebot unter die Bevölkerung gebracht wird? Patienten, die ein Medikament dringend benötigen, sollen dann womöglich erst Preisvergleiche anstellen? Eine Regierung, die dieses ernsthaft im Sinne hätte, müsste zu Recht um ihre Wiederwahl bangen!

Um nicht auf die Chimäre "Versandhandel spart Kosten und Zeit" herein zu fallen, bedarf es einer sorgfältigen Bewertung des Versandhandels. Erfahrungen aus dem Ausland und aus dem gesamten E-Commerce-Bereich, aber auch die möglichen Folgen, müssen hinzugezogen werden, um alle Fakten bewerten zu können.

Sind einige Euro Einsparung es tatsächlich wert, die Versorgung der Patienten in vielen Bereichen zu verschlechtern, zahlreiche Arbeitsplätze in Apotheken zu vernichten, das gesamte schnelle und kostengünstige Vertriebssystem über die Apotheke unwiderruflich zu zerschlagen? Was folgt danach?

Im übrigen sagt schon der gesunde Menschenverstand, dass ein Medikament, das per Post oder Kurier verschickt wird, immer teurer sein muss als ein in der Apotheke erworbenes, da die Versandkosten noch dazu kommen.

Dies bedeutet, dass ausländische Internetapotheken entweder Rosinenpickerei betreiben müssen (also nur hochpreisige Arzneimittel verschicken, damit der Gewinn trotz Versandkosten noch hoch genug ist) oder aber der Patient die Versandkosten tragen muss. Wenn der Patient jedoch seine Arzneimittel um die Ecke in der Apotheke kaufen könnte, warum sollte er dann Versandkosten bezahlen?

Es gibt viele Untersuchungen im E-Commerce-Bereich, die sich damit beschäftigen, wie die Ware den Kunden erreicht. Dabei hat sich herausgestellt, dass die "letzten Meter" die teuersten und logistisch aufwendigsten sind. Was ist, wenn der Kunde nicht da ist? Sollen die Arzneimittel tatsächlich vor die Tür gelegt oder dem Nachbarn ausgehändigt werden? Über das Pick-up-System, das der BVA bereits im Sommer 2000 vorgestellt hat, denken mittlerweile auch große Versandhändler nach, da ein mehrmaliges Anfahren eines Kunden die Kosten erheblich in die Höhe treibt.

Im übrigen gibt es den von Ihnen geforderten "Versandhandel" im Prinzip schon. Der Patient kann bei einer Apotheke seiner Wahl telefonisch oder per Internet seine Medikamente bestellen und diese dann in der Apotheke abholen.

Geht es bei der gesamten Versandhandelsdiskussion tatsächlich nur darum, die Ware zum Kunden zu bringen, lässt sich mit Sicherheit ein Weg unter Einbeziehung der Apotheke und des dort vorhandenen pharmazeutischen Sachverstandes finden, der alle Anforderungen erfüllt: sicher, zeitnah, preisgünstig und mit fundierter pharmazeutischer Beratung, also eine Auslieferung durch pharmazeutisches Personal. Das dringend benötigte Antibiotikum würde in diesem Fall in wenigen Stunden und nicht erst nach Tagen geliefert werden können.

Der BVA wendet sich entschieden gegen die derzeitige Situation, in der ein Großteil der Krankenkassen offenen Rechtsbruch betreibt und ihre Patienten dazu auffordert, bei Versandapotheken im Ausland zu bestellen. Es muss dringend davor gewarnt werden, erst durch permanenten Rechtsbruch Fakten zu schaffen und diese dann durch ein Gesetz zu legalisieren. Dies beschädigt den Rechtsstaat Deutschland in erheblichem Umfang und lädt zur Nachahmung ein.

Wir fordern Sie hiermit auf, entschieden gegen die derzeitige Praxis der Krankenkassen vorzugehen! Es drängt sich sonst möglicherweise der Eindruck auf, dass die Regierung einem ungesetzlichen Treiben tatenlos zusieht, um es später mit den Worten "seht ihr, geht doch" legalisieren zu können. Die Angestellten in Apotheken werden überdies jede Aktion unterstützen, die sich gegen den ständigen Rechtsbruch der Krankenkassen wendet.

Sollte es tatsächlich zu einer Gesetzesänderung im Bereich der Arzneimitteldistribution kommen, erwarten wir, dass wir als unmittelbar davon Betroffene mit am Tisch sitzen, um unser Know-how mit einbringen zu können und dafür zu sorgen, dass die Belange der Patienten und ihr Wunsch nach einer qualitativ hochwertigen und sicheren, aber dennoch preisgünstigen Arzneimittelversorgung berücksichtigt werden.

Mit freundlichen Grüßen,

Insa Heyde Bundesverband der Angestellten in Apotheken Vorstand, Bereich Öffentlichkeitsarbeit Tel. (04 21) 3 96 52 71 E-Mail: Presse@BVA-online.de

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