Arzneimittel und Therapie

Gastrointestinale Stromatumoren: Imatinib bietet neue Perspektiven

Mit Imatinib hat man nicht einen Wirkstoff gefunden oder synthetisiert und dann im breiten Screening auf Wirksamkeit und Einsatzmöglichkeiten geprüft, sondern das Medikament ist als Resultat des rationalen Moleküldesigns auf den Markt gekommen. Weiterhin musste nicht die Indikation nach dem breiteren Einsatz eingeschränkt werden, sondern schon nach kurzer Zeit konnte diese von der Behandlung der chronisch myeloischen Leukämie (CML) und der akuten lymphatischen Leukämie (ALL) auf die Behandlung von Patienten mit gastrointestinalen Stromatumoren (GIST) erweitert werden. In den USA wurde die Zulassung für die Behandlung von GIST bereits erteilt; in Deutschland rechnet man im Sommer 2002 mit einer Indikationserweiterung für Imatinib.

Bei dem Phenylaminopyrimidin-Derivat Imatinib (Glivec®) handelt es sich um das erste Krebsmittel, das – basierend auf den umfangreichen pathogenetischen Erkenntnissen im Zusammenhang mit der chronisch myeloischen Leukämie – auf rationaler Basis entworfen wurde. Imatinib ist weiterhin der erste Tyrosinkinasehemmer, dessen Wirksamkeit und Verträglichkeit im klinischen Einsatz bestätigt werden konnte. Die chronisch myeloische Leukämie, eine hämatologische Stammzellerkrankung, ist durch eine erhöhte Anzahl von Leukozyten in allen Reifungsstadien charakterisiert und geht häufig mit einer verminderten Erythrozyten- und Thrombozytenzahl einher. Weiterhin ist bei 95% der Patienten mit CML eine Chromosomenanomalie festzustellen: Durch eine Translokation von genetischem Material zwischen den langen Armen der Chromosomen 9 und 22 entsteht das so genannte Philadelphia-Chromosom. Durch Fusion der Genfragmente bcr und abl bildet sich das Fusionsprodukt bcr-abl, eine Tyrosinkinase, die an der Signaltransduktion beteiligt ist. Durch die dauerhafte Aktivierung dieses Enzyms kommt es zur Entartung der betroffenen Zellen und zur unkontrollierten Vermehrung der Leukozyten. Durch Imatinib wird die Tyrosinkinase spezifisch gehemmt, indem das Enzym offensichtlich in einer inaktiven Form stabilisiert wird.

Imatinib bei chronisch myeloischer Leukämie

Bisher kann man eine dauerhafte Heilung der chronisch myeloischen Leukämie nur durch eine Knochenmarkstransplantation erreichen. Doch diese Option steht in der Praxis kaum zur Verfügung, da häufig kein passender Spender gefunden werden kann oder das zu hohe Lebensalter dieser Intervention entgegensteht. Daher wurde die chronisch myeloische Leukämie bisher in der chronischen Phase in erster Linie mit Interferon alfa therapiert: bei einem Großteil der Patienten erreichte man dadurch eine hämatologische Remission und in einigen Fällen darüber hinaus eine dauerhafte zytogenetische Remission. Mit Imatinib werden nun auch Patienten in fortgeschrittenen Stadien der chronisch myeloischen Leukämie wieder therapierbar. Mit dem Tyrosinkinasehemmer erreicht man ein langsameres Fortschreiten der Erkrankung sowie eine deutliche Verlängerung der Überlebenszeit. Als Nebenwirkungen können leichte Übelkeit, Ödeme, Muskelkrämpfe oder Hautreizungen auftreten. Im Rahmen von klinischen Langzeitstudien muss noch geklärt werden, ob es unter der Therapie mit Imatinib auch zu einer Heilung der chronisch myeloischen Leukämie kommen kann.

Imatinib bei akuter lymphatischer Leukämie

Die Behandlung der akuten lymphatischen Leukämie stellt unverändert eine große Herausforderung dar, wobei die Philadelphia-Chromosom-positive Form, die bei 20 bis 30% der Betroffenen auftritt, die mit Abstand ungünstigste Prognose aufweist. Man hofft nun, durch die gezielte molekulare Therapie mit Imatinib auch bei Patienten mit Philadelphia-Chromosom-positiver Leukämie einen therapeutischen Fortschritt erzielen zu können. Imatinib übt bei Philadelphia-Chromosom-positiven Leukämiezellen einen signifikanten antileukämischen Effekt aus, mit bemerkenswert günstigem Nebenwirkungsprofil. Allerdings reicht trotz vielversprechender anfänglicher Effekte die alleinige Therapie mit Imatinib nicht aus, um Patienten mit rezidivierter oder refraktärer Philadelphia-Chromosom-positiver Leukämie mehrheitlich zu heilen. Für die weitere Verbesserung der therapeutischen Resultate dürfte der möglichst frühzeitige Einsatz von Imatinib sowie eine Kombination mit anderen Therapiemodalitäten von entscheidender Bedeutung sein. Da sich die initiale Wirkung aufgrund einer Resistenzentwicklung rasch verliert, müssen die zugrunde liegenden Mechanismen untersucht werden, damit man diese Resistenz umgehen oder ausschalten kann.

Einsatz von Imatinib bei gastrointestinalen Stromatumoren

Gastrointestinale Stromatumoren manifestieren sich bevorzugt im Magen und Dünndarm – mit einer jährlichen Rate von 250 Neuerkrankungen in Deutschland. Da man aufgrund der ausgeprägten Resistenz weder mit der herkömmlichen zytostatischen Chemotherapie noch mit der Bestrahlung nennenswerte Erfolge erzielen konnte, galt die Prognose dieser Tumore als äußerst schlecht. Patienten mit metastasierter oder inoperabler Erkrankung hatten eine mittlere Überlebensdauer von 10 bis 12 Monaten. Auch dieser Erkrankung liegt eine Genveränderung zugrunde: Durch eine Mutation im Protoonkogen c-kit wird ein Wachstumsfaktor-Rezeptor mit Tyrosinkinaseaktivität "auf Dauerbetrieb" geschaltet – mit der Folge einer malignen Entartung. In Studien sprachen 59% der Patienten mit gastrointestinalem Stromatumor auf eine Imatinib-Therapie an. Das Fortschreiten der Erkrankung konnte aufgehalten und die Patienten von ihren Symptomen befreit werden.

Kastentext: Gastrointestinale Stromatumore

Gastrointestinale Stromatumore sind eine sehr seltene Krebsform. Weltweit wird mit rund 12 000 neuen Fällen pro Jahr gerechnet. Damit sind gastrointestinale Stromatumore viel seltener als der "normale" Darmkrebs, an dem jährlich mehr als 30 000 Menschen erkranken. Sie waren in der Vergangenheit sehr schwer zu behandeln, weil sie eine hohe Resistenz gegen herkömmliche Chemo- und Strahlentherapie aufweisen. Für Patienten mit metastasierender oder nicht operierbarer Erkrankung ist diese Tumorart unheilbar und mit einer mittleren Überlebensdauer von rund zehn bis zwölf Monaten verbunden. Bis jetzt bestand die einzige Behandlungsoption in einer Operation, die im Wesentlichen eine Linderung der Krankheit bewirkte. Daher ist es ein großer Fortschritt, dass die Behandlung mit Imatinib bei etwa zwei Drittel der Patienten, die in den USA und Europa behandelt wurden, eine z.T. dramatische Rückbildung der Tumoren bewirkte.

Quelle: Prof. Dr. Bernd Dörken, Berlin, Dr. Peter Reichardt, Berlin, Pressegespräch "Glivec®: Neue Ansätze in der Krebstherapie" anlässlich des 25. Deutschen Krebskongresses, 14. März 2002, Berlin, veranstaltet von der Novartis Pharma GmbH, Nürnberg.

Mit Imatinib hat man nicht einen Wirkstoff gefunden oder synthetisiert und dann im breiten Screening auf Wirksamkeit geprüft, sondern das Medikament ist als Resultat des rationalen Moleküldesigns auf den Markt gekommen. Schon nach kurzer Zeit konnte die Indikation von der Behandlung verschiedener Formen der Leukämie auf die Behandlung von gastrointestinalen Stromatumoren erweitert werden. In den USA wurde die Zulassung für die Behandlung von gastrointestinalen Stromatumoren bereits erteilt; in Deutschland rechnet man im Sommer 2002 mit einer Indikationserweiterung für Imatinib.  

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