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2 Millionen Euro für neue DFG-Forschergruppe: Neue Wege zur Therapie bösarti

BERLIN (dfg/daz). Für einige schwerwiegende Erkrankungen fehlt noch immer eine befriedigende Therapie. So ist bislang die Behandlung von Krebserkrankungen (malignen Tumoren), Autoimmunerkrankungen (z. B. rheumatische Erkrankungen, Schuppenflechte), Infektionen mit Protozoen und Viren (Malaria, Toxoplasmose, AIDS), aber auch von neurodegenerativen Erkrankungen (Morbus Alzheimer, Morbus Parkinson), unzureichend. Die Entwicklung neuer und die Verbesserung herkömmlicher Arzneimittel steht deshalb heute im Mittelpunkt der pharmazeutischen Forschung. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) richtet aus diesem Grund eine neue Forschergruppe "Innovative Arzneistoffe und Trägersysteme. Integrative Optimierung zur Behandlung entzündlicher und hyperproliferativer Erkrankungen" an der Freien Universität Berlin ein.

Die beteiligten Wissenschaftler möchten durch Grundlagenforschung neue Wege zur Therapie bösartiger Tumore (z. B. Brust-, Prostatakrebs), aber auch von schweren Formen entzündlicher Hauterkrankungen, aufzeigen. Die Wirkstoffe verdienen aber auch zur Vermeidung der Transplantatabstoßung und beim Wiederverschluss der Herzkranzgefäße Interesse. Für ein gezieltes Hinführen zu ihrem Wirkort werden hoch spezialisierte Trägersysteme entwickelt.

Bewilligt wurde die Forschergruppe für vorerst zwei Jahre. Eine Verlängerung von Seiten der DFG wurde schon jetzt in Aussicht gestellt. Die DFG stellt Mittel in Höhe von rund zwei Millionen Euro zur Verfügung: Davon werden zehn Stellen für Doktoranden, drei für promovierte Wissenschaftler, eineinhalb Stellen für technische Assistenz und zwei Stellen für studentische Hilfskräfte geschaffen; die restliche Summe in Höhe von ca. 500 000 Euro wird für Sachmittel zur Verfügung gestellt. Koordiniert wird die Forschergruppe, die aus acht einzelnen Projekten besteht, von Frau Prof. Dr. Monika Schäfer-Korting vom Institut für Pharmazie der Freien Universität Berlin.

Pharmaka auf genomischer und postgenomischer Ebene

Anders als früher sind Pharmakologen und Mediziner heute oftmals in der Lage, durch interdisziplinäre Forschungen Arzneimittel für eine gezielte, ursachenorientierte Behandlung von Krankheiten zu entwickeln. Dabei können etablierte, aber auch innovative Wirkstoffe bzw. Therapiekonzepte eingesetzt werden. Hohe Bedeutung besitzen in diesem Zusammenhang neue Zielstrukturen (Targets) für Pharmaka auf genomischer und postgenomischer Ebene, die durch die Fortschritte der molekularen Medizin identifiziert werden konnten. Basierend auf der Kenntnis dieser Targets besteht die Möglichkeit zur Entwicklung hochaktiver Wirkstoffe. Diese allerdings weisen nicht selten Eigenschaften (geringe Selektivität, hohe Toxizität, geringe Stabilität, schlechte Löslichkeit) auf, die ihren Einsatz als Arzneimittel ausschließen oder zumindest erheblich erschweren. Als Problemlösungen bieten sich eine Optimierung der Struktur sowie ein Targeting durch moderne Trägersysteme an – ein bislang wenig verfolgter Ansatz.

Besonders vielversprechend erscheint die integrative Optimierung von Arzneistoff und Trägersystem. Diese wechselseitige Anpassung soll vor dem Hintergrund der Zielstruktur bzw. der spezifischen pathophysiologischen Veränderungen des erkrankten Gewebes zu Arzneimitteln höchster Wirksamkeit und bester Verträglichkeit führen. Essentiell dafür ist die intensive Rückkopplung zwischen den beteiligten Entwicklungsbereichen.

Komplexe Grundlagenforschung erforderlich

Pharmazeuten, Biochemiker, Humanmediziner, Chemiker und Physiker werden nun im Rahmen der DFG-Forschergruppe der Entwicklung neuer Wege für eine gezielte Arzneimitteltherapie entzündlicher und hyperproliferativer (z. B. neoplastischer) Erkrankungen widmen. Neue Arzneistoffe sollen gefunden und deren Wirksamkeit mittels eines selektiven Targetings bzw. einer gesteuerten Arzneistofffreisetzung maximiert werden. Als Trägersysteme kommen Liposomen, Lipidnanopartikel, Polymere bzw. Nanosuspensionen als Wirkstoffformulierung in Frage. Für industrielle Einrichtungen ist die Umsetzung dieses Konzeptes nicht realisierbar, da die Vielzahl der dabei zu lösenden Probleme eine komplexe Grundlagenforschung erfordert.

Wirkstoffe, die in der geplanten Forschergruppe untersucht werden sollen, leiten sich vielfach von körpereigenen Strukturen – Fetten (Lipiden) und Zuckern – ab, so dass lipidbasierte Trägersysteme mit oder ohne modifizierter Oberflächenstruktur vielversprechend erscheinen, um ein Targeting bzw. die Überwindung von Barrieren zu erreichen. Eine gezielte Oberflächenmodifikation erleichtert z. B. die Aufnahme in das Gehirn über die Wechselwirkung der partikulären Träger mit spezifischen Rezeptoren von Hirnkapillaren. Auch zur Applikation von Wirkstoffen anderer Art, z. B. von Hormonen und neuen Wirkstoffen gegen Infektionskrankheiten, eignen sich diese Träger.

Neue Strategie: Wirkstoffbindung an Dendrimere

Eine neue Strategie, antitumorale Arzneimittel hoher Bioverfügbarkeit zu erhalten, ist z. B. die Bindung des Wirkstoffs an synthetische Polymere (Dendrimere). Dies erlaubt eine gezielte Aufnahme und Freisetzung des Wirkstoffs im Tumor und gewährleistet eine nebenwirkungsarme Therapie. Bei gleichzeitiger Minimierung von Arzneistoff-bedingten Risiken ist so eine gute Wirksamkeit zu erzielen. Daher gilt es, die Träger weiterzuentwickeln und für die Wirkstoffe maßzuschneidern. Eine Modifikation des Wirkstoffs muss erfolgen, sofern besonders geeignete Träger eine strukturelle Anpassung erfordern. Ausgehend von den optimierten Wirkstoff/Träger-Systemen wird die spezifische Wechselwirkung von Träger, Wirkstoff und Target verfolgt. Dazu bedarf es der Weiterentwicklung physikalischer Messmethoden.

Acht Teilprojekte

Die Forschergruppe gliedert sich in acht Teilprojekte: 1. "Optimierung von Zytostatika durch Entwicklung neuartiger Zytostatika-Dendrimer-Konjugate": Prof. Dr. Ronald Gust (Institut für Pharmazie, Freie Universität Berlin) und Prof. Dr. Arnulf Dieter Schlüter (Institut für Chemie/Anorganische Chemie, Freie Universität Berlin)

2. "Neuartige glycosidierte Phospholipidanaloga als topische Dermatika und Inhibitoren des Tumorwachstums": Dr. Kerstin Danker und Prof. Dr. Werner Reutter (beide Institut für Molekularbiologie und Biochemie, Freie Universität Berlin)

3. "Sphingosin-1-phosphat und Analoga in der Therapie hyperproliferierender Hautkrankheiten. Untersuchungen zu Signalwegen sowie Penetration und Wirksamkeit in Abhängigkeit von Trägersystemen": Dr. Burkhard Kleuser, (Institut für Pharmazie/ Pharmakologie, Freie Universität Berlin), Prof. Dr. Hans-Ulrich Reissig (Institut für Chemie/Organische Chemie, Freie Universität Berlin)

4. "Lipidbasierte Trägersysteme zur optimierten kutanen und transdermalen Wirkstoffapplikation": Prof. Dr. Monika Schäfer-Korting (Institut für Pharmazie/Pharmakologie, Freie Universität Berlin), Prof. Dr. Hans Christian Korting (Dermatologische Klinik, Ludwig-Maximilians-Universität München) und Dr. Wolfgang Mehnert (Institut für Pharmazie/Pharmazeutische Technologie, Freie Universität Berlin)

5. "L-Selektin-Inhibitoren und lösliche L-Selektin-Formen zur Behandlung entzündlicher Erkrankungen": Prof. Dr. Rudolf Tauber (Institut für Chemie/Klinische Chemie und Pathobiochemie, Freie Universität Berlin)

6. "Apolipoprotein-E-Peptide als Vektoren für eine Wirkstoffaufnahme in Hirnendothelzellen": Dr. Margitta Dathe (Forschungsinstitut für Molekulare Pharmakologie, Berlin) und Prof. Dr. Oliver Liesenfeld (Institut für Infektionsmedizin, Freie Universität Berlin)

7. "In-situ Bildung bioabbaubarer Polymermikropartikel": Prof. Dr. Roland Bodmeier (Institut für Pharmazie/Pharmazeutische Technologie, Freie Universität Berlin)

8. "Charakterisierung struktureller und dynamischer Parameter von Nano- und Mikropartikeloberflächen sowie deren Wechselwirkungen mit Targetmembranen": Prof. Dr. Horst Niehus (Institut für Physik/Oberflächenphysik und Atomstossprozesse), Prof. Dr. Klaus D. Kramer (Institut für Experimentalphysik, Freie Universität Berlin)

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