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Einstellung der Bevölkerung zum Gesundheitswesen: Pessimistischer Grundtenor

(ri). Politikverdrossenheit ist ein Befund, der der Bevölkerung von politischen Beobachtern immer wieder ausgestellt wird. Dabei ist dieser Befund nicht nur ein allgemeines Phänomen, sondern gilt auch im Hinblick auf einzelne Politikfelder. Ein Bericht in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung in der vergangenen Woche (17. April 2002) zeigt anhand von statistischen Erhebungen, wie sich diese pessimistische Haltung der Bevölkerung angesichts der Fragen der Gesundheitspolitik konkret auswirkt.

Danach hat sich die grundsätzliche Einstellung gegenüber dem deutschen Gesundheitssystem seit Mitte der 90er Jahre in der Bevölkerung gewandelt: Waren es in der Mitte der Dekade noch 82 Prozent der Deutschen, die das Gesundheitssystem mit gut bis sehr gut beurteilten, so stellen zur Jahrtausendwende nur noch 61 Prozent der Befragten ein so positives Zeugnis aus. Dabei haben Menschen, die als Kranke unmittelbar mit dem System in Kontakt traten, eine ungleich schlechtere Meinung als gesunde Personen. So mögen nur 37 Prozent der ernsthaft erkrankten Menschen dem Gesundheitssystem ein gutes Zeugnis ausstellen, während dies immerhin 67 Prozent derjenigen Personen tun, die keinerlei Gesundheitsprobleme zu bewältigen haben.

Auch der Blick in die Zukunft ist für viele Deutsche eine eher trübe Angelegenheit. Schon heute befürchtet die Hälfte der Bevölkerung, dass sie im Falle einer ernsthaften Krankheit nicht angemessen medizinisch versorgt werden kann. Auffallend: Die viel beschworene künftige Zwei-Klassen-Medizin scheint in der Wahrnehmung der Betroffenen für 70 Prozent der Befragten schon ein sicherer Fakt zu sein. Zudem geht die Schere zwischen privat und gesetzlich Versicherten in der Frage einer ausreichenden medizinischen Versorgung weit auseinander: Während es bei den gesetzlich versicherten Personen 53 Prozent sind, die befürchten, künftig im Bedarfsfall medizinisch nicht optimal versorgt zu werden, fühlt sich das Klientel der privat Versicherten mehrheitlich weniger verunsichert – nur 28 Prozent haben entsprechende Befürchtungen.

Bürger rechnen mit höheren Eigenbeteiligungen

Dass in Fragen der Zuzahlungen schon mittelfristig das eigene Portmonee häufiger gezückt werden muss, vermuten 76 Prozent der Bevölkerung, 74 Prozent rechnen mit generell steigenden Kosten im Gesundheitssystem. Dass es immer schwieriger wird, sich teure Medikamente verschreiben zu lassen, steht für 62 Prozent der Befragten fest. In diesem Zusammenhang bescheinigen fast zwei Drittel der Bevölkerung der Politik ein schlechtes Zeugnis – sie glauben, dass zu erwartende Beitragserhöhungen vermeidbar wären. Mit der Erhöhung der Kosten wird aber keine Verbesserung der Versorgung erwartet, vielmehr ist das Gegenteil der Fall. 52 Prozent der Deutschen prognostizieren einen Verlust der Menschlichkeit in der Medizin auf Kosten einer wachsenden Bedeutung der Apparatemedizin. 60 Prozent der Bevölkerung nehmen an, dass ihr Arzt immer weniger Zeit für sie hat – der Zeitmangel ist in der Empfindung der Bürger schon heute einer der größten Mängel im System. Gut zwei Drittel der Befragten sind im Hinblick auf die Übernahme der Kosten durch die Krankenkassen eher skeptisch – sie befürchten, dass die Kassen künftig nur noch die Kosten für die Grundversorgung übernehmen werden.

In der gegenwärtigen Situation sind es hauptsächlich die unmittelbar Betroffenen, die Einschneidungen im Gesundheitssystem registrieren: So klagen 43 Prozent der Erkrankten darüber, dass sie in den vergangenen zwei Jahren auf bestimmte Leistungen verzichten mussten, bei der Befragung einschließlich gesunder Personen machte fast ein Drittel die subjektive Erfahrung, dass sie Leistungseinschränkungen hinnehmen mussten. Satte 70 Prozent der politisch Interessierten halten eine umfassende Gesundheitsreform für zwingend erforderlich!

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