Arzneimittel und Therapie

Mammakarzinom: Höhere Ansprechrate mit Capecitabin

Zahlreiche Studien belegen, dass die Therapie mit Capecitabin (Xeloda®) bei metastasiertem Mammakarzinom zu höheren Ansprechraten und einer verlängerten Überlebenszeit als die bisher eingesetzten Zytostatika führt. Das Präparat wird auch von den Patientinnen gut akzeptiert, da es oral appliziert werden kann. Einige Nebenwirkungen anderer Wirkstoffe wie Alopezie und Parästhesien treten praktisch kaum in Erscheinung.

Capecitabin – ein Prodrug

Capecitabin ist ein rational entwickeltes Fluoropyrimidin-Carbamat. Nach fast 100%iger Resorption im Darm wird die Substanz in einem dreistufigen Aktivierungsprozess in 5-Fluoruracil umgewandelt. Der erste Schritt erfolgt in der Leber, der zweite in Leber und Tumorzelle, der dritte vorzugsweise im Tumor.

Die Substanz Capecitabin sowie ihre ersten beiden Metaboliten sind unwirksam. Der letzte entscheidende Schritt, die Umwandlung von 5'-Desoxy-5-Fluoruridin in die Wirksubstanz 5-Fluoruracil, wird von der Thymidin-Phosphorylase katalysiert. Dieses Enzym liegt im Tumorgewebe in signifikant höherer Konzentration als im Normalgewebe vor. 5-Fluoruracil wird auf diese Weise ganz gezielt in den Tumorzellen angereichert.

Monotherapie mit günstigem Nebenwirkungsprofil

Die orale Chemotherapie mit Capecitabin erwies sich gegenüber anderen etablierten Therapieregimes hinsichtlich der Wirksamkeit als mindestens ebenbürtig. Unterschiede gibt es bei den Nebenwirkungsprofilen. Im Vergleich mit Paclitaxel beispielsweise führte Capecitabin etwas häufiger zu Nausea, Erbrechen, Diarrhö, Fatigue und vor allem Hand-Fuß-Syndrom. Dagegen traten Myalgie, Parästhesien und Alopezie bedeutend seltener auf. Erheblich geringer sind auch die hämatologischen Nebenwirkungen von Capecitabin.

Während Paclitaxel in einer Studie bei über 50% der Patientinnen zu Neutropenie Grad 3 und 4 führte, wurde unter Capecitabin in nur etwa 10% der Fälle eine Grad-3-Neutropenie beobachtet. Höhergradige Leukopenie oder Thrombopenie traten im Gegensatz zu Paclitaxel gar nicht auf.

Ein großer Vorteil ist die gute Steuerbarkeit der Capecitabin-Behandlung. Bei ersten Anzeichen schwerer Nebenwirkungen, speziell dem Hand-Fuß-Syndrom, kann die Dosierung individuell angepasst werden, was nach bisherigen Erkenntnissen jedoch nicht zu einer verminderten Wirksamkeit führt. Voraussetzung dafür ist eine gute Aufklärung der Patientinnen und eine sorgfältige Überwachung der Therapie.

Capecitabin als Kombinationspartner

Aufgrund seiner guten Verträglichkeit, insbesondere dem weitgehenden Fehlen einer Hämatotoxizität, eignet sich Capecitabin gut als Kombinationspartner, wie beispielsweise für Docetaxel, Vinorelbin, Epirubicin und Cyclophosphamid gezeigt wurde.

Von besonderem Interesse ist die Kombination mit Vinorelbin, hier zeigten sich in ersten Studien bei vorbehandelten Patientinnen Ansprechraten um 50% bei sehr geringen Nebenwirkungen. In einer multinationalen randomisierten Phase-III-Studie mit 511 Patientinnen verglich man eine kombinierte Capecitabin-Docetaxel-Therapie mit einer Docetaxel-Monotherapie.

Auf die Kombinationstherapie sprachen 42% der Patientinnen an, auf die Monotherapie nur 30%. Die Zeit bis zur Progression verlängerte sich durch die Kombination um fast zwei Monate. Trotz vermehrter Nebenwirkungen hinsichtlich Diarrhö, Stomatitis, Hand-Fuß-Syndrom und Übelkeit führte die Kombinationstherapie Capecitabin-Docetaxel nicht zu einer Verschlechterung der Lebensqualität gegenüber der Monotherapie mit Docetaxel.

Capecitabin nach Vorbehandlung

Aufgrund des zunehmenden Einsatzes von Anthracyclinen und Taxanen in frühen Stadien des Mammakarzinoms müssen neue Therapieoptionen entwickelt werden, die bei einer erneuten Krankheitsprogression eingesetzt werden können.

In einer palliativen Situation bestehen die Therapieziele darin, tumorbedingte Symptome zu reduzieren, den Allgemeinzustand zu bessern oder zu erhalten sowie die progressionsfreie Überlebenszeit zu verlängern. Bisher wurde in drei großen Phase-II-Studien untersucht, wie wirksam Capecitabin bei Frauen mit Anthracyclin- und Taxan-vorbehandeltem Mammakarzinom ist.

In einer amerikanischen Studie mit 163 Patientinnen, die mit Paclitaxel vorbehandelt worden waren, lag die Remissionsrate bei 20%, in 63% konnte eine Krankheitskontrolle erzielt werden. In einer amerikanisch-französischen Studie wurde Capecitabin bei 75 Patientinnen nach Paclitaxel- oder Docetaxel-Vorbehandlung eingesetzt.

Die Remissionsrate lag hier bei 26%, die mediane Zeit bis zur Progression bei 3,2 Monaten. In der gleichen Größenordnung (3,3 Monate) befand sich die mediane Zeit bis zur Progression in einer prospektiven deutschen Studie mit 136 Frauen. Die Remissionsrate lag bei den stark vorbehandelten Patientinnen hier bei 15%, bei weiteren 46% konnte eine Krankheitsstabilisierung erreicht werden. Aufgrund dieser Befunde weist Xeloda bei einem günstigen Nebenwirkungsprofil die bisher konsistenteste Effektivität bei Frauen mit Anthracyclin- und Taxan-vorbehandeltem Mammakarzinom auf.

Metronome Chemotherapie

Das empfohlene Dosisschema mit Capecitabin besteht aus einer Behandlung über 14 Tage, gefolgt von einer 7-tägigen Therapiepause. Die Nebenwirkungen von Capecitabin können durch symptomatische Behandlung oder eine Änderung der Dosierung (Unterbrechung der Behandlung oder Dosisreduzierung) beherrscht werden.

Ein anderes Dosierungsschema ist die metronome Chemotherapie. Das Prinzip der metronomen Chemotherapie beruht auf einer niedrigkon- zentrierten, aber permanenten Einnahme eines Zytostatikums. Untersuchungen in den USA zeigten, dass man mit der metronomen Chemotherapie sogar das Wachstum von bereits therapieresistenten Tumoren hemmen kann.

In einer weltweit einzigartigen Phase-II-Studie im Marienhospital Herne der Ruhr-Universität Bochum erhalten derzeit 30 Patientinnen, die die Tumoreigenschaft HER-2 und Metastasen aufweisen, eine orale metronome Chemotherapie mit Capecitabin und eine Infusion mit dem humanisierten Antikörper Herceptin. Prof. Dr. Gerhard Schaller, der Leiter der Studie, hofft, dass sich die Erfolge aus den Tierversuchen und dem Pilotprojekt fortsetzen lassen.

Psychoonkologie

Wenn es heute gelingt, durch die Entwicklung immer wirksamerer Zytostatika gegen Mammakarzinome Patientinnen zu heilen oder deren Leben zu verlängern, rückt die Frage der Lebensqualität stärker in den Vordergrund. Mit der Frage, wie Patienten mit einer Krebserkrankung leben, beschäftigt sich die Psychoonkologie. Ihr Hauptanliegen ist es, Krebskranke bei der Bewältigung ihrer Krankheit und deren Auswirkungen zu unterstützen, psychische Folgeprobleme therapeutisch aufzufangen und auf diese Weise angesichts einer äußerst krisenhaften und belastenden Krankheitssituation die Lebensqualität zu erhöhen.

Dass gerade bei Mammakarzinom-Patientinnen die psychischen Belastungen hoch sind, ist durch viele Studien belegt. Die Krebsdiagnose an sich ist schon traumatisierend. Dazu kommen Belastungen durch einschneidende medizinische Therapien und deren Nebenwirkungen, eine oft quälende Ursachensuche, häufig damit verbundene Schuldgefühle, Minderwertigkeitsgefühle durch ein verändertes Körperbild, Ängste vor Metastasierung und Rezidiv sowie negative Auswirkungen auf Partnerschaft, Familie und Beruf.

Hilfestellung für Betroffene und Angehörige

Wenn es den Patientinnen nicht gelingt, ihr seelisches Gleichgewicht aus eigener Kraft wiederherzustellen, kann es zu funktionellen Beschwerden (z. B. Schlafstörungen, Kopfschmerzen) oder psychiatrisch relevanten Störungsbildern (z. B. Depressionen, Angstsyndromen) kommen. Diese Störungen haben selbst wieder Krankheitswert und sind daher behandlungsbedürftig.

Untersuchungen in Deutschland haben gezeigt, dass jede zweite Mammakarzinom-Patientin psychologische Hilfestellung wünscht. Etwa ein Drittel der Betroffenen benötigen allerdings eine intensivere Betreuung in Form von individuell zugeschnittenen Einzelinterventionen. Dies können beispielsweise psychologische Entspannungs- und Imaginationsverfahren zur Reduktion von Nebenwirkungen, Compliance-Förderungsmaßnahmen oder begleitende Gesprächsangebote für Angehörige sein. Obwohl die Psychoonkologie in Deutschland inzwischen so weit etabliert ist, dass sie ihre Existenzberechtigung nicht mehr nachweisen muss, ist man noch weit davon entfernt, allen Tumorpatienten eine einheitliche gute Betreuung zu bieten.

Kastentext: Hand-Fuß-Syndrom

Das Hand-Fuß-Syndrom (HFS), auch palmar-plantare Erythrodysästhesie genannt, ist eine erythematöse Hautveränderung an den Handinnenflächen und an den Fußsohlen. Je nach Schweregrad kann diese Läsion sehr schmerzhaft werden, abhängig vom Ausmaß ist der betroffene Patient leicht bis sehr schwer in seinem täglichen Leben beeinträchtigt. Das HFS kann als Folge einer zytostatischen Chemotherapie oder im Rahmen einzelner Erkrankungen wie beispielsweise bei der Sichelzell-Anämie auftreten.

Quelle:

Prof. Dr. M. Kaufmann, Frankfurt, Prof. Dr. L. Kanz, Tübingen, Prof. Dr. G. Schaller, Herne, Dipl. Psych. M. Wickert, Tübingen, Dr. P. Reichardt, Berlin, Pressekonferenz "Xeloda bei metastasiertem Mammakarzinom. Höhere Ansprechraten und längeres Leben" im Rahmen des 25. Deutschen Krebskongresses, Berlin, 11. März 2002, veranstaltet von der Hoffmann-La Roche AG.

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