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Pharmaindustrie: Ergebnis bei Boehringer Ingelheim übertrifft Planungen

INGELHEIM (aal). Als am 9. April 2002 die Bilanzpressekonferenz des Konzerns Boehringer Ingelheim stattfand, lag goldener Sonnenschein über den Hügeln Ingelheims. Ebenso erfreulich sind die Resultate der Geschäftstätigkeit: so sprang der Umsatz um 8,2% auf 6,7 Mrd. Euro, das Betriebsergebnis um stolze 22,5% auf 980 Mio. Euro.

Das nach Umsatz weltgrößte noch in Familienbesitz befindliche Pharmaunternehmen nimmt inzwischen nach Bayer in Deutschland den zweiten Platz ein. In der Welt belegt es immerhin noch einen respektablen 14. Rang. Die Firmenleitung nimmt an, dass gerade die Struktur als private Gesellschaft, anders als die börsennotierten Firmen, ein Garant für die ungestörte Verfolgung der Strategien sei.

Unbeeinflusst von Börsenturbulenzen und ohne ängstlichen Blick auf die Anleger könnten Vorhaben geplant und durchgeführt werden. Ein zweiter Garant für den konstanten Erfolg, so der Sprecher der Unternehmensleitung Prof. Dr. h.c. Rolf Krebs, ist der steigende Anteil der Präparate mit Patentschutz. Somit hat Boehringer Ingelheim wieder starken Anschluss an die führenden forschenden Pharmaunternehmen gefunden, um den es sich für viele Jahre bemühte.

Amerika als Impulsgeber

Ein Blick in die Welt, wie Boehringer sie sieht, zeigt Amerika als den größten Hoffnungsträger. Hier entwickelte sich das Geschäft für das Unternehmen deutlich positiv. Insbesondere die USA glänzten mit einer 18%igen Umsatzsteigerung. Europa (+7,2) und die Region Triple A (Afrika, Asien, Australien) hinken im Vergleich dagegen hinterher. Das Schlusslicht bildet Japan, wo die Geschäftsentwicklung aufgrund des schwachen Yen sogar rückläufig war und Einbußen in der Größenordnung von 2,4% verzeichnet wurden.

Besonders unzufrieden äußerte sich Krebs über den deutschen Markt, wo Boehringer Ingelheim nur um 4,2% auf 625 Mio. Euro wuchs. Die politische Regulierung würge die Forschung und Entwicklung ab und sei zudem ein Investitionshindernis.

Krebs forderte die Freigabe der Preise für Medikamente und Generika. Amerika könne auch hier ein Vorbild sein, während die europäische Pharmaindustrie seit Jahren einen schleichenden Verlust an Konkurrenzkraft erleide. Auch durch die deutsche Steuerreform, die Kapital- vor Personengesellschaften bevorzuge, lasse Unternehmen wie Boehringer den Wind ins Gesicht wehen.

Top-Sparte Humanpharma

Der Bereich Humanpharma, auf den sich zunehmend die Ertragskraft des Unternehmens stützt, trug wiederum zu 95% zu den Erlösen der Ingelheimer bei. Die Umsätze stiegen in diesem Segment um 8,3% auf 6,4 Mrd. Euro. Das größte Geschäftsfeld waren wieder mit Abstand die verschreibungspflichtigen Arzneimittel. Es legte um 10,4% auf 5,3 Mrd. Euro gegenüber 4,8 Mrd. Euro im Vorjahr zu. Der Bereich der Selbstmedikation schwächelte etwas aufgrund der konjunkturellen Delle in den USA und Brasilien. Hier konnte lediglich ein Zuwachs von 0,6% auf 646 Mio. Euro erreicht werden.

Im abgelaufenen Geschäftsjahr war das Medikament Alna/Flomax gegen gutartige Prostata-Vergrößerung mit 613 Mio. Euro das umsatzstärkste des Unternehmens. Es verdrängte damit das COPD-Medikament Atrovent, das seit Jahren an der Spitze lag. Dennoch konnte die Kompetenz im Bereich Atemwegserkrankungen durch Combivent behauptet werden, dessen Umsatz im Berichtszeitraum um 29,4% auf 590 Mio. Euro wuchs. Eine deutlich positive Entwicklung nahm auch das Bluthochdruck-Medikament Micardis, das um 86,8% auf 226 Mio. Euro wuchs.

Weiter volle Pipeline

Da der Nachschub an neuen, effektiven Präparaten den Erfolg bestimmt, sind Forschung und Entwicklung nicht untätig gewesen. 2001 floss insgesamt gut eine Milliarde Euro in diesen Bereich. Eine große Zahl neuer Registrierungen ist das erfreuliche Ergebnis dieser hohen Investition. Spiriva wurde in den ersten außereuropäischen Ländern angemeldet, Mobic in Japan. Für Micardis in fester Kombination mit einem Diuretikum gibt es jetzt eine europäische Registrierung, ebenso für Sifrol, einem Parkinsonmittel.

Ab Sommer 2002 soll das neue COPD-Arzneimittel Spiriva® in einigen europäischen Ländern auf den Markt kommen. Das Präparat verbessert das so störende Symptom der Kurzatmigkeit und verringert die Zahl der akuten Exazerbationen. Ärzte und Patienten in den klinischen Studien waren davon sehr angetan, was auch auf dem freien Markt einen guten Erfolg verspricht. Zusätzlich werden weitere noch in der Phase IIb/III befindlichen Präparate sowie neue Indikationen und Darreichungsformen zum Umsatzwachstum beitragen.

Ausblick in das laufende Jahr

Ein weiteres Geheimnis des Boehringer-Erfolges dürfte die konsequente Straffung der Kosten sein. So erwirtschaftete jeder der weltweit 27.980 Mitarbeiter (davon 8.600 in Deutschland) im Jahre 2001 einen Erlös von 239.000 Euro – 40 % mehr als noch 1997. Dagegen stiegen die Personalkosten pro Mitarbeiter jedoch nur um 34% auf 68.500 Euro.

Auch schon im ersten Quartal 2002 sind die Erlöse um weitere 23 gestiegen. Krebs erwartet in dem jetzt begonnenen Geschäftsjahr für den Unternehmensverbund eine Umsatzsteigerung von 20 und eine Steigerung des Betriebsergebnisses um 13%. Hierbei spielt die erstmalige Konsolidierung des japanischen Selbstmedikationsunternehmens SSP Co. Ltd. eine Rolle, an dem Boehringer Ingelheim im vergangenen Spätherbst die Aktienmehrheit übernommen hatte. Des weiteren wird mit hohen Kosten für die Markteinführung von Spiriva gerechnet.

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