Fortbildung

Der Gastrointestinaltrakt

Am 10. März 2002 fand der 6. Fortbildungstag der Apothekerkammer Berlin zum Thema "Der Gastrointestinaltrakt" statt. Etwa 200 Teilnehmer versammelten sich im Audimax der Charité, Campus Virchow Klinikum in Berlin-Wedding. Norbert Bartetzko, Präsident der Apothekerkammer Berlin, wies in seiner Begrüßungsansprache auf die Bedeutung der regelmäßigen Fortbildung und speziell die Aktualität der Thematik dieses Fortbildungstages hin. Denn heute verlässt etwa jeder zehnte Kunde die Apotheke mit einem Mittel zu Behandlung gastrointestinaler Beschwerden.

Arzneiformen-Transport

Prof. Dr. rer. nat. Werner Weitschies, Pharmazeutischer Technologe am Institut für Pharmazie der Ernst-Moritz-Arndt-Universität, Greifswald, referierte über "Hochaufgelöste Bildgebung von Transportvorgängen im Gastrointestinaltrakt". Auf beeindruckende Weise führte er den Teilnehmern und Teilnehmerinnen vor, wie man heute den Weg einer peroral aufgenommenen Arzneiform durch den Körper verfolgen kann.

Bildgebende Verfahren machen Transportvorgänge sichtbar

In Zusammenarbeit mit der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt Berlin hat die Arbeitsgruppe um Weitschies das "Magnetic Marker Monitoring" entwickelt. Dieses nicht-invasive Messverfahren stellt die Lokalisation, die Passage und den Zerfall einer mit magnetischen Mikropartikeln markierten Arzneiform im menschlichen Körper mit sehr hoher räumlicher und zeitlicher Auflösung dar. Ein lohnendes Forschungsgebiet, denn trotz alternativer Applikationswege sind die peroral anzuwendenden Arzneiformen noch immer die mit Abstand gebräuchlichsten Darreichungsformen.

Passage durch die Speiseröhre

Für den Apotheker ist es wichtig, das Verhalten von festen peroralen Arzneiformen nach der Einnahme zu kennen, da dabei teilweise große Probleme auftreten können. Das beginnt schon in der Speiseröhre. Man weiß inzwischen, dass feste Arzneiformen in der Regel nicht durch die peristaltische Kontraktionswelle beim Schluckvorgang erfasst, sondern durch die Schwerkraft transportiert werden. Dies ist der Grund dafür, dass Arzneiformen bei nicht sachgerechter Einnahme in der Speiseröhre hängen bleiben können, was in vielen Fällen vom Patienten gar nicht bemerkt wird.

Eine nicht weitertransportierte Tablette oder Kapsel dehydriert die umliegende Schleimhaut, es werden Entzündungen ausgelöst, im schlimmsten Fall können sich Geschwüre bilden. Problematisch ist auch die Freisetzung von Wirkstoffen in der Speiseröhre. Besonders kritisch ist das bei Arzneistoffen wie Bisphosphonaten, Antibiotika (insbesondere Doxycyclin) und Analgetika (insbesondere Acetylsalicylsäure).

Auf ausreichende Flüssigkeitszufuhr achten

In der Regel dauert die Passage durch die 25 bis 30 cm lange Speiseröhre 2 bis 30 Sekunden. Sie wird beeinflusst durch die Körperhaltung, die Größe der Darrreichungsform, das Lebensalter und das Volumen der aufgenommenen Flüssigkeit. Was letzteres betrifft, so hat man herausgefunden, dass der Durchschnittspatient nur 5 ml zu seiner Tablette oder Kapsel trinkt.

Bezüglich der Körperhaltung bei der Einnahme fester peroraler Arzneiformen haben Untersuchungen in den USA gezeigt, dass eine Einnahme im Liegen besonders fatale Folgen hat. Ohne zusätzlich aufgenommene Flüssigkeit war die Passage der Arzneiform in 91% der Fälle nicht erfolgreich. Nahmen die Patienten in liegender Position 100 ml Flüssigkeit zusammen mit der Arzneiform auf, lag der Anteil der nicht erfolgreichen Passagen immerhin noch bei 18%. Daraus kann man die Empfehlung ableiten, dass feste Arzneiformen mit mindestens 60 ml Flüssigkeit und mit mindestens 45° angewinkeltem Oberkörper eingenommen werden sollten.

Magenpassage

Der Magen befindet sich prinzipiell entweder im nüchternen Zustand oder im Zustand nach Nahrungsaufnahme (postprandial). Diese beiden Zustände weisen große Unterschiede in ihrer Aktivität auf. Man kann davon ausgehen, dass nach nüchterner Einnahme eine Arzneiform innerhalb des motorischen Zyklus der Nüchternmotilität entleert wird. Dies kann nach wenigen Minuten erfolgen oder bis zu zwei Stunden dauern. Wie schnell und gut eine Arzneiform den Magen passiert, hängt auch von der Partikelgröße ab. Partikel mit einem Durchmesser von 1 bis 2 mm lassen sich problemlos entleeren, ab 5 mm Durchmesser wird es schwieriger. Partikel mit einem Durchmesser über 12 mm können den Magen nicht verlassen, da die Pylorusöffnung nicht groß genug dafür ist.

Nahrungsaufnahme

Im postprandialen Zustand werden nur Arzneiformen, die in Partikel mit einem Durchmesser unter 2 mm zerfallen sind, zusammen mit der zerkleinerten Nahrung aus dem Magen entfernt. Größere Partikel wie z. B. nicht zerfallene Retardtabletten oder magensaftresistent überzogene Tabletten werden aus einem mit Nahrungsbrei gefüllten Magen nicht entleert, sondern erst im nächsten Nüchternmodus weitertransportiert. Um extrem lange Verweilzeiten im Magen zu verhindern, sollte daher empfohlen werden, magensaftresistent überzogene Tabletten oder Kapseln unbedingt nüchtern mit ausreichendem Abstand – eine oder besser zwei Stunden – vor einer Mahlzeit einzunehmen.

Erwünscht ist eine lange Verweildauer im Magen bei den gastroretentiven Arzneiformen (z. B. Levodopa in Madopar Depot). Durch die Verwendung stark quellender Hilfsstoffe verweilen diese Arzneiformen lange im Magen und geben den Wirkstoff kontinuierlich ab. Dies ist besonders sinnvoll bei Arzneistoffen mit einem Resorptionsfenster im oberen Dünndarm. Wichtig ist hier der Einnahmehinweis "Nach einem (möglichst fetthaltigen) Essen einzunehmen".

Nicht zuletzt wird die Geschwindigkeit der Magenentleerung auch durch die Zusammensetzung der Nahrung und durch Pharmaka beeinflusst. Fette verlangsamen die Magenentleerung am stärksten, Kohlenhydrate mittelstark und Proteine nur gering. Scopolamin, Morphin und Acetylsalicylsäure vermindern ebenfalls die Magenentleerung, während Metoclopramid und Erythromycin sie beschleunigen.

Schutz vor Darmverschluss

Aus aktuellem Anlass kam Weitschies auch auf den neuen "Schlankmacher" MatriCur zu sprechen. Bei diesen Sättigungskomprimaten besteht die Gefahr, dass sie, bevor sie im Magen vollständig aufquellen können, in den Dünndarm entleert werden. Berichte über Darmverschlüsse durch im Dünndarm weitergequollenes MatriCur sind daher nicht verwunderlich. Weitschies riet den Zuhörern, dass sie ihren Kunden bei MatriCur® neben einer ausreichenden Flüssigkeitszufuhr zusätzlich die Einnahme einer kleinen Mahlzeit empfehlen sollten, um die Verweildauer im Magen zu erhöhen und der Gefahr eines Darmverschlusses zu begegnen.

Dünn- und Dickdarmpassage

Bezüglich der Dauer der Dünn- und Dickdarmpassage von Arzneiformen gibt es zum Teil sehr widersprüchliche Erkenntnisse. Nach heutigem Erkenntnisstand rechnet man mit einer Dünndarmpassagezeit fester Arzneiformen von 180 ± 60 min. Die Nahrungsaufnahme und die Größe der Arzneiform haben nur einen geringen Einfluss auf die Passagezeit. Manche Wirkstoffe (z. B. Levodopa, Allopurinol, Furosemid, Amoxicillin und Ciprofloxacin) werden nur in bestimmten Abschnitten des oberen Dünndarms, so genannten "Resorptionsfenstern", effektiv resorbiert. Die Bioverfügbarkeit dieser Arzneistoffe lässt sich in der Regel erhöhen, wenn sie vor oder nach einer Mahlzeit eingenommen werden, da dann die Magenentleerung verzögert ist.

Die Passagedauer von Arzneiformen durch den Dickdarm ist außerordentlich variabel und reicht von wenigen Stunden bis zu ein bis zwei Tagen. Im Dickdarm wird der eingedickte Nahrungsbrei vor allem durch so genannte "mass movements" bewegt, die zwei- bis dreimal täglich den Darminhalt jeweils über weite Strecken transportieren.

Kolonkarzinom

Prof. Dr. med. Bertram Wiedenmann, Direktor der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Hepatologie und Gastroenterologie der Charité, Berlin, referierte zur "Aktuellen Diagnostik und Therapie gastrointestinaler Erkrankungen". Dabei setzte er den Schwerpunkt auf den Dickdarmkrebs, an dem in Deutschland jährlich etwa 50 000 Menschen erkranken und ca. 30 000 sterben. Dickdarmkrebs ist damit die dritthäufigste Krebserkrankung. Heimtückisch ist dabei, dass sie lange Zeit unbemerkt verläuft.

Rechtzeitig Prävention durch konsequentes Screening

Das Risiko für ein Kolonkarzinom steigt zwischen dem vierzigsten und fünfzigsten Lebensjahr stark an, sodass ein konsequentes Screening ab dem 50. bis 55. Lebensjahr erfolgen sollte. Dafür gibt es prinzipiell drei Möglichkeiten. Den Haemoccult-Test, der verborgenes Blut im Stuhl nachweist, die Sigmoidoskopie, bei der nur die letzen 30 cm des Kolons, nämlich das Colon sigmoideum, betrachtet werden können, und schließlich die Koloskopie zur Untersuchung des gesamten, etwas mehr als einen Meter langen Dickdarmes. Die Koloskopie besitzt eine hohe Spezifität und Sensitivität, da selbst Mikroläsionen der Darmschleimhaut erkennbar sind. Sie wird heute jedoch meist erst bei begründetem Verdacht durchgeführt.

Eine Studie zur Treffsicherheit von Haemoccult-Test, Sigmoidoskopie und Koloskopie mit 2885 Patienten ergab, dass nur die Koloskopie verlässliche Aussagen liefert. Wiedenmann bezeichnete deshalb als "Goldstandard" die regelmäßige Koloskopie ab dem 55. Lebensjahr, wobei unter regelmäßig ein Abstand von fünf Jahren zu verstehen ist.

Werden bei einer Untersuchung Polypen entdeckt, sollte der Abstand auf drei Jahre reduziert werden. Der weitere Vorteil der Koloskopie ist, dass sie mit der Polypektomie, das heißt dem Entfernen von Polypen, kombiniert werden kann. Dies gilt jedoch nur für gestielte Polypen, bei breitbasigen Polypen stößt diese Resektionsmethode an ihre Grenzen. Als moderne Alternativen zur Koloskopie nannte Wiedenmann die Computertomographie des gesamten Abdomens oder ein Imaging-Verfahren, bei der der Patient eine Endokapsel mit einem Sender schluckt.

Erblicher Darmkrebs

Im Falle erblicher Kolonkarzinomsyndrome wie der familiären adenomatösen Polyposis (FAP) oder dem Nicht-Polyposis-assoziiertem kolorektalen Karzinomsyndrom (HNPCC) wählt man in der Prävention eine andere Herangehensweise. Zunächst wird eine Familienanamnese durchgeführt. Liegt ein familiäres Risiko vor, können die Träger der mutierten Gene (bei FAP ist beispielsweise das APC-Gen mutiert) mithilfe von Gentests festgestellt werden. Nur diese müssen sich dann engmaschigeren Vorsorgeuntersuchungen unterziehen. Dazu gehört, dass der Darm ab dem 20. bzw. 30. Lebensjahr alle ein bis zwei Jahre endoskopisch untersucht wird. Ab dem 40. Lebensjahr wird eine jährliche Koloskopie empfohlen. Wenn im Falle der familiären adenomatösen Polyposis bei einer Untersuchung Polypen entdeckt werden, wird der Dickdarm meist operativ entfernt, da das Krebsrisiko bei diesen Patienten bei 100% liegt.

Chemoprävention

Unter Chemoprävention versteht man die Hemmung oder Umkehrung der Karzinogenese durch den Einsatz chemischer Substanzen. Eine Wirkung ist auf jeder Stufe der Karzinogenese möglich – bei der Umwandlung von intaktem in proliferierendes Epithel, bei der Herausbildung eines Adenoms und schließlich in der Phase der malignen Entartung zum Karzinom. Als Substanzen, die in der Chemoprävention von Kolonkarzinomen Verwendung finden könnten, nannte Wiedenmann die COX-2-Inhibitoren Rofecoxib und Celecoxib, nichtsteroidale Antirheumatika (NSAID), Folsäure und Calcium.

Chronisch entzündliche Darmerkrankungen

Priv.-Doz. Dr. med. Thomas Weinke, Chefarzt der Abteilung Gastroenterologie und Infektiologie des Klinikum Ernst von Bergmann, Potsdam, behandelte in seinem Vortrag die Diagnostik und Therapie der beiden chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (CED) Morbus Crohn und Colitis ulcerosa.

Multifaktorielles Geschehen als Krankheitsursache

Die Ursachen der CED sind noch weitgehend unbekannt. Man spricht daher von einem multifaktoriellen Geschehen, an dem infektiöse, genetische, diätetische, psychische und immunologische Faktoren beteiligt sind. Die immunologische Forschung der letzten Jahre hat herausgefunden, dass bei den chronisch entzündlichen Darmerkrankungen eine Fehlregulation des Immunsystems auf zellulärer Basis vorliegt, bei dem das Gleichgewicht pro- und antiinflammatorischer Zytokine verschoben ist.

Bis zum Auftreten erster Symptome von Morbus Crohn und Colitis ulcerosa vergehen oft Jahre, liegen dann die ersten Symptome vor, ist es oft noch nicht möglich, sie eindeutig zuzuordnen. Man spricht dann zunächst von einer Colitis indeterminata. Wichtig ist, vor der Diagnose andere entzündliche Störungen im Gastrointestinaltrakt und vor allem Darminfektionen, die ebenfalls zu Durchfall führen, auszuschließen. Bei einigen Patienten muss im Verlaufe der Erkrankung die Diagnose geändert werden.

Die Leitsymptome von Morbus Crohn und Colitis ulcerosa sind ähnlich, aber in unterschiedlichem Maße ausgeprägt (siehe Kasten). Beim Morbus Crohn stehen die abdominellen Schmerzen, der Gewichtsverlust und ein allgemeines Krankheitsgefühl im Vordergrund, bei Colitis ulcerosa überwiegen die Blutungen und Schmerzen beim Stuhlabgang.

Komplizierte Diagnostik

Da die Differenzierung zwischen den beiden Erkrankungen so schwierig ist, wird die endgültige Diagnose durch Sammlung einzelner diagnostischer Mosaiksteine gestellt. Die klassische Stufendiagnostik der chronisch entzündlichen Darmerkrankungen umfasst zahlreiche Verfahren. Neben einer ausführlichen Anamnese und der Beurteilung des körperlichen Status sind laborchemische und mikrobiologische Untersuchungen notwendig. Mithilfe endoskopischer Untersuchungen können zwar die entzündliche Aktivität und das Ausbreitungsmuster der chronisch entzündlichen Darmerkrankungen gut verfolgt werden, im akuten Schub sind diese Untersuchungen, speziell die Koloskopie, jedoch nicht durchführbar.

Unterschiedliches klinisches Bild

Bezüglich der Ausbreitung der Entzündung sind Morbus Crohn und Colitis ulcerosa in ihrem klinischen Bild wie folgt zu unterscheiden. Während sich bei der Colitis ulcerosa die Entzündung auf die Mucosa und Submucosa beschränkt, betrifft sie bei Morbus Crohn die gesamte Darmwand, häufig kommt es außerdem zur Bildung von Fisteln und Abszessen. Der Befall ist segmental, das heißt es wechseln sich gesunde und erkrankte Darmabschnitte ab, während bei der Colitis ulcerosa ein kontinuierlicher Befall vorliegt.

Die Erkrankung breitet sich bei Morbus Crohn von proximal nach distal aus, bei der Colitis ulcerosa genau entgegengesetzt. Das führt dazu, dass bei Morbus-Crohn-Patienten häufig der Dünndarm und darüber hinaus auch andere Teile des Gastrointestinaltrakts betroffen sein können. Da sich die Colitis ulcerosa nur auf das Kolon beschränkt, kann diese Erkrankung durch Entfernung des Dickdarms (Kolektomie) geheilt werden.

Therapie

Da die Ätiologie der beiden chronisch entzündlichen Darmerkrankungen bisher unbekannt ist, gibt es außer der Kolektomie bei der Colitis ulcerosa keine kausalen Therapiemöglichkeiten. Die evidenzbasierten Therapien haben zum Ziel, die Entzündungen der Darmschleimhaut zu hemmen.

Es kommen 5-Aminosalicylate (Mesalazin, Olsalazin, Sulfasalazin), Steroide (Prednisolon, Budesonid), Immunsuppressiva (Ciclosporin, Methotrexat, Azathioprin) und Metronidazol zum Einsatz. Mit Infliximab ist erstmalig ein monoklonaler Antikörper für Morbus Crohn mit schwerem Verlauf oder therapierefraktären Fisteln zugelassen worden. Bei mittelschweren und schweren Verläufen des Morbus Crohn ist die Standardtherapie im akuten Schub eine Steroidtherapie, gegebenenfalls kombiniert mit 5-Aminosalicylaten. Bei schwersten Verläufen sollte frühzeitig mit Azathioprin behandelt werden.

Auch bei Colitis ulcerosa sind im akuten Schub Steroide und 5-Aminosalicylate der Standard, hier werden die 5-Aminosalicylate außerdem zum Remissionserhalt eingesetzt. Bei schwersten Verläufen kann zusätzlich eine Therapie mit Ciclosporin i.v. versucht werden.

Eine Steroidtherapie ist für die Patienten mit starken Nebenwirkungen verbunden. Weinke stellte daher ein "Reduktionsschema" vor, bei dem Prednisolon in wöchentlich absteigender Dosis maximal über drei bis vier Monate verabreicht wird. Damit lässt sich in der Regel bei ca. 80% der Patienten eine komplette oder partielle Remission erreichen. Als Alternative zu den systemischen Steroiden steht das lokal wirksame Steroid Budesonid zur Verfügung. In kontrollierten Studien war Budesonid in oraler Dosierung von 9 mg Cortison in einer Dosierung von 40 mg nicht signifikant unterlegen.

Psychosomatische Einflussfaktoren gastrointestinaler Erkrankungen

Prof. Dr. med. Burghard Klapp von der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Psychosomatik und Psychotherapie der Charité, Campus Mitte, Berlin, referierte zu den "Psychosomatischen Einflussfaktoren im Verlauf gastrointestinaler Erkrankungen".

Eustress und Distress

Obwohl Stress von vielen Menschen als etwas Negatives, das man am liebsten nicht haben möchte, betrachtet wird, gibt es nach Ansicht des Referenten dazu keinen Grund. Stress ist zwar eine Herausforderung, die im Moment unsere Bewältigungsmöglichkeiten übersteigt. Wenn es uns aber gelingt, die Probleme in den Griff zu bekommen, dann war es Eustress und wir gehen gestärkt aus dieser Bewältigung hervor. Anders beim Distress, der unkontrollierbaren Form. Dieser kann zu anhaltender Angst, Wut, Insuffizienz- und Schuldgefühlen führen und schließlich funktionelle Störungen oder Syndrome hervorrufen oder bei chronischer Aktivierung in eine Depression münden.

Nach der klassischen Definition versteht man unter funktionellen Störungen Krankheitsbilder mit Körperbeschwerden, für die sich keine organische Läsion als Ursache feststellen lässt. Sie kommen häufig vor, sind in ihren Erscheinungsformen sehr vielfältig und können in allen wichtigen Organsystemen auftreten.

Funktionelle Störungen im Gastrointestinaltrakt

Im Gastrointestinaltrakt äußern sich funktionelle Störungen beispielsweise als funktionelle Dyspepsie, Gallenblasendysfunktion, funktionelle Inkontinenz oder funktionelle abdominale Blähungen. Das große Problem besteht darin zu erkennen, wann eine vorübergehende Empfindlichkeitsstörung endet und wann die Krankheit beginnt.

Nach Klapps Ansicht trägt hier der Apotheker eine große Verantwortung, denn er ist oft einer der ersten Ansprechpartner für die Betroffenen. Wenn ein Kunde beispielsweise wegen dyspeptischer Beschwerden, Obstipation oder Diarrhöe öfter Medikamente in der Selbstmedikation erwirbt, könnte es sein, dass seine Beschwerden keine organische Ursache haben.

Es wäre also sinnvoller, ihn einer speziellen körperzentrierten Therapie wie Bewegungstherapie, Musiktherapie oder Entspannungsübungen zuzuführen. Als sehr wirkungsvoll erachtet Klapp auch phytotherapeutische Behandlungsansätze wie die Gabe von Baldrian- (keine Tinktur wegen des Alkoholgehalts, sondern Dragees in hoher Dosis) und Hopfenpräparaten, zum Beispiel beim so genannten "Reizdarm-Syndrom".

Zurückhaltung geübt werden sollte bei Analgetika und in der ärztlichen Verordnung auch mit Benzodiazepinen und Neuroleptika. Auch Verordnung von Metoclopramid bei funktionellen Magen-Darm-Störungen hält Klapp für fragwürdig, da der Wirkstoff die Blut-Hirn-Schranke passiert und wie die Neuroleptika extrapyramidal-motorische Nebenwirkungen (z. B. Tics) sowie depressive Verstimmungen hervorrufen kann.

Chronisch entzündliche Darmerkrankungen und Psyche

Auch im Verlauf chronisch entzündlicher Darmerkrankungen spielen psychosomatische Einflussfaktoren eine Rolle. Klapp stellte einige psychische Befunde vor, die charakteristisch für CED-Patienten sind. So sind Morbus-Crohn-Patienten beispielsweise in ihrer psychischen Struktur eher selbstsicher, "pseudo-unabhängig" und nachgiebig, während Patienten mit Colitis ulcerosa eher ein labiles Selbstwertgefühl besitzen, ein Abhängigkeitsverhalten zeigen oder depressiv-zwanghaft sind.

Der psychische Umgang des Patienten mit seiner Krankheit und vor allem die Art und Weise, wie er sie zu bewältigen versucht, hat einen ganz erheblichen Einfluss auf die Compliance. Die Betrachtung der Krankheit als "biomedizinisch zu bewältigendes Naturereignis", verbunden mit der Leugnung jeglicher psychischer Einflussfaktoren ist dabei ebenso problematisch wie der "Gegenpol", das heißt eine übermäßige "Psychologisierung" der Krankheit, verbunden mit der Leugnung der biologischen Gegebenheiten. Klapp verwies darauf, dass das psychische Befinden des Patienten neben der physischen Verfassung, der Alltagsfunktionsfähigkeit und der sozialen Einbindung ein Bestandteil der Lebensqualität ist. Das Ziel besteht schließlich darin, eine gute gesundheitsbezogene Lebensqualität, die so genannte health related quality of life (HRQOL) zu erreichen.

Kastentext: Einnahmehinweise für perorale feste Arzneiformen

  • Perorale feste Arzneiformen sollten nicht im Liegen, sondern mit mindestens 45° angewinkeltem Oberkörper und mindestens 60 ml Flüssigkeit eingenommen werden.
  • Magensaftresistent überzogene Tabletten oder Kapseln sind nüchtern, d. h. mit möglichst 2 Stunden Abstand vor einer Mahlzeit, einzunehmen.
  • Arzneiformen mit Wirkstoffen, die ein Resorptionsfenster im oberen Dünndarm besitzen, nach dem Essen einnehmen, um die Bioverfügbarkeit zu erhöhen.

Kastentext: Leitsymptome chronisch entzündlicher Darmerkrankungen

  • Diarrhöe (länger als vier Wochen, mehr als zwei ungeformte Stühle pro Tag)
  • Abdominalschmerz
  • Blut im Stuhl
  • Gewichtsverlust
  • Fieber
  • perianale Läsionen/Abszesse
  • Arthritis

Kastentext: Die klassische Stufendiagnostik der CED

  • Anamnese
  • körperlicher Status
  • laborchemische Parameter
  • mikrobiologische Untersuchungen
  • Endoskopie (Sigmoidoskopie, Koloskopie)
  • Ultraschall
  • Radiologie

Gastrointestinale Beschwerden waren der Schwerpunkt des 6. Fortbildungstages der Apothekerkammer Berlin. Dabei standen die aktuelle Diagnostik und Therapie gastrointestinaler Erkrankungen wie Dickdarmkrebs sowie die chronisch entzündlichen Darmerkrankungen im Mittelpunkt. Deutlich wurde auch, wie wichtig es ist, das Verhalten von festen peroralen Arzneiformen im Organismus zu kennen, da schon mit Hinweisen zur richtigen Einnahme Probleme vermieden werden können. Hervorgehoben wurde auch die Bedeutung von psychosomatischen Einflussfaktoren auf den Verlauf gastrointestinaler Erkrankungen.

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