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Bundesärztekammer: Ärzte-Chef warnt vor "englischen Verhältnissen"

BERLIN (ks). Die Vorschläge zur Reform des Gesundheitswesens aus SPD-nahen Wissenschaftskreisen haben den Präsidenten der Bundesärztekammer Jörg-Dietrich Hoppe zu scharfer Kritik veranlasst. In einem "Brandbrief" an Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt warnte er davor, Ärzte als "technokratische Erfüllungsgehilfen einer dogmatisierten Leitlinienmedizin" zu degradieren.

Hoppe zufolge ist Deutschland auf dem Weg in einen "Versorgungsnotstand", wie er aus dem staatlichen Gesundheitssystem Englands bekannt ist. Die demografische Entwicklung und der medizinische Fortschritt stünden im krassen Gegensatz zu den "erodierenden Finanzgrundlagen" der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und der sinkenden Motivation der im Gesundheitswesen Beschäftigten. Die Gesundheitspolitik beschränke sich auf Kostendämpfung und drohe "zum Selbstzweck zu verkommen". Den Patienten verliere sie dabei aus den Augen.

Aus Sicht des Ärzte-Präsidenten bestehen für eine bedarfsgerechte Versorgung unverzichtbare Grundlagen. Hierzu zählt er die Ansprüche des Patienten auf eine freie Arztwahl, Transparenz, Solidarität und eine individuelle Behandlung. Insbesondere Letzteres setze die Therapiefreiheit des Arztes sowie die Bereitstellung der notwendigen Mittel voraus – eine "Checklistenmedizin" führe hingegen in die Unterversorgung.

Der Patient habe zudem Anspruch auf ein bürgernahes Gesundheitswesen, so Hoppe. Dies werde gegenwärtig durch die Selbstverwaltung gewährleistet. Sollte die Selbstverwaltung jedoch abgeschafft werden oder den Krankenkassen die alleinige Steuerungsmacht über das Gesundheitswesen verliehen werden, so seien "Anonymisierung, Deprofessionalisierung und weitere Mangelverwaltung nicht mehr aufzuhalten". Der Ärzte-Chef warnt: "Dann drohen englische Verhältnisse."

Auch um die notwendige Fürsorge und Zuwendung müssten Patienten bangen: Wettbewerbsdruck und unmenschliche Arbeitsbedingungen ließen die Motivation der Ärzte und des Pflegepersonals sinken. Zudem werde potenzieller Nachwuchs abgeschreckt, sodass ein Personalkollaps in der medizinischen Versorgung zu befürchten sei. Es müssten daher Rahmenbedingungen geschaffen werden, die die Gesundheitsberufe an Attraktivität gewinnen lassen.

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