Feuilleton

Zum 300. Todestag von Steven Blankaart

Der Amsterdamer Arzt Steven Blankaart wurde zu Lebzeiten und noch lange danach als großer Praktiker und Publizist gefeiert. Seine Berufslaufbahn hatte er in einer Apotheke begonnen.

In Middelburg, der Hauptstadt der Provinz Seeland im Südwesten der Niederlande, wurde am 24. Oktober 1650 Steven Blankaart (Blankaert, Blancardus) geboren. Seine Eltern waren der Historiker Nicolaas Blankaart (1624 – 1703) und dessen Gattin Maria Everdijck.

In seiner Vaterstadt besuchte Blankaart die Lateinschule. Danach erlernte er von 1668 bis 1671 in Amsterdam die Pharmazie. Im Anschluss an seine Lehrzeit begann er 1671 mit dem Studium der Medizin und Philosophie an der Universität der Provinz Friesland in Franeker (gegr. 1585), wo sein Vater seit 1669 als Geschichtsprofessor tätig war. Dort wurde Blankaart am 18. Dezember 1674 zum Dr. phil. und Dr. med. promoviert. Sein medizinischer Promotor war Philippus Matthaeus (1621 – 1700); der Titel seiner Dissertation ist leider nicht bekannt.

Nach dem Studium ließ sich Blankaart in Amsterdam als praktischer Arzt nieder. Er kam bald zu großem Ansehen und hatte eine gut gehende Praxis. Am 3. März 1682 heiratete er Isabella de Carpentier (1644 bis 1730). Aus dieser Ehe gingen zwei Söhne hervor, von denen der eine bereits im Alter von vier Jahren an den Pocken starb. Die Todesursache seines Kindes inspirierte Blankaart, ein Buch ("Van de Pokken") über diese Krankheit zu schreiben. Sein Sohn Willem wurde später Ratsherr in der Kammer der Justiz.

"Cartesianische Akademie"

Als Mediziner war Blankaart ein Anhänger der Iatrophysik (auch: Iatromechanik), die von Rene Descartes (1596 – 1650) und Giovanni Borelli (1608 – 1679) begründet worden war. Die Iatrophysik meinte, die biologisch-physiologischen Vorgänge im menschlichen Organismus und ihre pathologischen Veränderungen mit den Gesetzen der Physik erklären zu können. Sie war im 17./18. Jahrhundert in Nordwesteuropa weit verbreitet. Daran hatte auch Blankaart seinen Anteil, indem er das System hinsichtlich Physiologie, Pathologie und Therapie vereinfachte und folgendes Werk publizierte: "Cartesiaansche Academie or Instituzien der medicynen behelzende de leere der ongezondheit en her herstellung", Amsterdam 1685 ("Cartesianische Akademie oder Grund-Lehre der Arzneykunde", Leipzig 1690). Er griff aber auch Gedanken der Iatrochemie auf, indem er behauptete, dass auch die Azidität bzw. Alkalinität der Körpersäfte den Gesundheitszustand bestimmen.

Große Verdienste erwarb sich Blankaart als Autor bedeutender Abhandlungen auf dem Gebiet der Medizin, Chemie, Chirurgie und Pharmazie, mit denen er viel für die Verbreitung des medizinischen Wissens in den Niederlanden und Europa beigetragen hat. Eine ganze Reihe seiner Werke wurden in die wichtigsten europäischen Sprachen übersetzt und erschienen in vielen Auflagen bis in das 19. Jahrhundert hinein.

Kompendium der Pathologie

In seiner "Anatomia practica rationalis" (Amsterdam 1688), einem Kompendium der Pathologie, schilderte er 200 von ihm und anderen holländischen Medizinern durchgeführte Autopsien mit den dazu gehörenden Krankengeschichten; der Anatom Philippe Verheyen (1648 – 1710) und andere beschuldigten ihn deshalb eines Plagiates. 1684 erschien in Amsterdam sein Buch über das Podagra (Fußgicht); als Heilmittel beschrieb er u. a. auch die Akupunktur, über die zuvor (1683) der holländische Arzt Willem ten Rhijne (1647 – 1700) geschrieben hatte, nachdem er sie in Batavia (heute: Jakarta) kennengelernt hatte.

Medizinisches Handwörterbuch

Das erfolgreichste Werk Blankaarts war sein "Lexicon Medicum graeco-latinum in quo totius artis Medicae termini, in Anatome, Chirurgia, Pharmacia, Chymia, Re Botanica etc. usitati, dilucide et breviter exponuntur, justa Theoreticorum tum Practicorum tum Mechanicorum placita, et vere demonstrata principia", Amsterdam 1679. Dieses Lexikon, das in die deutsche, englische und französische Sprache übersetzt wurde, erlebte über 20 Auflagen (Jena 1683, Frankfurt/M. 1705, London 1708 u. a.). Die fünfte Auflage hatte Blankaart 1702 seinem Vater gewidmet. Die letzte Auflage erschien 1840 in Grimma unter dem Titel "Kunstsprache der Medizin und Chirurgie. Ein arzneiwissenschaftliches Handwörterbuch für angehende Mediziner und Chirurgen, nach der Kühn'schen Ausgabe bearbeitet und ins Deutsche übertragen von E. C. F. Oertel".

In vier Bänden gab Blankaart von 1680 bis 1688 das erste medizinische Journal in den Niederlanden unter dem Titel "Collectanea medico-physica" heraus. Dabei handelte es sich um eine umfassende Sammlung teils ärztlicher, teils chemischer und alchemistischer Schriften bzw. Erfahrungen. Medizinische Publikationen befassten sich u. a. mit Kinderkrankheiten, Einbalsamierungen von Leichen ("Neue und besondere Manier alle verstorbene Cörper, mit wenig Unkosten, dergestalt zu balsamiren, daß solche in etlichen hundert Jahren nicht verwesen, noch Farbe und Gestalt verlieren können"; deutsche Übersetzung 1697), Anastomose, Skorbut (1684) und Diätetik.

Blankaart schrieb auch ein Buch über die praktische Chemie (1678; deutsche Ausgabe 1718: "Die neue Heutiges Tages gebräuchliche Scheide-Kunst oder Chimia nach den Gründen des fürtrefflichen Cartesii und des Alcali und Acidi eingerichtet").

Tee und andere Heilkräuter

In seiner Publikation "over het gebruik en misbruik van de thee" (Den Haag 1686) schrieb er, dass der Aufguss von Teeblättern das beste Mittel zur Erhaltung der Gesundheit sei, da er gegen die "Verdickung der Säfte im Körper", die eine Ursache vieler Krankheiten sei, helfe. Aufgrund dieser Ansicht kam der Tee in Holland in Mode. Vor Blankaart hatte bereits sein Kollege Cornelius Bontekoe (ca. 1640 – 1685) in seiner Publication "Tractat van het excellente cruyt Thee", 1678, für den Tee geworben: Man solle täglich ein- bis zweihundert Tassen trinken, um gesund zu bleiben.

1698 erschien Blankaarts Buch über Heilkräuter ("Den Nederlandschen Herbarius ofte Kruid-boek der voornamste kruiden to de Medicyne", Amsterdam), das mit prächtigen Pflanzenkupferstichen illustriert ist. Auch auf zoologischem Gebiet hat er gearbeitet und veröffentlichte 1688 in Amsterdam sein mit 16 Kupferstichtafeln versehenes Buch "Schou-Burg der Rupsen, Wormen, Maden, en vliegende Dierkens daaruit vorkommende" (deutsche Übersetzung von Joh. Ch. Rodochs: "Schauplatz der Raupen, Würmer, Maden und fliegenden Tiere, welche daraus erzeugt werden", Leipzig 1690). Auf dem Gebiet der Pharmazie veröffentlichte er u. a. "Pharmacie en Chymy", 1686; "Nieuw Licht der Apothekeren", Amsterdam 1683 (dtsch. Leipzig 1708); "Apothekergewölbe", Leipzig 1690.

Seine sämtlichen Schriften, von denen hier nur einige erwähnt werden konnten, erschienen 1701 in Leiden. Neben der Medizin und den verschiedenen Naturwissenschaften beschäftigte sich Blankaart auch mit der Dichtkunst. Von dieser sind uns verschiedene Proben in dem "Stammbuch" der Künstlerin Johanna Koerten (1650 – 1715) überliefert, die allerdings den Eindruck erwecken, dass seine poetischen Fähigkeiten nicht sehr groß gewesen sind. Steven Blankaart verstarb in seinem 52. Lebensjahr am 23. Februar 1702 in Amsterdam. (Nach anderer Version starb er 1704.)

Literatur Chr. W. Kestner: Medizinisches Gelehrtenlexikon. Jena 1740, S. 115 f. Chr. G. Jöcher: Allgemeines Gelehrten-Lexikon. Bd. 1, Leipzig 1750, Sp. 1119. K. F. Leidenfrost: Historisch-biograph. Handwörterbuch, Bd. 1, Ilmenau 1824, S. 462. Hoggendorff I, Sp. 209. J. Ferguson: Bibliotheca chemica. Bd. 1, Glasgow 1906, S. 1090 f. Biographisches Lexikon der hervorragenden Ärzte aller Zeiten und Völker. Hrsg. von F. Hübotter. Bd. 1, Berlin/Wien 1929, 2. Aufl., S. 565. v. d. Aa: Biograph. Woordenboek der Nederlanden, Bd. 1, Haarlem 1852, S. 180. G. A. Lindeboom: Dutch medical biography, Amsterdam 1984, Sp. 151 – 154. Georg Schwedt: Chemie zwischen Magie und Wissenschaft. Weinheim 1991, S. 82. Eckart/Grademann: Ärzte Lexikon. München 1995, S. 63 f.

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