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Gesundheitsökonomie in der Dermatologie: Konzepte und Probleme

Die Gesundheitsökonomie ist eine Herausforderung für alle Bereiche des Gesundheitswesens. Was dies speziell für die Dermatologie bedeutet, stellte die Universitätshautklinik Freiburg nun schon zum dritten Mal Ų mit jeweils zweijährigem Abstand Ų in einem Symposium "Gesundheitsökonomie in der Dermatologie" dar. Diesmal fand die interdisziplinäre Veranstaltung in Verbindung mit der Jahrestagung der Gesellschaft für Dermopharmazie (GD) am 22. März in Hamburg statt.

Mit dem Symposium sollte zudem die Arbeit von Prof. Dr. Erwin Schöpf, Freiburg, gewürdigt werden, dessen Emeritierung bevorsteht. Der ehemalige Präsident der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft, dessen wissenschaftliche Karriere in Hamburg begann, hatte den Anstoß für gesundheitsökonomische Arbeiten insbesondere in der Freiburger Dermatologie gegeben.

Ökonomie: Wissenschaft von der Knappheit

Die Knappheit ist der zentrale Gegenstand der Ökonomie, ohne Knappheit wäre die Ökonomie als Wissenschaft überflüssig. Angesichts der wachsenden Knappheit finanzieller Mittel ist es nach Darstellung des Gesundheitsökonomen Prof. Dr. Oliver Schöffski, Nürnberg, folgerichtig, dass die Ökonomen im Gesundheitswesen zunehmend Gehör finden. Doch hätten auch sie keine operationalisierbare Antwort auf die Frage, wieviel Geld in das Gesundheitswesen fließen soll, da der Grenznutzen einer Geldeinheit weder im Gesundheitswesen noch in alternativen Verwendungen messbar sei. Die Zielsetzung der Beitragssatzstabilität in der GKV sei allerdings rein politisch motiviert und nicht ökonomisch begründet. Andererseits würde auch jeder noch so große Mittelzufluss nicht das grundsätzliche Knappheitsproblem überwinden können.

Durch die immer wieder neuen Gesetze zur Kostendämpfung werde die Bedeutung der Gesundheitsökonomie steigen. Ein Beispiel bilde das AABG, das eine Kosten-Nutzen-Bewertung für Analog-Arzneimittel vorsehe. So werde eine vierte Hürde für die Erstattungsfähigkeit geschaffen, die in anderen Ländern schon üblich sei. Durch solche Bewertungen würden pharmakoökonomische Studien an Bedeutung gewinnen. Bei diesen Analysen gilt es stets, die zusätzlichen therapeutischen Vorteile einer neuen Therapie mit ihren zusätzlichen Kosten zu vergleichen. Zu dieser Bewertung gehören immer Kosten und Nutzen gemeinsam.

Irrwege der Positivliste

Priv.-Doz. Dr. Matthias Augustin, Freiburg, kritisierte die derzeitige Vorgehensweise bei der Implementierung der DRGs in Krankenhäusern und der Positivliste. In der Vorschlagsliste zur Positivliste seien etwa die Hälfte der dermatologischen Präparate ausgeschlossen, darunter ökonomisch sinnvolle und dermatologisch notwendige Wirkstoffe und Kombinationen. Ausgeschlossen sei beispielsweise Urea in Konzentrationen unter 10%, doch die Anwendung höherer Konzentrationen sei bei Kindern oder vorgeschädigter Haut als Körperverletzung anzusehen. Dermatologische Fachgesellschaften hätten dem Entwurf daher entschieden widersprochen.

Problematisch sei auch die Vorgabe, die Positivliste auf die Evidence Based Medicine (EBM) zu stützen. Denn dies ist definitionsgemäß die Anwendung des externen und internen Wissens auf die Belange des individuellen Patienten. Es sei nicht zu nachvollziehen, wie aus einem solchen patientenbezogenen Konzept eine allgemeinverbindliche Liste entstehen soll. Außerdem ist bisher nur für sehr wenige weit verbreitete Krankheiten die verfügbare Evidenz im Sinne der EBM aufbereitet.

Augustin erläuterte, wie wichtig die Erfassung der Lebensqualität für umfassende Kosten-Nutzen-Betrachtungen besonders bei dermatologischen Indikationen ist. Daher hat die Deutsche Dermatologische Gesellschaft Leitlinien zur Erfassung der Lebensqualität in der Dermatologie veröffentlicht. Zudem beschäftigt sich die von Augustin geleitete Fachgruppe Dermatotherapie der GD mit dieser Thematik.

Verwirrende Vielfalt der Empfehlungen

Weltweit existieren zahlreiche Leitlinien für pharmakoökonomische Untersuchungen, die sich in vieler Hinsicht unterscheiden und mitunter sogar widersprechen. Einen Überblick darüber vermittelte Dr. Claus Kori-Lindner, München. Gesetzlich verbindliche Standards existieren nur in Australien und der kanadischen Provinz Ontario. Doch gibt es in zahlreichen europäischen Ländern Leitlinien mit empfehlendem Charakter, oder sie werden derzeit erarbeitet. In einigen Ländern werden sie für Entscheidungen über die Erstattungsfähigkeit oder die Preisbildung herangezogen.

Ziel pharmakoökonomischer Studien ist, eine Beziehung zwischen Kosten und Nutzen aufzuzeigen, nicht diese zu bewerten. Doch ist auch dies schon schwierig genug, wie die unterschiedlichen Empfehlungen hinsichtlich Analyseformen, Diskontierungsraten, Vergleichsparametern und Methoden zur Erfassung der direkten und indirekten Kosten und der Lebensqualität erahnen lassen.

Epidemiologie bringt Erkenntnisgewinn

Prof. Dr. Thomas Diepgen, Heidelberg, betonte die Bedeutung der Epidemiologie für die Dermatologie. Die Epidemiologie könne oft schon lange vor der Grundlagenforschung Hinweise zu Ursachen und prognostischen Faktoren von Krankheiten geben. Damit unterstütze sie insbesondere die Prävention, die ethisch und ökonomisch günstiger als eine spätere Therapie sei. Der Blickwinkel der Public Health verdeutliche auch die Bedeutung von häufig vorkommenden Erkrankungen mit vergleichsweise geringer Morbidität. Ein jeweils geringer Nutzen bei sehr vielen Patienten sei gesamtgesellschaftlich oft durchaus beachtlich.

Innovative Ideen für die Praxis

In den weiteren Vorträgen und Kurzreferaten während des Symposiums wurde deutlich, wie groß die Anwendungsgebiete der Gesundheitsökonomie in der Dermatologie sind. Dr. Thomas Horn, Krefeld, berichtete über ein Projekt zur Verbesserung der Wundversorgung im Klinikum Krefeld, das zur Erarbeitung einer "Wundfibel" geführt hat. Die Zusammenarbeit in einem interdisziplinären Team sei entscheidend für den Erfolg und die Akzeptanz des Projektes gewesen.

Prof. Dr. Wolfgang Vanscheidt, Freiburg, berichtete über das "Netzwerk Forschungspraxis Freiburg". Dabei betreuen Studienärzte aus dem Krankenhaus ambulante Studienpatienten dermatologischer Praxen. So können auch Studien zu praxisrelevanten ambulant behandelten Krankheitsbildern durchgeführt werden. Ohne die Unterstützung durch das Krankenhaus bleibe die Beteiligung ambulanter Praxen an Studien dagegen zumeist unbefriedigend.

Lebensqualitätsstudien – praktisch durchgeführt

Diana Bendek, Freiburg, beschrieb eine Anwendung der aknespezifischen Version des dermatologischen Lebensqualitätsfragebogens FLQA (Freiburg Life Quality Assessment). Demnach ist die Lebensqualität von Patienten mit Akne erheblich beeinträchtigt, etwa vergleichbar mit Alopecia areata oder Vitiligo. Etwa 20% der Aknepatienten fallen in eine Gruppe mit besonders starken Beeinträchtigungen. Aus methodischer Sicht ist besonders die Vergleichsmöglichkeit für verschiedene dermatologische Erkrankungen interessant.

Dr. Roman Schiffner, Regensburg, untersuchte, wie die gesundheitsökonomischen Verfahren der Zahlungsbereitschaftsanalyse und der "time-trade-off"-Analyse bei Patienten mit Feuermalen anzuwenden sind. Dabei waren nur die Daten der Zahlungsbereitschaftsanalyse und der Lebensqualitätsfragebögen sensitiv für den klinischen Verlauf der Behandlung, nicht jedoch die "time trade off"-Analyse.

DRGs und die Folgen

Welche Folgen bei der Einführung der DRGs zu erwarten sind, untersuchte Ruth Weber, Freiburg, am Beispiel der Universitätshautklinik Freiburg. Demnach bliebe bei einer angenommenen Basisrate von etwa A 2100 nicht einmal der halbe bisherige Erlös. Besonders bei Psoriasis und atopischer Dermatitis seien erhebliche Mindererlöse zu erwarten. Daher müssten sich Verweildauern und Behandlungsmuster bei einer DRG-Finanzierung erheblich verändern.

Als Lösungsansatz bietet sich möglicherweise die von Prof. Dr. Eckhard-Wilhelm Breitbart, Buxtehude, beschriebene Versorgung chronisch hautkranker Patienten an. Er berichtete über ein Projekt zur ambulanten dermatologischen Rehabilitation bei Psoriasis vulgaris und atopischem Ekzem. Das wohnortnahe Konzept sei kostengünstiger als stationäre Maßnahmen und zeige gute Ergebnisse.

Dr. Michael Reusch, Hamburg, beklagte den immer weiter sinkenden Fallwert in der Dermatologie, der in Hamburg derzeit etwa A 20, in den neuen Bundesländern zum Teil nur noch A 14 betrage. Dies sei keine Grundlage für eine qualifizierte Behandlung und Investitionen in die Praxis. Diese Entwicklung würde langfristig das Ende der Dermatologie als Fachgebiet bedeuten, da das Krankenhaus und die ambulanten Schönheitsoperationen das Fach nicht tragen könnten.

Leitlinien zwischen Theorie und Praxis

Dr. Klaus Strömer, Mönchengladbach, zeigte auf, welche große Diskrepanz zwischen der Zielsetzung medizinischer Leitlinien in der Theorie und der Umsetzung in der Praxis besteht. Leitlinien sollten die Versorgung der Patienten und das Qualitätsmanagement verbessern und Ressourcenverschwendung vermeiden. Dazu müsste die verfügbare Evidenz sorgfältig nach einem aufwändigen Verfahren gesichtet werden.

Doch wurden in Deutschland von verschiedenen medizinischen Fachgesellschaften in kurzer Zeit über 1000 Leitlinien oder Leitlinienentwürfe geschaffen, deren Qualität nicht immer leicht erkennbar sei. Die Belege seien zum Teil unzureichend dokumentiert, Angaben zu Kosten-Nutzen-Relationen fehlten meist, und einzelne Leitlinien widersprächen sich sogar. Doch auch qualitativ bessere Leitlinien könnten stets nur das medizinische Regelwissen zusammentragen und nicht die Individualität der Patienten erfassen.

Mehrkosten durch Positivliste

Auch die jüngste gesundheitspolitische Entwicklung durch das AABG war Gegenstand des Symposiums. Aus Sicht der pharmazeutischen Industrie kritisierte Karlheinz Adler, Reinbek, das Gesetz und die geplante Positivliste. Die Ausgrenzung wichtiger dermatologischer Wirkstoffe im Positivlistenentwurf mache den fehlenden dermatologischen Sachverstand in der zuständigen Kommission deutlich. Auch Wirkstoffe mit guter Datenlage würden ausgegrenzt, was eine "unerträgliche Willkür" darstelle. Doch dabei wäre nichts zu sparen. Im Gegenteil, das IMS gehe von zusätzlichen jährlichen Arzneimittelkosten in Höhe von 900 Mio. A zu Herstellerabgabepreisen aus, wenn nur die Hälfte der ausgeschlossenen Arzneimittel durch andere Produkte ersetzt würde.

Was sind "umstrittene Arzneimittel"?

Adler kritisierte besonders den Umgang mit dem Begriff der "umstrittenen Arzneimittel". Der Begriff gehe nur auf den Arzneiverordnungsreport von Prof. Dr. Ulrich Schwabe und Dr. Dieter Paffrath zurück, sei aber sonst nicht definiert. Damit legten allein die Autoren dieses Buches fest, was "umstritten" sei, und in Ermangelung anderer Daten würde diese Einordnung nun sogar für die Wirtschaftlichkeitsberatung von Ärzten durch Krankenkassen eingesetzt. Doch empfehle der Arzneiverordnungsreport beispielsweise Ersatzpräparate, die für die fragliche Indikation gar keine Zulassung hätten. So sei Guttaplast, das als Ersatz für Verrumal empfohlen werde, nicht gegen Warzen zugelassen, und Asche Basis-Zubereitungen, der angebliche Ersatz für Tannosynt, nicht bei Windpocken.

"Aut idem" geht nicht – oder doch?

Das AABG sei eines der "schlampigsten Gesetze überhaupt", da die nötigen Ausführungsregelungen fehlten. Einzelne Unternehmen der pharmazeutischen Industrie hätten bereits eine Verfassungsklage eingereicht. Erfahrene Anwälte gingen von guten Chancen aus, das Gesetz zu stoppen. Auf jeden Fall sollten topische Zubereitungen von der Substitution ausgenommen werden.

Was aut idem aus Sicht der Apotheker bedeutet, stellte Dr. Gottfried Krombholz, Freiburg, dar. Er beschrieb sowohl die geplante vollwirksame Regelung als auch die derzeitige Übergangsregelung. Er kritisierte die Konzentration auf den Preis, die drohenden Complianceprobleme, die fehlenden Regelungen für diverse Sonderfälle, die offenen Haftungsfragen und die zu erwartenden Umsatzeinbußen für die Apotheken. In der Diskussion äußerten verschiedene Ärzte und Apotheker ihren Unmut über die Aut-idem-Regel, die in der geplanten Form nicht praktikabel sei.

Hierzu verwies Thomas Müller-Bohn, Süsel, auf die Aut-idem-Leitlinie der DPhG, in der die pharmazeutischen Voraussetzungen für eine verantwortungsbewusste Substitution dargelegt würden. So sei Aut idem in der Akutmedikation durchaus praktikabel, doch würden die Austauschmöglichkeiten in der Dauermedikation stark eingeschränkt. Außerdem plädierte Müller-Bohn für eine intensivere Kommunikation zwischen Dermatologen und Apothekern. Dies sei günstig für Rezepturen und biete den Ärzten eine unabhängige Arzneimittelberatung. Die Patientenversorgung könnte verbessert werden, wenn die Rückkopplungsmöglichkeit problemlos sei. Auch die Pharmazeutische Betreuung funktioniere nur mit einem guten Informationsaustausch zwischen Ärzten und Apothekern. Dies sollte von den Ärzten als Chance zum Wohle der Patienten wahrgenommen werden.

Literaturtipp: Pharmakoökonomie

Die Pharmakoökonomie beschreibt und analysiert die Kosten der Arzneitherapie für Gesundheitswesen und Gesellschaft. Sie nimmt bestehende therapeutische Ansätze und neue Entwicklungen unter die Lupe und weist Wege zu einer rationellen Arzneitherapie. Das Buch vermittelt die wesentlichen Verfahren dieser in Deutschland noch jungen Disziplin. Die Erläuterungen wichtiger wirtschaftlicher Zusammenhänge macht es auch Nicht-Ökonomen leicht, in diese neue Materie einzusteigen.

Pharmakoökonomie. Von Thomas Müller-Bohn und Volker Ulrich. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH Stuttgart. ISBN 3-8047-1761-6. Preis 29,70 Euro. Zu beziehen über die Buchhandlung des Deutschen Apotheker Verlags, Postfach 10 10 61, 7000 Stuttgart, Fax (07 11) 2 58 22 90, www.Deutscher-Apotheker-Verlag.de

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