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Christen in der Pharmazie: Was darf Ethik kosten?

Ist das Berufsethos des Apothekers ausreichender Ersatz für den Wettbewerb? Sind Appelle in den Berufsordnungen der Apothekerkammern, sich nicht von unangemessenem Gewinnstreben leiten zu lassen, genug, um Orientierung für das Spannungsfeld des Apothekers in seiner Doppelrolle als Heilberufler und Kaufmann zu geben? Sind die durch Wettbewerbsbeschränkungen im Arzneimittelmarkt entstehenden gesamtwirtschaftlichen Kosten bei der Verwirklichung eines ethischen Ziels zu hoch? Diese und ähnliche Fragen stellte Prof. Dr. Hermann Sautter, Volkswirt an der Universität Göttingen, in seinem Referat auf der Tagung "Ethik und Monetik Ų Ethisches Handeln unter den wirtschaftlichen Zwängen der Apotheke". Veranstaltet wurde diese nunmehr 10. Fachtagung von der Gruppe "Christen in der Pharmazie", einer akademischen Fachgruppe der SMD*.

Sautter, Inhaber des Lehrstuhls für Volkswirtschaftstheorie und Entwicklungsökonomie, beschrieb ausgehend vom Modell des freien Marktes, wo es zu einem Interessenausgleich zwischen Anbieter und Verbraucher durch Wettbewerb kommt, die Besonderheiten des Arzneimittelmarktes.

Beim Arzneimittel handelt es sich um eine besondere Ware. Beratung des Patienten ist notwendig und es besteht ein öffentliches – nicht nur ein privates – Interesse an der Vermeidung von Missbrauch. Trotzdem sieht Sautter als Ökonom auch verschiedene Effektivitätsreserven im System der Arzneimitteldistribution.

Überregulierung und Kartellierung kann leicht zu Ungunsten der Verbraucher benutzt werden. Andererseits ist Arzneimittelsicherheit ein hohes Gut, das staatliche Regulierungen erfordert, um den zumeist schlecht informierten Verbraucher zu schützen. Sautter stellte die institutionelle und die persönliche Ebene im Verhältnis von Ethik und Monetik dar.

Der Apotheker soll seine Rolle als Kaufmann gewissenhaft und bewusst wahrnehmen. Ehrlichkeit und Seriosität sind Tugenden, die vom Patienten geschätzt werden und sich langfristig auszahlen. Seriosität kann so zum Wettbewerbsvorteil werden. Dagegen sei es "ein Zeichen charakterlicher Schwäche, wenn man versucht, ein unlauteres Wettbewerbsverhalten mit dem Hinweis auf die Härte des Konkurrenzkampfes zu rechtfertigen." Sautter führte aus, dass zunehmender Konkurrenzkampf keinesfalls zweifelhafte Geschäftspraktiken legitimiert.

Interner Verhaltenskodex der Apotheker

Demokratisch kontrollierte Rechtsordnungen, wie in der Bundesrepublik, sind einzuhalten, auch wenn nicht jeder zu jedem Zeitpunkt Vorteile davon hat. Sautter ermutigte dazu, sich in Verbänden und Kammern für die Einhaltung dieser gesetzlichen Regeln und berufsständischen Normen einzusetzen. Im Rahmen dieser allgemeinen Spielregeln hat dann jeder für sich die Möglichkeit individuelle Schwerpunkte zu setzen. Zum Beispiel empfahl er Hersteller zu boykottieren, die mit unseriösen Produkten (z. B. fragwürdigen Nahrungsergänzungsmitteln) das Image der Apotheke missbrauchen. Angeregt wurde ein Nachdenken über einen internen Verhaltenskodex, um Zeichen zu setzen gegen eine schleichende Unterhöhlung der Berufsordnungen oder gegen Versicherungsbetrug.

Herausforderung als Chance

Sautter stellte fest: "Der Apotheker verbindet in seiner Person die Aufgaben des Heilberuflers mit denen des Kaufmanns. Daraus ergeben sich Spannungen. Dies ist aber nur die Kehrseite davon, dass dieser Beruf außerordentlich anregend und herausfordernd ist. Er fordert dazu heraus, gewissenhaft zu wirtschaften, sich auch im Wettbewerb zu bewähren, und dies in den Dienst einer öffentlichen Aufgabe zu stellen. Als Außenstehender habe ich den Eindruck, dass es wenige Berufe gibt, die eine vergleichbare Chance bieten."

Im Rahmen der Tagung wurden ferner im Kollegenkreis konkrete Problemstellungen und Spannungsfelder diskutiert. Dabei konnten Argumente ausgetauscht werden, wie man kommunikativ geschickt auf unsachliche Vorwürfe, zum Beispiel Apotheker "verdienten" an der Krankheit der Menschen, reagieren kann ("Jeder Beruf verdient an einer Not oder einem Bedürfnis der Menschen".)

Auch Fragestellungen wie der von einigen Patienten vorgebrachte Wunsch, verschreibungspflichtige Mittel ohne Rezept zu erhalten, und die Schwierigkeit, manche Patienten angesichts mangelnder Kostenüber- nahme durch Krankenkassen adäquat mit Inkontinenzprodukten zu versorgen, wurden thematisiert. Die Diskussionsteilnehmer waren sich einig, dass Apothekerinnen und Apotheker sich zum Wohl der Patienten engagieren sollten. Ungesetzliche Praktiken kommen dabei nicht in Frage, da sie nicht nur ethisch bedenklich sind, sondern auch dem Ansehen des Berufsstandes in der Öffentlichkeit schaden.

Die nächste Fachtagung im März 2003 thematisiert "Wellness – vom Arzneimittelfachmann zum Wellnessverkäufer".

Nähere Informationen zu bisherigen Tagungen unter www.pharmazie.smd.org.

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