DAZ Feuilleton

Die Bibel und die Naturwissenschaften

Das Buch der Bücher ist weit mehr als die Heilige Schrift. Ihre Autoren haben, durchaus unbeabsichtigt, die Kenntnisse ihrer Zeit in die Texte einfließen lassen. Altes und Neues Testament kann man auch als Buch des Wissens lesen. Ihr Studium fördert für den naturwissenschaftlich Interessierten auch heute noch manchen Schatz zutage, jenseits von Kabbalistik und buchstäblicher Exegese.

Schöpfung von unten oder von oben?

Die ersten Christen nahmen die Heilige Schrift wörtlich. Danach ist die Welt und alles Irdische nicht zufällig und nicht aus sich selbst heraus entstanden. Die Schöpfung ist Ergebnis des planvollen Tuns Gottes, der sein Werk um des Menschen willen schuf.

Diese christliche Vorstellung stand im Gegensatz zur Anschauung des Aristoteles (384 - 322), des ersten Denkers und Logikers, der die Welt von unten nach oben dachte. Die Natur war für den Griechen etwas, das sich aus sich selbst heraus erschafft.

Doch schon der Genesis, dem 1. Buch Moses, wohnt eine Entwicklungsgeschichte der Erde und der Biosphäre inne, die das planvolle Tun Gottes in eine naturwissenschaftlich durchaus plausible Reihenfolge bringt. Das 1. Buch Moses entstand zwischen 1450 und 1410 v. Chr., also mehr als tausend Jahre vor dem Wirken des großen Philosophen. Es beschreibt die Entstehung von Himmel, Erde und Mensch innerhalb von sechs Tagen.

Während für Aristoteles die Organismen gleichzeitig entstanden und von Ewigkeit an da sind, beschreibt die Bibel das Entstehen der Welt als evolutionären Prozess. Aus dem Chaos schuf Gott in den ersten vier Tagen Lichtraum, Luftraum und trockenes Land bzw. Himmel, Erde und Wasser, einschließlich der Pflanzen. Mit dieser Einteilung von Raum und Zeit und der pflanzlichen Lebensgrundlage war die Erde für ihre Bewohner, Tiere und Menschen, vorbereitet.

Leben ist Bewegung - auch für Gottes Staatsanwalt

Am fünften Tag bevölkerte der Schöpfer die geschaffenen Räume mit tierischem Leben. Als erstes erschuf er ein Gewimmel von Lebewesen im Wasser und in der Luft. Am sechsten Tag erteilte Gott der Erde den Befehl, weitere Lebewesen hervorzubringen. Es entstanden Vieh, Reptilien, Insekten, die im Meer lebenden Säugetiere und die wilden Tiere des Landes.

Danach schuf Gott den Menschen. Antike und Mittelalter verstanden, wie schon das Alte Testament, unter Lebewesen nur das sich frei Bewegende. Pflanzen waren in diesem Sinne leblos. Die Fähigkeit zu existieren wird durch den Besitz einer inneren Lebenskraft, der Psyche oder Anima, erklärt.

Das deckt sich mit Aristoteles' Einteilung der Natur in anima vegetativa, anima sensitiva und anima rationalis. Als Lebewesen sah er Mensch, Tier und Dämon an. Demnach besitzt der Mensch die anima rationalis, da er sich durch den Verstand von der empfindenden anima sensitiva der Tiere und Dämonen und der nur vegetativen Seele der Pflanzen unterscheidet.

Die beseelte Natur ist der modernen naturwissenschaftlichen Sicht der Dinge fremd. Da mag es überraschen, dass schon zu Beginn des Mittelalters sehr nüchtern auf die Bibeltexte gesehen worden ist.

Der überragende christliche Denker Augustinus (354 - 430), scherzhaft Gottes Staatsanwalt genannt, hat sich gründlich mit der zeitlichen Folge der biblischen Schöpfungsgeschichte beschäftigt. Er erkannte, dass es Zeit nur dort geben könne, wo Veränderung stattfindet. Das Werden der Kreatur kann nur in der Zeit geschehen. Zeit und Welt sah er als Einheit, Ewigkeit als Stillstand. Mit dieser Erkenntnis, dass die Welt nicht in der Zeit, sondern mit ihr entstanden sein muss, nimmt er die modernen kosmogonischen Theorien 1500 Jahre vorweg.

Ein banger Blick in die Bibel

Ein berühmtes zeitgenössisches Beispiel für die physikalische Bibeldeutung gab der französische Kernphysiker Bernhard Philberth. Er deutete 1969 - unter dem Eindruck der militärischen Rüstung der beiden Supermächte - die Posaunen der Engel in der Offenbarung des Johannes, Kapitel 8, als Künder einer atomaren Katastrophe.

Vers 7: "Und der erste blies seine Posaune; und es kam Hagel und Feuer, mit Blut vermengt, und fiel auf die Erde; und der dritte Teil der Erde verbrannte, und der dritte Teil der Bäume verbrannte, und alles grüne Gras verbrannte." Für Philberth war das ein klarer Hinweis auf eine atomare Explosion 400 m über der Erdoberfläche. Die entstehende Gammastrahlung würde alle Organismen im großen Umkreis verdampfen.

Verse 8 - 9: "Und der zweite Engel blies seine Posaune; und es stürzte etwas wie ein großer Berg mit Feuer brennend ins Meer, und der dritte Teil des Meeres wurde zu Blut, und der dritte Teil der lebendigen Geschöpfe im Meer starb, und der dritte Teil der Schiffe wurde vernichtet." Philberth sah darin die Explosion einer Wasserstoffbombe. Eine solche Fusionsbombe könnte zehn Millionen Kubikmeter Wasser der Ozeane verdampfen und alles mit sich reißen, das darin schwimmt.

Verse 10 - 11: "Und der dritte Engel blies seine Posaune; und es fiel ein großer Stern vom Himmel, der brannte wie eine Fackel und fiel auf den dritten Teil der Wasserströme und auf die Wasserquellen. Und der Name des Sterns heißt Wermut. Und der dritte Teil der Wasser wurde zu Wermut, und viele Menschen starben von den Wassern, weil sie bitter geworden waren." Nach Philberth könnte damit der Absturz einer militärischen Raumstation mit atomarem Antrieb gemeint sein.

Von Affen und Kamelen

Die Zeit scheint über diese Sicht der Dinge hinweggegangen zu sein. Heute sind andere Aspekte der naturwissenschaftlichen Bibeldeutung interessanter. So hat Frank Brandstätter, der Direktor des Zoos Dortmund, die Bibel zoologisch begutachtet. Seine Analysen zeigen die Genauigkeit der damaligen Naturbeobachtung. Tiere kommen in der Bibel auf verschiedene Weise vor. Entweder sie werden nebenbei erwähnt, oder es kommt ihnen eine symbolische Bedeutung mit durchaus realem Hintergrund zu. Erstes Tier der Bibel ist der Wal, eines der wichtigsten ist der Löwe, der mehr als 130-mal auftaucht, vor allem als Symbol der Kraft. Affen und Pfauen dagegen sind selten (Tab. 1).

Im folgenden Beispiel stehen sie für den sagenhaften Reichtum des Königs Salomo: "Denn die Schiffe des Königs, die mit den Leuten Hirams nach Tarsis fuhren, kamen in drei Jahren einmal und brachten Gold, Silber, Elfenbein, Affen und Pfauen." (2. Chronik 9,22) In Israel gab es keine Affen und keine Pfauen. Die Vögel mussten zweifelsfrei aus Indien importiert werden. Die Affen könnten Mantelpaviane aus Westafrika oder Indien sein. Denn Hiram war der phönizische König der Hafenstadt Tyros an der Levante und Tarsis eine phönizische Kolonie in Spanien. Das zeigt die weiten Handelsbeziehungen der Phönizier im 5. Jh. v. Chr., als das 2. Buch der Chronik entstand.

Man muss kein Bibelkenner sein, um von der folgenden Stelle gehört zu haben. Die Sätze aus Matthäus 19,23 - 24 sind so anschaulich, wie sie unsinnig klingen. Und dennoch beruhen sie auf einer genauen Beobachtung: "Jesus aber sprach zu seinen Jüngern: Wahrlich, ich sage euch: Ein Reicher wird schwer ins Himmelreich kommen. Und weiter sage ich euch: Es ist leichter, dass ein Kamel durch ein Nadelöhr gehe, als dass ein Reicher ins Reich Gottes komme."

Mit Kamel ist das Dromedar gemeint, denn die zweihöckrigen Trampeltiere stammen aus Zentralasien (daher auch "baktrisches Kamel"). Das Bild, das den Wohlstandsbürger so direkt bedroht, behandelt die nur schwer erklärbare Eigenart der Dromedare, auf keinen Fall unter einem Balken hindurchzugehen und hängt er noch so hoch über ihren Köpfen. Die Tiere scheuen davor zurück. Die Kamelgräben in den Zoos bewirken dasselbe. Selbst schmalste Gräben überschreiten die Tiere nicht.

Ein lebender Stock wird identifiziert

Durch die zoologische Brille betrachtet, formen sich auch sonderbare Schilderungen wie im 2. Buch Mose (Exodus) 7,8 - 12 zu einem klaren Bild. "Und der HERR sprach zu Mose und Aaron: Wenn der Pharao zu euch sagen wird: Weist euch aus durch ein Wunder!, so sollst du zu Aaron sagen: Nimm deinen Stab und wirf ihn hin vor dem Pharao, dass er zur Schlange werde! Da gingen Mose und Aaron hinein zum Pharao und taten, wie ihnen der HERR geboten hatte. Und Aaron warf seinen Stab hin vor dem Pharao und vor seinen Großen, und er ward zur Schlange. Da ließ der Pharao die Weisen und Zauberer rufen, und die ägyptischen Zauberer taten ebenso mit ihren Künsten: Ein jeder warf seinen Stab hin, da wurden Schlangen daraus; aber Aarons Stab verschlang ihre Stäbe."

Für Frank Brandstätter sind diese merkwürdigen Schilderungen zoologisch eindeutig. Bei dem sich in eine Schlange verwandelnden Stab kann es sich nur um die Sandrennnatter Psammophis schokari handeln. Es ist die einzige Art, die auf dem Sinai vorkommt. Nimmt man P. schokari in die Hand, zeigt sie das beschriebene Verhalten, sie wird stocksteif. Diesen Zustand äußerster Rigidität, auch als Astmimese bezeichnet, hält sie so lange bei, wie sie festgehalten wird. Einmal losgelassen, lässt sie blitzartig den Ort der Gefangenschaft hinter sich.

Auch den Kannibalismus der Schlangen erklärt Brandstätter. Beim hier geschilderten Aaronstab könnte es sich um Psammophis sibilans handeln. Diese Art ist noch heute in Ägypten sehr häufig. Sie ist größer und massiger als P. schokari und könnte durchaus nahe verwandte Arten verschlingen. Denn dieses Verhalten von Ophiophagie wird für P. sibilans schon in Brehms Tierleben von 1922 beschrieben. Die Identifizierung des Aaronstabs als eine P. schokari-verschlingende P. sibilans ist also nicht auszuschließen. Stimmt das, was durchaus einleuchtet, dann beschreibt die Bibel diese Schlangen bis hinunter auf die Artebene.

Die Welt erst 10 000 Jahre alt?

Diese sehr einleuchtende Erklärung wird von einer kleinen Gemeinde an Bibelexegeten rundherum abgelehnt. Die so genannten Kreationisten nehmen die Bibeltexte noch immer wörtlich und lehnen die Evolutionslehre ab. Diese Bewegung bekommt Zulauf, vor allem in den USA. Im Bundesstaat Kansas darf keine Evolution mehr gelehrt werden. Auch in Russland, der Türkei, bei den Maoris Neuseelands und im Islam gibt es reges Interesse an Weltentwürfen, die die Erde innerhalb von 10 000 Jahren entstehen lassen. Soweit zurück sollen die Erzählungen der Bibel reichen.

Alle Tiere sind demnach am 5. und 6. Tag der Genesis entstanden. Mit detaillierten Berechnungen weisen deren Vertreter nach, dass die Arche Noah ausreichend Platz für alle Tiere und sogar genug Futter für alle dabei hatte.- Der Geist Gottes weht eben, wo und wie er will.

Kastentext: Der aufrechte Gang

Der aufrechte Gang des Menschen ist laut Augustinus nicht primär Höherentwicklung, sondern Bestimmung, sich vom Irdischen zu lösen. Da die Natur nicht aus sich selbst heraus handeln könne, fungieren die Engel als Vermittler zwischen Gott und der Welt.

Geh hin zur Ameise, du Fauler, sieh an ihr Tun und lerne von ihr! Wenn sie auch keinen Fürsten noch Hauptmann noch Herrn hat, so bereitet sie doch ihr Brot im Sommer und sammelt ihre Speise in der Ernte. Wie lange liegst du, Fauler! Wann willst du aufstehen von deinem Schlaf?

Sprüche Salomos 6,6 - 9

Literaturtipp

Klotz, Helmut Der Pfaffe und der Alchimist Was Chemiker von Theologen wissen sollten und umgekehrt 228 Seiten, 15 Abbildungen, gebunden. Euro 22,50. S. Hirzel Verlag, Stuttgart 1999. ISBN 3-7776-0930-7

Quellen

Storch, Welsch, Wink: Evolutionsbiologie. Springer, Berlin 2001. Klotz: Der Pfaffe und der Alchimist. Hirzel, Stuttgart 1999. Tier und Museum. Mitteilungen der Gesellschaft der Freunde und Förderer des Museums Alexander Koenig - Bonn e.V.. Dezember 1997, Band 5, Heft 4. Philberth: Christliche Prophetie und Nuklearenergie, 12. Aufl., Brockhaus, Wuppertal 1977. http://bibel.cid.net/: Die Bibel nach der Übersetzung Martin Luthers in der revidierten Fassung von 1984.

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