Berichte

Caspers-Merk: Jeder zehnte Patient hat ein Suchtproblem

Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marion Caspers-Merk, nahm am 5. März 2002 an einer Sitzung des Arbeitskreises Sucht der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg teil. Sie ließ sich dessen Arbeit - insbesondere das bundesweit angebotene Seminar Suchtpharmazie - darstellen und berichtete aus ihrer eigenen Arbeit.

"Jeder zehnte Patient, der zum Arzt kommt, hat ein Suchtproblem, und jedes fünfte Krankenhausbett ist ein Suchtbett", teilte Caspers-Merk dem Arbeitskreis mit und verdeutlichte so den Stellenwert der Problematik. Gemeint sind dabei Folgeerkrankungen der Sucht, die zu behandlungswürdigen körperlichen Schädigungen führen. {z}Drogenkonzept und Heroin-Projekt Die Bundesregierung baut ihr Drogenkonzept auf vier Säulen:

  • wohnortnahe Therapieplätze,
  • nötige Repression,
  • Prävention und
  • Risiko- und Schadensminimierung.

Hier finden sich die Apotheker beispielhaft sowohl beim Spritzentausch als auch im Sichtbezug von Substitutionsmitteln wieder.

Caspers-Merk stellte das Heroin-Projekt vor, das letzte Woche in Bonn angelaufen ist. Hier wird versucht, diejenigen Drogenabhängigen zu erreichten, die über die Substitutionstherapie nicht erreicht werden. Um über den Sachstand regelmäßig unterrichtet zu werden, hat das Gesundheitsministerium einen Lenkungsausschuss installiert, in dem Vertreter der sieben teilnehmenden Städte (Bonn, Karlsruhe, München, Hamburg, Hannover, Köln, Frankfurt/Main) vertreten sind. In zwei Jahren, wenn die Auswertung des Projektes abgeschlossen ist, ist bei entsprechendem Ergebnis eine Arzneimittelzulassung von Heroin das Ziel.

Nach Auskunft von Caspers-Merk ist sichergestellt, dass die Studienteilnehmer nach Abschluss der Studie weiterbehandelt werden.1998 schuf die Bundesregierung im Rahmen des Betäubungsmittelgesetzes die Möglichkeit Drogenkonsumräume einzurichten. Mittlerweile gibt es davon 20 in Deutschland (keinen in Baden-Württemberg), wovon acht evaluiert werden. Ein Ergebnis ist schon heute interessant: "Etwa ein Drittel der konsumierenden Personen hatte noch nie Kontakt zu Hilfeeinrichtungen", so Caspers-Merk. Darüber hinaus sei die Zahl der Drogentoten in Städten mit einer solchen Konsummöglichkeit zurückgegangen.

Fehlbehandlung mit Ritalin

Große Probleme hat Caspers-Merk mit der Behandlung des ADH-Syndroms (Aufmerksamkeits- und Hyperaktivitätsstörung) bei Kindern mit Methylphenidat (Ritalin). Es sei festzustellen, dass mittlerweile pro Jahr eine Verdopplung der Verordnungszahlen zu verzeichnen ist. Auffällig ist, dass es spezielle Konzentrationspunkte der ADHS-Therapie gibt. In Bremen wird hundertmal öfter Ritalin verordnet als in Berlin, berichtete Caspers-Merk.

Insbesondere die Spätschäden dieser Therapie - in amerikanische Studien geben Hinweise auf einen Zusammenhang mit der Parkinson-Erkrankung - sind noch nicht absehbar. Nachdem die Berliner Charité bei einer Überprüfung ein Drittel der mit Ritalin behandelten Kinder als fehltherapiert beurteilt hat, beabsichtigt Caspers-Merk, die Therapie an eine besondere Fachkunde der Ärzte zu koppeln.

Sie bat die Mitglieder des Arbeitskreises Sucht hierzu um deren Sichtweise: Aufgrund von genetischen Dispositionen und Verhaltensweisen der Eltern könnte eine Familientherapie einen neuen Ansatz darstellen. Der Arbeitskreis Sucht der LAK stellt sich seit über zwölf Jahren dem Thema Sucht, Suchtprophylaxe und -therapie und versucht in der Apothekerschaft und der breiten Öffentlichkeit das Schamgefühl vor der Sucht zu nehmen.

Caspers-Merk zeigte sich beeindruckt von dem Geleisteten des Arbeitskreises. Sie sagte zu, sich für einheitliche Preise und Standards einzusetzen, um auf dem Gebiet der Suchttherapie keine Konkurrenzgedanken bei den Beteiligten aufkommen zu lassen.

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