DAZ aktuell

Die lieben Ärzte (Kommentar)

Zugegeben, die niedergelassenen Ärzte haben mit etlichen Problemen zu kämpfen. Nach der Abschaffung der Budgets ist ihre individuelle Verantwortung für die Arzneiausgaben geblieben, hinzu kommen Aufgaben wie die Disease-Management-Programme ab dem Sommer. Es stimmt wohl auch, dass es mit der technischen Ausrüstung einiger Arztpraxen nicht sehr weit her ist und die berühmten Schnittstellen nicht funktionieren.

Krankenhäuser könnten ja elektronische Entlassungsbriefe dem niedergelassenen Arzt zur Weiterbehandlung schicken, Doppeluntersuchungen von Fachärzten könnten durch das schnelle Übermitteln bereits getätigter Tests entfallen - häufig leider nur Wunschdenken. Zum Teil fehlt ein Computer in der Arztpraxis oder die Software ist nicht kompatibel. Jetzt verlangen die Mediziner im Gleichklang mit den gesetzlichen Krankenkassen das elektronische Rezept, möglichst innerhalb eines Halbjahres.

Das elektronische Rezept und das, was es leisten kann, ist aber nicht identisch mit Telematik im Gesundheitswesen. Die Mediziner denken nur an verordnete Medikamente, was verständlich ist. Telematik ist aber viel, viel mehr. Kommt die moderne Chipkarte, könnten in den verschiedenen Fächern die unterschiedlichsten Informationen lagern und abgerufen werden.

Zum Beispiel die zur Selbstmedikation des Patienten, das kann therapierelevant sein. Möglich wäre auch der Zugriff auf Arzneimittelunverträglichkeiten, die Datenbanken gibt es. Sinnvoll sind auch sowohl Allergiepass als auch Notfallausweis, beides ist lebensrettend. Letzteres sind Beispiele der Bundesgesundheitsministerin, wenn sie für ihre Konzeption des Gesundheitspasses wirbt.

Die Möglichkeiten einer modernen Karte sind so vielversprechend, da würde durch die Beschränkung auf nur eine Funktion - die Dokumentation der verordneten Arzneimittel via elektronischem Rezept - vieles verschenkt.

Die Ärzte drücken ganz schön auf die Tube, sie bräuchten das elektronische Rezept am besten sofort, drei bis fünf Jahre bis zur Einführung eines Gesundheitspasses könnten sie keinesfalls warten, sagen sie.

Mit Verlaub, so schnell wird es nicht gehen. Auch wenn Lösungen heute schon technisch ausgereift sind, es müssen Standards und Normen vorhanden sein, das Ganze muss im Kontext gesehen werden. Standardisierung und Normierung sind wichtig und gerade nicht die Etablierung einer neuen "Insel".

Insellösungen haben wir schon genug. Bei Reisen ins Ausland ärgere ich mich jedes Mal, wenn der Stecker des Föns nicht passt und ein Adapter nicht verfügbar ist. Hier fehlten einheitliche Normen.

Im übrigen muss der Gesundheitspass dem Patienten erläutert werden. Zumindest das Bundesgesundheitsministerium (BMG) will schon noch, dass der Kranke Herr seiner Daten bleibt, die Kranken selbst sollen entscheiden, wer was auf ihrer Karte lesen darf. Das wurde in Bonn deutlich, der Vorschlag der Krankenkassen mit ihrem zentralen Datenserver stößt im BMG auf wenig Gegenliebe.

Modellversuche machen Sinn, man testet einmal das Projekt in einer überschaubaren Region und kann dann sofort mit der massenhaften Anwendung starten. Aber ein wenig Zeit benötigt das schon, das liegt auf der Hand. Die Industrie ist in den Startlöchern, wartet für ihre Investitionen auf einheitliche Signale. Es wäre gut, wenn die jetzt kämen.

Susanne Imhoff-Hasse

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