Feuilleton

Ausstellung: Leben im Boden

"Leben im Boden" heißt eine Wanderausstellung des Staatlichen Museums für Naturkunde Görlitz, die bis zum 5. Mai 2002 im Naturkundemuseum Leipzig zu sehen ist. Auf 35 Bild- und Texttafeln werden bodenrelevante Themenkomplexe dargestellt. Modelle und Videos ergänzen die Schau.

Wunderwelt der Regenwürmer

Kaum eine andere Familie spiele in der Geschichte der Welt so eine bedeutende Rolle wie die Regenwürmer. Ihre Verbreitungsdichte in einem Boden sei ein Indikator für seine Qualität. Diese Erkenntnis publizierte Charles Robert Darwin 1881. Sie ist bis heute aktuell geblieben. Die unterirdischen "Schwerathleten" durchmischen und belüften Böden und führen den Wurzeln Nährstoffe zu. Auf diese Weise ist gesundes pflanzliches Wachstum überhaupt erst möglich.

Weltweit ist die Familie der Regenwürmer (Lumbricidae) mit 3000 Spezies vertreten. Die spezifischen Lebensgewohnheiten der einzelner Arten sind sehr unterschiedlich. Einige tropische Arten können eine Länge bis vier Meter und ein Gewicht bis 600 Kilogramm erreichen. Es gibt sogar Berichte über sieben Meter lange Tiere. Auf der nördlichen Hemisphäre gibt es immerhin vierhundert Regenwurmarten, in Deutschland sind vierzig Spezies verbreitet. Je nach Art erreichen sie eine Länge zwischen drei und dreißig Zentimetern. Zuweilen sind sogar 60 cm lange Exemplare gefunden worden.

Der Tauwurm oder "eigentliche" Regenwurm (Lumbricus terrestris) ernährt sich von angerotteten Pflanzenteilen. Er gräbt senkrechte Gänge, die er mit einer "Kottapete" auskleidet. Gattungen wie Aporrectodea und Allobophora haben sich auf mineralische Böden spezialisiert. Sie leben in waagerechten Bodenspalten, die kaum mit Kot ausgekleidet werden. Weil die Tiere das Erdreich fressen, kommen sie kaum an die Erdoberfläche. Aufgrund dessen sind sie gar nicht oder nur schwach pigmentiert.

Anders die Bewohner der Laubstreu und der obersten Bodenschichten, denen unter anderen die Gattung Dendrobaena zugeordnet wird. Sie sind, jeweils artspezifisch, dunkel pigmentiert. Regenwürmer sind Zwitter, die sich gegenseitig befruchten. Die Eier entwickeln sich in Kokons. Bei einigen Arten schlüpfen die Jungtiere erst nach sieben bis zwölf Wochen.

Ein ausgeprägter Erschütterungssinn ermöglicht Regenwürmern die Flucht vor Feinden. Falls sie aber verfolgt werden, verankern sie sich durch Kontraktion der Ringe und mit Hilfe der Borsten in ihrer Röhre so fest, dass sie meistens zerreißen. Danach können sie sich regenerieren. In den meisten Fällen bildet der Vorderkörper ein neues Hinterteil, wenn er mindestens bis zum "Gürtel" (Clitellum) erhalten geblieben ist und alle lebensnotwendigen Organe noch vorhanden sind.

Mit vereinten Kräften: Abbau der Laubstreu

Neben den Regenwürmern sind es vor allem Mikroorganismen, die an der Regeneration des Bodens beteiligt sind. In einem Linden-Hainbuchen-Mischwald fallen jedes Jahr vier bis sieben Tonnen Laub pro Hektar (400 bis 700 g/m²) zu Boden. Bestimmte Mikroorganismen zersetzen die harten Zellwände der Blätter, worauf weitere Bakterien und Pilze alle leicht abbaubaren Stoffe verwerten. Außer Regenwürmern erfüllen Asseln, Doppel- oder Tausendfüßer und Schnecken diese Funktion.

Die Tausendfüßer (Diplopoda) leben je nach Art in der Streu oder in den obersten Bodenschichten. Anders, als es der Volksmund behauptet, gibt es keine Spezies, die sich durch tausend Beine auszeichnet. In den Tropen gibt es Tausendfüßer mit maximal 700 "Füßen". Die in Mitteleuropa verbreiteten Arten sind mit höchstens 117 Beinpaaren ausgestattet. Nicht alle haben einen wurmförmigen Habitus. Der Saftkugler beispielsweise kann sich bei Gefahr vollständig einrollen. Auf taktile Reize reagiert er mit der Ausscheidung einer Flüssigkeit.

Asseln zerkleinern mit ihren kräftigen Mundwerkzeugen die pflanzliche Substanz, nutzen jedoch nur einen geringen Teil des aufgenommenen Materials aus. Aufgrund dessen enthält ihr Kot noch große Substratmengen, von denen sich Folgezersetzer ernähren können. Für diese sind die Exkremente von Schnecken ebenfalls eine geeignete Nahrungsgrundlage.

Weil sie sich je nach Art von Kadavern, Kot und Pilzen, aber auch von Mulm, Detritus oder morschem Holz ernähren, sind die Larven von Fliegen und Mücken (Diptera) für die Bodenbiologie von besonderer Bedeutung. Ebenso geht die Ausstellung auf die Lebensgewohnheiten der Springschwänze (Collembola) ein, von denen in Europa etwa dreitausend Spezies bekannt sind. Sie sind indessen nicht etwa mit einem Schwanz ausgestattet, wie es die deutsche Bezeichnung vermuten lässt. Eine Sprunggabel an der Unterseite des Körpers wird bei Gefahr blitzschnell ausgeklappt und auf den Untergrund geschlagen. Im Verhältnis zu ihrer Körpergröße springen die Tiere 16-mal so hoch und 23-mal so weit. Schließlich werden in der Ausstellung Panzermilben, Spinnen sowie Raubmilben vorgestellt. Ferner erfüllen zahlreiche Käfer, Hundertfüßer und auch Wirbeltiere im Boden wichtige biologische Funktionen.

Machtpolitik der Ameisen

Ameisen leben als gut organisierte Staatengemeinschaften zusammen und passen ihre Nester an die Umweltbedingungen im jeweiligen Lebensraum an. Die Blutrote Raubameise greift gelegentlich andere Staaten an. Ein Teil der erbeuteten Brut wird nicht gefressen, sondern als "Hilfsameisen" aufgezogen. Auch gründet Formica sanguinea zuweilen in fremden Nestern neue Kolonien, indem nach dem Überfall die Wirtskönigin getötet wird. Die Arbeiter werden hingegen versklavt. Nach deren Aussterben übernehmen dann die Arbeiter der Sozialparasiten alle Aufgaben im "Kolonialstaat". Kasten:

Ausstellungsdaten

Bis 5. Mai 2002 im Naturkundemuseum Leipzig, Lortzingstraße 3, 04105 Leipzig, Tel. (03 41) 98 22 10, Fax (03 41) 9 82 21 22

Geöffnet: dienstags bis donnerstags 9 bis 18 Uhr, freitags 9 bis 13 Uhr, sonnabends und sonntags 10 bis 16 Uhr

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