Kommentar

Anhörung zur Positivliste: Das Für und Wider

Berlin (ks). An der Einführung der Positivliste scheiden sich die Geister: Krankenkassen und Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) sehen in ihr ein taugliches Instrument der Qualitätssicherung. Apotheker, pharmazeutische Industrie und Teile der Ärzteschaft lehnen das Vorhaben ab. Bei einer Anhörung im Gesundheitsausschuss des Bundestags in der vergangen Woche wurden die Argumente erneut ausgetauscht.

Anlass der Anhörung war ein Antrag der FDP-Bundestagsfraktion, mit dem die Bundesregierung auffordert wird, die Rechtsgrundlage (§ 33a SGB V) für den Erlass einer Positivliste aufzuheben. Die FDP-Politiker sehen durch die Liste verordnungsfähiger Arzneimittel die Versorgung der Patienten mit individuell wirksamen Medikamenten gefährdet. Darüber hinaus sei die pharmazeutische Industrie von den "Unsicherheiten eines zweiten Zulassungsverfahrens" zu befreien. Die Befürworter der Positivliste versprechen sich von diesem Instrumentarium eine Verbesserung der Arzneimittelversorgung. Nicht notwendige und umstrittene Arzneimittel sollen keinen Eingang in die Liste finden und nicht mehr von der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) erstattet werden. So erhofft man sich auch Kostenersparnisse für die GKV.

Moderne Therapie auch ohne Liste

Was die umstrittenen Arzneimittel betrifft, so wies der Sachverständige Prof. Dr. Ulrich Schwabe, Vorsitzender des Instituts für Arzneimittelverordnung in der GKV und Mitherausgeber des Arzneiverordnungsreports, darauf hin, dass deren Anteil am Gesamtverordnungswert seit 1994 um 5,5 Mrd. DM auf 4 Mrd. DM zurückgegangen sei. Dies zeige, dass die Ärzteschaft es auch ohne eine Positivliste geschafft habe, die Arzneimitteltherapie zu modernisieren. Soweit den Ärzten bessere Informationen über umstrittene Arzneimittel zuteil würden, werde eine Positivliste nicht gebraucht, räumte Schwabe ein.

Besser: Negativliste erweitern

Auch die Sachverständigen der Apotheker haben ihre Zweifel an der Positivliste. Dr. Klaus G. Brauer, Mitherausgeber der Deutschen Apotheker Zeitung, ist der Überzeugung, dass durch ihre Einführung weder Qualitätsverbesserungen noch Kostenersparnisse für die GKV zu erwarten sind. Sinnvoller sei es, die Wirksamkeit, Unbedenklichkeit und Qualität von Arzneimitteln bereits im Zulassungs- bzw. Nachzulassungsverfahren sicherzustellen. Zur Einsparung von Erstattungskosten favorisiert Brauer alternative Möglichkeiten: So könnten diejenigen Indikationen, die von der Erstattung ausgeschlossen sind, vorsichtig erweitert werden und zudem neue Indikationen festgelegt werden, für die ein Kassenzuschuss von 30 bis 70 Prozent gewährt wird. Auf diese Weise würden "umstrittene" Arzneimittel nicht diskriminiert. Angesichts des Verordnungsrückgangs umstrittener Arzneimittel "löst die Positivliste ein Problem, das weitgehend nicht mehr existiert", so Brauer.

Genug Instrumentarien

Die pharmazeutische Industrie ist ebenfalls nicht gut auf die Positivliste zu sprechen: Frau Prof. Dr. Sickmüller vom Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie bemängelt, dass viele Präparate, so z. B. Antiseptika und Dermatika, keinen Eingang in die Liste gefunden hätten. Zudem, so Dr. Vorderwülbecke vom Verband der Forschenden Arzneimittelhersteller, bestünden mit dem aufwendigen deutschen Zulassungsverfahren und der Negativliste bereits wirksame Instrumentarien, Medikamente mit zweifelhafter Wirkung von der Erstattungsfähigkeit auszunehmen.

Abwehr von Patientenwünschen

Anders sieht es die KBV: Ihr Sachverständiger Dr. Bausch verwies auf gute Erfahrungen im europäischen Ausland (z. B. Dänemark, Italien und Frankreich), wo entsprechende Regelungen bereits angewendet werden. Zudem werde mit der Positivliste die Qualität der Arzneimittelversorgung verbessert: "Unsinnige Patientenwünsche" könnten unter Verweis auf die Liste verweigert werden. Arzneimittel, die nicht auf der Positivliste stehen, könnten jedoch weiterhin für Selbstmedikation eingesetzt werden. "Die GKV ist vor einer unnutzen Ausplünderung zu schützen", so Bausch.

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.