Kommentar

Börse: Auf Sand gebaut

(hps). Markttechnik ist inzwischen zu einer tragenden Säule der Aktienanalyse geworden. Das Hantieren mit Charts und Lineal findet eine große Anhängerschaft - auch und gerade in den Analyseabteilungen der großen Investmenthäuser. Ganz ohne fundamentale Beurteilung, also den Blick auf die betriebswirtschaftliche Seite des Unternehmens, kommt indes kein Analyst aus. Mit großer Skepsis muss daher der jüngste Kursaufschwung an den Börsen gesehen werden, denn die Märkte sonnen sich zwar schon im Lichte zukünftiger Gewinne, konkrete Ansatzpunkte hierfür bleibt die Weltwirtschaft aber bisher schuldig.

Microsoft: Aufschwung als Eintagsfliege?

Einen idealeren Auftakt hätten sich die Optimisten an den Börsen nicht wünschen können. Branchenprimus Microsoft überraschte am Wochenende mit guten Quartalszahlen. Es schien schon der Beweis erbracht, dass die Softwareindustrie wieder auf dem aufsteigenden Ast sei. Die Freude darüber währte aber nicht lange. Schon am Wochenende darauf ließ das Unternehmen aus dem fernen Australien vernehmen, dass es sich dabei um einen einmaligen Effekt handle. Die aktuellen Zahlen wiesen bereits wieder auf eine abflauende Tendenz hin.

Flaute beim Weihnachtsgeschäft?

Gesamtwirtschaftlich sieht es nicht besser aus. Zwar hat man über die internationalen Krisenherde momentan den Mantel des Schweigens gelegt. Dafür scheint sich jedoch in dem Verbrauchervertrauen der Amerikaner ein dramatischer Wandel zu vollziehen. Für die Importnation sank der entsprechende Index auf ein 9-Jahres-Tief. Keine gute Nachricht für das anstehende Weihnachtsgeschäft. Die Amerikaner machen sich verstärkt Sorgen um ihre Jobs und ihr Gehalt. Einen warnenden Hinweis hatte bereits die US-Autoindustrie geliefert, deren Absatzzahlen - trotz der vielen 0 %-Finanzierungsangebote - eingebrochen waren.

Amerikanische Notenbank als Rettungsanker?

Noch spekulieren viele auf eine neuerliche Zinssenkung durch die amerikanische Notenbank und versuchen damit die Kurserholung am Leben zu erhalten. Aber bei einem Zinssatz von 1,75 %, das tiefste Niveau seit 41 Jahren, gibt es nicht mehr viel zu senken. Was gleichzeitig auch bedeutet, dass offensichtlich alle bisherigen Zinssenkungsschritte völlig wirkungslos verpufft sind. Japan lässt grüßen. Denn dort ist der Konsument schon seit Jahren selbst mit einem Zinssatz knapp über 0 % nicht aus der Reserve zu locken. Ist das Vertrauen erst einmal dahin ...

Fragwürdige Ergebnisverbesserungen

Nun waren ja zweifelsohne auch einige erfreuliche Meldungen von der Unternehmensfront zu vernehmen. Nachrichten, auf die der Markt so lange gewartet hatte, die vom nahenden Aufschwung künden sollten. Sie waren die Initialzündung zur Kurserholung. Wenn man sich indes die Unternehmensergebnisse genauer ansieht, wird man feststellen, dass sie fast ausnahmslos auf Kostensenkungsmaßnahmen zurückzuführen sind. Kaum ein Unternehmen darunter, das über einen nennenswerten Umsatzanstieg berichten konnte.

Aber: Wie oft und wie tief können die Unternehmen noch die Klinge am Fettgewebe ansetzen, bis sie auf den Muskel treffen? Folgen hier nicht bald auch höhere Absatzzahlen, wird die Gewinnerhöhung sehr bald als einmaliger Effekt entlarvt werden. Natürlich werden die Optimisten den Versuch unternehmen, ihre bisher erzielten Gewinne über die Runden zu bringen - in der Hoffnung, auf kurze Sicht Rückenwind von den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu erhalten. Nach dem bisherigen Stand der Dinge sieht es danach aber leider überhaupt nicht aus. Und so ist zu befürchten, dass die Kursgewinne der letzten Wochen nicht nur wieder vollständig verloren gehen, sondern sich zudem Frustration unter den Anlegern breit macht, was den Dax dann in die Nähe von 2 400 Punkte bringen könnte.

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