Kommentar

Deutscher Apothekertag 2002: Positionsbestimmung und erneutes Angebot bekannter

Berlin (ri.) Hans-Günter Friese, Präsident der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA), bot der Politik Ų gleichgültig, wie sich das künftige Kabinett zusammensetzt Ų anlässlich der Pressekonferenz einen Tag vor Beginn des Deutschen Apothekertages am 10. Oktober 2002 die Zusammenarbeit an. Dabei wiederholte er konkrete Konzepte. Doch zunächst versuchte Friese gegenüber den anwesenden Journalisten einige Vorurteile zu widerlegen, die penetrant in den Medien zirkulieren.

Insbesondere die Behauptung, dass der Anstieg der Arzneimittelausgaben für das Halbjahresdefizit der Gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) in Höhe von 2,4 Milliarden Euro maßgeblich verantwortlich sei, wurde vom ABDA-Präsident als eine falsche Interpretation der Tatsachen decouvriert. Vielmehr seien andere Faktoren dafür verantwortlich: "So stiegen im ersten Halbjahr 2002 die Ausgaben je Mitglied für Heilmittel um 10,4 %, für die Krankenhausbehandlung um 3,6 %, für soziale Dienste/Prävention um 4,6 %, für häusliche Krankenpflege um 5,7 % sowie für die Verwaltungskosten der GKV um 4,0 %, während dagegen die beitragspflichtigen Einnahmen nur um 0,7 % angestiegen sind." Als wichtigsten Faktor, der für die GKV-Ausgaben verantwortlich sei, bezeichnete Friese neben der Arbeitslosigkeit "Maßnahmen zur Entlastung der Rister`schen Versicherungen zu Lasten der GKV." Die Summe dieser Maßnahmen belaufe sich auf 3 Milliarden Euro, ohne die die GKV eine ausgeglichene Bilanz vorweisen könne.

Der Präsident wies darauf hin, dass die Verwaltungsausgaben der GKV "riesige Einsparpotenziale" bieten, welche alleine im ersten Halbjahr dieses Jahres um 140 Millionen Euro auf mittlerweile 3,8 Milliarden Euro angewachsen sind. Während etwa in Holland nur zwei Prozent der Kasseneinnahmen auf Verwaltungskosten entfallen, sind dies in Deutschland fünf Prozent. Wären deutsche Kassen ähnlich effizient, wie die österreichischen und holländischen Kollegen, "könnten die Verwaltungsausgaben der GKV um bis zu drei Milliarden Euro jährlich abgeschmolzen werden", so Friese.

Auch die Tatsache, dass die Arzneimittelausgaben der GKV im ersten Halbjahr um 2,4 % anstiegen, wurde von Friese kritisch durchleuchtet. So konnten die Apotheker von diesem Umsatzplus nicht profitieren, da bekanntlich der Zwangsrabatt, den die Apotheker der GKV gewähren müssen, von fünf auf sechs Prozent gestiegen ist: "An dem Umsatzplus waren ausschließlich die pharmazeutischen Hersteller, der Großhandel und – über die Mehrwertsteuer – der Staat beteiligt." Friese wies auch darauf hin, dass die Arzneimittelausgabensteigerungen seit 1992 nicht mehr durch Preiserhöhungen oder Mengeneffekte verursacht worden seien, sondern durch die Strukturkomponente, also die Einführung innovativer und hochpreisiger Arzneimittel. Dieser Struktureffekt beläuft sich auf ca. ein bis zwei Milliarden Euro pro Jahr. Dass sich diese Summe nicht bei den gesamten Kosten niederschlägt, hängt mit Eingriffen der Politik zusammen, die für 2002 über eine Milliarde Euro Einsparungen zeitigen werden.

Friese rechnete anhand der bekannten Stichworte die einzelnen Komponenten zusammen. Danach wurden mit folgenden Maßnahmen die jeweils damit verbundenen Einsparergebnisse erzielt: - Absenkung der Arzneimittelfestbeträge: rund 275 Millionen Euro - Erhöhung des Zwangsrabattes: 250 Millionen Euro Einsparungen für die GKV - Sonderzahlung der Industrie erspart der GKV 200 Millionen Euro Arzneimittelausgaben - Aut-idem-Regelung erreicht sukzessive ein Sparvolumen von über 200 Millionen Euro - Importarzneimittelabgaberegelung entlastet GKV um 150 Millionen Euro Der Arzneimittelausgabenanstieg ist nach Ansicht des Präsidenten ohnehin mit einer auf das Gesamtjahr hochgerechneten "Rate von 3,3 % im Vergleich zu England (+5,4 %) oder Frankreich (+6,7 %) durchaus als moderat zu bezeichnen." Friese begnügte sich allerdings nicht alleine mit der Klarstellung einiger häufig in der Öffentlichkeit verzerrt wahrgenommener Sachverhalte, sondern wiederholte Vorschläge, die die ABDA schon in der Vergangenheit an die Adresse der Regierung gerichtet hatte.

Vorschlag 1: Weiterentwicklung der Arzneimittelpreisverordnung

Dieser Vorschlag sieht die Umgestaltung der Handelsmargen von Apotheken und Großhandel vor. Demnach sollen sie in den unteren Preisbereichen – die 90 % der Packungsmengen ausmachen – moderat angehoben werden. Im Gegenzug werden die Margen in den oberen Preisbereichen, die zehn Prozent der Packungsmengen umfassen, deutlich abgesenkt. Laut Friese werden die GKV und die PKV damit "per Saldo um 400 Millionen Euro entlastet." Unter der Voraussetzung, dass man einen Struktureffekt unterstellt, dessen durchschnittliche Größenordnung demjenigen der letzten Jahre entspricht, "fallen die Mehrausgaben der Kostenträger aufgrund der geringeren Handelsmargen im oberen Preisbereich jährlich um etwa 150 Millionen Euro niedriger aus", so der Präsident. Greifen beide Maßnahmen, werden nach Berechnungen der ABDA innerhalb einer Legislaturperiode die Kostenträger um insgesamt 3,1 Milliarden Euro entlastet. "Der volkswirtschaftliche Gesamteffekt – also die Verbilligung des Vertriebsweges – beträgt 1,5 Milliarden Euro." Der Präsident betonte, dass bei diesen Einsparkonzepten im Gegensatz zur Einführung des Versandhandels das System nicht zerstört werde und das errechnete Einsparvolumen durch keinerlei "Unwägbarkeiten" gekennzeichnet sei.

Vorschlag 2: Das Homeservice-Konzept

Der heute schon in begründeten Ausnahmefällen bereits mögliche Botendienst soll zu einem pharmazeutischen Homeservice ausgebaut werden. Friese unterstrich, dass mit diesem Konzept im Gegensatz zum Modell der Versandhandelsapotheke, das lediglich eine erweiterte Form der Logistik darstelle, mit dem Homeservice "auch apothekerliche Dienstleistungen im Rahmen von Disease-Management-Programmen und eine umfangreiche pharmazeutische Betreuung eingebracht werden." Friese betrachtet das Homeservice-Konzept auch als ein "Begehren", womit man dem Zeitgeist, der auch mehr Bequemlichkeit fordere, gerecht wird. Die so genannten Alokationskosten "will und muss der Berufsstand tragen", so der ABDA-Präsident. Die Frage eines Journalisten, inwieweit das Homeservice-Konzept gegebenenfalls als Versandhandelskonzept ausgebaut werden könnte, wies Friese als Spekulation zurück und meinte, man werde in diesem Fall mit der Versandhandelsapotheke in den Wettbewerb treten.

Nach Ansicht von Friese hat das Homeservice-Konzept dabei zwei klare Vorteile: Erstens biete es dem Patienten eine wohnortnahe, persönliche Bindung an seine Hausapotheke. Dies sei auch ein Vertrauensvorteil, da die Patienten im Gespräch mit dem pharmazeutischen Personal die entsprechende Beratung erhalte, die ein lediglich auf Logistik basierendes Konzept nicht leisten kann. Zweitens werde der Patient schon wenige Stunden – im äußersten Fall nach einem halben Tag – mit seiner per Fax, Telefon oder Internet eingegangenen Bestellung versorgt. Der Versandhandel sei dagegen in der Regel erst nach drei bis vier Tagen in der Lage, die angeforderten Präparate auszuliefern. Im Übrigen empfahl der Präsident, die Diskussion bis zum Vorliegen des Urteils des Europäischen Gerichtshofs "auf Eis zu legen." Das von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung jüngst vorgeschlagene Festzuschussmodell wurde von ABDA-Hauptgeschäftsführer Prof. Dr. Rainer Braun am Rande der Pressekonferenz als zu "rigide" eher ablehnend beurteilt.

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