Kommentar

GKV will Sofortprogramm: Kassen fordern tiefe Einschnitte bei Arzneimitteln

Stuttgart (hst) Vor dem Hintergrund des Defizits der gesetzlichen Krankenkassen von 2,5 Mrd. Euro (4,89 Mrd. DM) im ersten Halbjahr 2002 und einer tendenziell weiter sinkenden Einnahmenbasis haben die gesetzlichen Krankenkassen der Bundesregierung ein Sofortprogramm zur Stabilisierung der Ausgabenentwicklung und zur Verbesserung der Einnahmensituation vorgeschlagen. Damit sollen die bereits angekündigten Beitragserhöhungen zu Beginn des kommenden Jahres auf das unbedingt notwendige Maß begrenzt werden. Wie in der Vergangenheit wollen die Kassen wiederum vornehmlich bei den Arzneimittelausgaben sparen, hier vor allem bei den Vertriebskosten und den Ausgaben für Arzneimittel, für die bislang keine Festbeträge gelten.

In einem gemeinsamen Papier, das der DAZ-Redaktion vorliegt, schlagen die Kassenverbände folgende kurzfristig wirksamen Maßnahmen zur finanziellen Entlastung der gesetzlichen Krankenversicherung vor: - Für Arzneimittel, die nicht der Festbetragsregelung unterliegen, soll für 2003 und 2004 ein Preisstopp und eine Absenkung der Preise um 10 Prozent gelten. Erwartete Einsparung: 800 Mio. Euro. - Die Handelsspannen des pharmazeutischen Großhandels sollen um 25 Prozent abgesenkt werden. Geschätzte Einsparungen 400 Mio. Euro. - Die Aufschläge für Arzneimittel im hochpreisigen Bereich sollen gekappt werden. Mögliche Einsparungen 300 bis 500 Mio. Euro. Als Alternative zur Kappung schlagen die Kassen die Umstellung auf ein Fixzuschlagssystem vor. Die Kassen weisen ausdrücklich darauf hin, dass die Fixzuschläge entsprechend den gewünschten Einsparungen ausgestaltet werden könnten.

Nach vorläufigen Schätzungen würden allein diese drei Maßnahmen die Apotheken mit bis zu 914 Mio. Euro (1,788 Mrd. DM) belasten und zu den Einbußen infolge des Arzneimittelausgaben-Begrenzungsgesetzes (AABG) hinzukommen. Werden die Vorschläge der Kassen so umgesetzt, würde jede öffentliche Apotheke hierdurch mit durchschnittlich sage und schreibe 42.500 Euro (83150 DM) belastet. Die Schätzung geht davon aus, dass im Großhandel ansetzende Maßnahmen aufgrund des harten Wettbewerbs dort nicht aufgefangen werden können und in Form von Konditionsverschlechterungen weitgehend auf die Apotheken abgewälzt werden.

Als weitere Maßnahmen schlagen die Kassen vor: - Schaffung von Rechtssicherheit bei der Festbetragsregelung und Einschränkung der Ausnahmen von der Festbetragsregelung bei so genannten Analogpräparaten. - Wirksame Mengensteuerung durch Wiedereinführung von Budgetobergrenzen mit uneingeschränkter Honorarhaftung durch die Vertragsärzte. - Lockerung des Versandhandelsverbots: Hier seien kurzfristig Wirtschaftlichkeitsreserven von 400 Mio. Euro realisierbar. Insbesondere für die Versorgung von chronisch kranken Patienten, z.B. in Disease Management Programmen, sei, so heißt es in dem Papier, "unter Kontrolle eines Arztes ein wirtschaftlicher, qualitätsgesicherter und patientengerechter Bezugsweg zu installieren." Beobachter schließen nicht aus, dass sich hinter dieser alles andere als klaren Formulierung eine Forderung der Kassen verbergen kann, Patienten in Disease Management Programmen grundsätzlich über Versandapotheken zu versorgen. - Unverzügliches Inkraftsetzen der Positivliste und der bereits 1999 beschlossenen Neufassung der Arzneimittelrichtlinien. - Ermäßigter Mehrwertsteuersatz für Arzneimittel, was eine Entlastung von ca. 1,6 Mrd. Euro bedeuten würde. - Aufhebung der Apothekenpflicht für Impfstoffe

Weiterhin enthält das Papier Vorschläge zur Entlastung der Kassen von versicherungsfremden Leistungen, zur Stärkung der Finanzgrundlagen und zur Vermeidung einer weiteren Erosion der Beitragsgrundlagen. Eine Reihe von Indizien sprechen dafür, dass im Bundesgesundheitsministerium über ein möglichst zum 1. Januar 2003 in Kraft tretendes Vorschaltgesetz, d.h. ein Bündel von kurzfristig wirkenden Maßnahmen zur Begrenzung der Ausgabenentwicklung in der gesetzlichen Krankenversicherung, zumindest nachgedacht wird. Nach Einschätzung von Beobachtern wecken die Kassenverbände mit ihren Vorschlägen einmal mehr die unrealistische Erwartung, dass sich auf Dauer durch Einsparungen in einzelnen Segmenten immer mehr Leistungen bei gleichzeitiger Erosion der Beitragsgrundlagen finanzieren lassen.

Einen ausführlichen Bericht, welche politischen Chancen die einzelnen Maßnahmen haben könnten, lesen Sie in der nächsten Ausgabe der Deutschen Apotheker Zeitung.

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