Kommentar

Bundesverfassungsgericht: Auch Apotheken dürfen an verkaufsoffenen Sonntagen ö

Der Ausschluss der Apotheken von der Teilnahme an verkaufsoffenen Sonntagen (§ 14 Abs. 4 Ladenschlussgesetz) ist mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz) unvereinbar. Deshalb ist die Vorschrift nichtig. Dies hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts am 16. Januar entschieden (Az.: 1 BvR 1236/99). Der Senat stellt fest, dass eine Regelung, die Apotheken von der Teilnahmemöglichkeit an bis zu vier verkaufsoffenen Sonntagen ausschließt, unverhältnismäßig stark in die grundrechtlich geschützte Berufsfreiheit eingreift.

Die Karlsruher Richter gaben damit der Ettlinger Apothekerin Karin Enderle Recht, die Verfassungsbeschwerde gegen ein Urteil des Bezirksberufsgerichts und des Landesberufsgerichts für Apotheker in Karlsruhe erhoben hatte. Die Apothekenleiterin war in zwei Instanzen zu einer Geldbuße in Höhe von DM 1000,- verurteilt worden, weil sie ihre Apotheke an einem verkaufsoffenen Sonntag geöffnet hatte. Durch das Urteil sah sich die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht auf Berufsfreiheit und Gleichbehandlung verletzt. Es gebe keinen rechtfertigenden Grund dafür, Apotheken die Beteiligung an verkaufsoffenen Sonn- und Feiertagen zu verweigern.

Arbeitnehmerschutz kann Öffnungsverbot nicht rechtfertigen

Dieser Rechtsauffassung schloss sich das Bundesverfassungsgericht in seinem nunmehr veröffentlichten Urteil an. In ihrer Entscheidung führten die Karlsruher Richter aus, dass das ladenschlussrechtliche Verbot der Teilnahme an verkaufsoffenen Sonntagen, die an höchstens vier Wochenenden im Jahr stattfinden, auch im Hinblick auf anerkannte „Gemeinschaftsbelange“ wie den Schutz der Apothekenmitarbeiter vor übermäßiger Arbeitsüberlastung nicht gerechtfertigt sei. Die Gefahr, dass Angestellte in der Apotheke durch eine zusätzliche Tätigkeit von maximal vier verkaufsoffenen Sonn- oder Feiertagen im Jahr übermäßig beansprucht würden, sahen die Richter im Hinblick auf bestehende arbeitszeitgesetzliche und tarifrechtliche Regelungen nicht. An verkaufsoffenen Sonntagen dürften Apotheken nämlich ohnehin nur fünf Stunden geöffnet sein; außerdem müssten sie an vorhergehenden Samstagen schon um 14 Uhr statt um 16 Uhr schließen. Letztlich gehe es also lediglich um drei zusätzliche Arbeitsstunden an höchstens vier Wochenenden im Jahr. Vor diesem Hintergrund sei nicht erkennbar, dass eine dem Apotheker freigestellte Teilnahme an verkaufsoffenen Sonntagen eine „Gefährdung der Arzneimittelversorgung durch überbeanspruchtes pharmazeutisches Personal verursachen könnte“.

Auch Apotheken stehen im Wettbewerb

Auch sei nicht ersichtlich, dass der Ausschluss der Apotheken von der Teilnahme an verkaufsoffenen Sonntagen aus sonstigen überwiegenden Gründen des Gemeinwohls gerechtfertigt wäre. Während andere Geschäftsinhaber selbst entscheiden können, ob die Kosten und personalabhängigen Organisationsmaßnahmen eine Sonntagsöffnung rechtfertigen, blieb bisher diese Entscheidung den Apothekern verwehrt. Bei einer Abwägung zwischen den Interessen der Gemeinschaft an Arbeitsschutz für die Apothekenangestellten und den Interessen von Apothekenleitern, an verkaufsoffenen Sonntagen teilnehmen zu dürfen, müsse letzteren der Vorrang gegeben werden. Leistungsbereitschaft und Kundenorientierung seien wesentliche Werbe- und Marketingstrategien für den Apotheker, mit denen in berufsangemessener Weise um das Vertrauen der Bevölkerung geworben werde. Die Beschwerdeführerin habe nachvollziehbar darauf hingewiesen, dass die Teilnahme an der Sonntagsöffnung nicht nur um des konkret erzielten Umsatzes willen angezeigt sei. Eine Verweigerung würde vielmehr „das Vorurteil bestätigen, dass Apotheker angesichts hoher Gewinnspannen Kundenfreundlichkeit nicht nötig hätten“. Schließlich sei auch zu bedenken, dass sich Apotheken im Wettbewerb mit Verkaufsstellen im unmittelbaren Umfeld und mit benachbarten Apotheken behaupten müssten. Vor diesem Hintergrund seien keine Gemeinwohlbelange ersichtlich, „die von solcher Bedeutung wären, dass der Gesetzgeber es nicht der Entschließung des einzelnen Apothekers überlassen könnte, ob dieser an einem verkaufsoffenen Sonntag teilnimmt“.

Mit seiner Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht die beiden berufsgerichtlichen Verurteilungen der Beschwerdeführerin aufgehoben und § 14 Abs. 4 Ladenschlussgesetz für nichtig erklärt.

Ladenschlussgesetz § 4 Apotheken (1) Abweichend von den Vorschriften des § 3 dürfen Apotheken an allen Tagen während des ganzen Tages geöffnet sein. An Werktagen während der allgemeinen Ladenschlusszeiten (§ 3) und an Sonn- und Feiertagen ist nur die Abgabe von Arznei-, Krankenpflege-, Säuglingspflege- und Säuglingsnährmitteln, hygienischen Artikeln sowie Desinfektionsmitteln gestattet. (2) Die nach Landesrecht zuständige Verwaltungsbehörde hat für eine Gemeinde oder für benachbarte Gemeinden mit mehreren Apotheken anzuordnen, dass während der allgemeinen Ladenschlusszeiten (§ 3), und darüber hinaus montags bis sonnabends von sieben bis acht Uhr, abwechselnd ein Teil der Apotheken geschlossen sein muss. An den geschlossenen Apotheken ist an sichtbarer Stelle ein Aushang anzubringen, der die zur Zeit offenen Apotheken bekanntgibt. Dienstbereitschaft der Apotheken steht der Offenhaltung gleich. § 14 Weitere Verkaufssonntage (1) Abweichend von der Vorschrift des § 3 Abs. 1 Nr. 1 dürfen Verkaufsstellen aus Anlass von Märkten, Messen oder ähnlichen Veranstaltungen an jährlich höchstens vier Sonn- und Feiertagen geöffnet sein. Wird hiervon Gebrauch gemacht, so müssen die offenen Verkaufsstellen an den jeweils vorausgehenden Sonnabenden ab 14 Uhr geschlossen werden. Diese Tage werden von den Landesregierungen oder den von ihnen bestimmten Stellen durch Rechtsverordnung freigegeben. (2) Bei der Freigabe kann die Offenhaltung auf bestimmte Bezirke und Handelszweige beschränkt werden. Der Zeitraum, während dessen die Verkaufsstellen geöffnet sein dürfen, ist anzugeben. Er darf fünf zusammenhängende Stunden nicht überschreiten, muss spätestens um achtzehn Uhr enden und soll außerhalb der Zeit des Hauptgottesdienstes liegen. (3) Sonn- und Feiertage im Dezember dürfen nicht freigegeben werden. In Orten, für die eine Regelung nach § 10 Abs. 1 Satz 1 getroffen ist, dürfen Sonn- und Feiertage nach Absatz 1 nur freigegeben werden, soweit die Zahl dieser Tage zusammen mit den nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 freigegebenen Sonn- und Feiertagen zweiundzwanzig nicht übersteigt. (4) Für Apotheken bleibt es bei den Vorschriften des § 4.

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.