Kommentar

Bundesverband der Betriebskrankenkassen: BKK-Chef fordert Ersatz für weggefalle

Berlin (ks). Für die Krankenkassen gibt es keinen Zweifel: Arzneimittel und die Ärzte, die sie verordnen, sind schuld an der Finanzmisere der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Trotz der Vereinbarung zwischen Krankenkassen und Kassenärztlicher Bundesvereinigung, die Ausgaben für Medikamente in diesem Jahr um 4,7 Prozent zu senken, sind diese im ersten Halbjahr 2002 um 3,9 Prozent gestiegen. "Offensichtlich reicht es nicht, auf die freiwillige Vereinbarung mit der Ärzteschaft zu vertrauen" erklärte der Vorstandsvorsitzende des Bundesverbands der Betriebskrankenkassen Wolfgang Schmeinck am 18. September in Berlin.

Dank des Arzneimittel-Sparpakets der Bundesregierung erwarten die Betriebskrankenkassen (BKKen) für das gesamte Jahr 2002 einen Anstieg der Arzneimittelausgaben von "nur" rund 5,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Ohne die Spargesetze wäre mit einem Anstieg von rund 9 Prozent zu rechnen gewesen, so Schmeinck. Mit der neuen Aut-idem-Regelung seien etwa 45 Mio. Euro eingespart worden. Erhofft hatte man mehr - doch diese Erwartungen machten zwielichtige Preisfestsetzungsmethoden der Hersteller zunichte: Rund die Hälfte der Drittel-Preislinien seien durch so genannte "Dummypräparate" nach oben verschoben worden, erklärte Schmeinck.

Sparen mit Versandhandel

Mit dem Wegfall der Arzneimittelbudgets hätten sich somit "alle Befürchtungen der Krankenkassen bewahrheitet". Da auch dem erklärten Sparwillen der Ärzte nicht getraut werden könne, müsse über neue Begrenzungsformen nachgedacht werden. Eine neue Art von Budget - mit neuem Namen - müsse kommen, so der BKK-Chef. Konkrete Vorstellungen darüber, wie dies aussehen soll, existieren allerdings noch nicht. Und so sollen zunächst andere strukturelle Veränderungen die Kosten dämpfen: Etwa die Zulassung des Versandhandels mit Arzneimitteln: Dieser ist laut Schmeinck "ein gutes Instrument, die Vertriebskosten in den Griff zu bekommen". Schon jetzt glaube niemand mehr ernsthaft, dass die Erlaubnis des Versandhandels zur Qualitätsproblemen in der Arzneimittelversorgung führen würde, behauptet er. Allerdings würde er als Vorsitzender des BKK-Bundesverbands keiner Kasse ausdrücklich raten, die Kosten für bei DocMorris erstandene Arzneimittel zu erstatten. Er "würde zwar gerne" - doch er möchte "nicht riskieren, dass die BKKen in Dilemma kommen" - mit entsprechenden haftungsrechtliche Konsequenzen.

Kassenbeiträge werden dieses Jahr noch steigen

Weiterhin sollen Positivliste, neue rechtssichere Richtlinien und langfristig auch das elektronische Rezept für sinkende Ausgaben sorgen. Von "mehr Geld im System" hält Schmeinck hingegen nichts: dies würde ohne strukturelle Veränderungen "schlicht versickern". Für diese Jahr prognostiziert der BKK-Chef aber weiter steigende Kassenbeiträge. Auch die vergleichsweise noch günstigen Betriebskrankenkassen, deren durchschnittlicher Beitragssatz zur Zeit bei 13,1 Prozent liegt, werden voraussichtlich bis zum Jahresende auf 13,3 bis 13,4 Prozent hochgehen müssen. Hier seien allerdings weniger die steigenden Arzneimittelausgaben ursächlich, als vielmehr die hohen Ausgleichzahlungen, die im Rahmen des Risikostrukturausgleichs auf die BKKen zukommen, so Schmeinck.

Kritik von der Pharmaindustrie

Der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) bezeichnete die Äußerungen Schmeincks als "unverantwortliche Panikmache". BPI-Hauptgeschäftsführer Henning Fahrenkamp mag es nicht mehr hören, dass Arzneimittel, die etwa 15,5 Prozent der GKV-Gesamtausgaben ausmachen, stets so dargestellt werden, als verschlängen sie das meiste Geld. "Über die anderen 84,5 Prozent denkt man vergleichsweise wenig nach", so Fahrenkamp. Besonders wenig Verständnis kann der BPI für die Einspar-Visionen des BKK-BV durch die Positivliste aufbringen: wer daran glaube erweise sich als der "letzte Mohikaner auf diesem Irrpfad".

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.