Kommentar

GKV-Finanzentwicklung: Sparpaket zeigt Wirkung bei Arzneimittelausgaben

Die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) hat im ersten Quartal 2002 ein Defizit von 860 Mio. Euro erzielt. Die Ausgaben für Arzneimittel sind in dieser Zeit um 2,5 Prozent angestiegen. Diese im Vergleich zum Vorjahr geringe Erhöhung führt Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt auf den Erfolg ihres Arzneimittelsparpakets zurück. Dass die Ausgaben nicht noch weiter zurück geschraubt werden konnten, erklärt die Ministerin damit, dass einige der Sparinstrumente erst in der zweiten Jahreshälfte Wirkung zeigen könnten.

Im ersten Quartal 2001 lag das Kassendefizit noch bei rund 1,14 Mrd. Euro. In den ersten drei Monaten des laufenden Jahres sind die Ausgaben der GKV im Vergleich zum Vorjahr um 900 Mio. Euro auf 34,3 Mrd. Euro angestiegen – insofern, so Schmidt, seien Behauptungen, die Leistungen würden schlechter und die medizinische Versorgung der Patienten würde eingeschränkt, "in keiner Weise nachvollziehbar". Das Problem seien nicht mangelnde Finanzen sondern mangelnde Qualität im Gesundheitswesen. Auch wenn die auf durchschnittlich 13,99 Prozent angestiegenen Beitragssätze noch kein ausgeglichenes Ergebnis bewirken konnten, ist Schmidt optimistisch, dass sich dieses im Jahresverlauf einstellen wird. Die Ministerin hat stets Argumente parat, weshalb sich die Situation entspannen wird: Die erst kürzlich ausgehandelten Tarifabschlüsse, die den Arbeitnehmern drei bis vier Prozent mehr Lohn bescheren werden, können erst im zweiten Quartal ihre Wirkung bei den GKV-Einnahmen zeigen. Zudem sei zu berücksichtigen, dass es im ersten Quartal keine Einmalzahlungen wie Urlaubs- oder Weihnachtsgeld gebe.

Arzneisparpaket wird erst ab Juli voll wirken

Die Arzneimittelausgaben sind in den ersten drei Monaten dieses Jahres weniger stark angestiegen als noch im letzten Jahr: Im Januar lag der Zuwachs bei 5,5 Prozent, im Februar bei 6,6 Prozent und im März bei 0,3 Prozent. Das Arzneimittelausgaben-Begrenzungsgesetz (AABG) hat es möglich gemacht, so die Ministerin: 205 Mio. Euro haben die Forschenden Arzneimittelhersteller an die GKV gezahlt, der auf sechs Prozent angehobene Apothekenrabatt fließt seit dem 1. Februar dieses Jahres. Schmidt ist zuversichtlich, dass noch mehr einzusparen ist. Einige Instrumente des Sparpakets werden ohnehin erst ab dem 1. Juli ihre Wirkung entfalten. Dann wird das untere Preisdrittel festgesetzt sein und aut idem richtig zur Geltung kommen. Viele Hersteller haben bereits angekündigt, ihre Preise deutlich senken zu wollen. Schmidt rechnet auch damit, dass im Juli die ersten Vorschläge zu Analog-Arzneimitteln, die keinen therapeutischen Zusatznutzen aufweisen, vorliegen werden. Hielten sich die Steigerungsraten bis März noch in Grenzen, so sieht es im April weniger rosig aus: gegenüber dem Vorjahr ist hier ein Ausgaben-Plus von 13,2 Prozent für Medikamente zu verzeichnen. Schmidt will nun prüfen, ob es sich dabei um einen "Ausrutscher" handelt. Möglicherweise sei eine Erkältungswelle und eine vermehrte Verordnung von Antiallergika ursächlich für den Anstieg.

ABDA: keine Ausgabenexplosion

Rainer Braun, Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung deutscher Apothekerverbände (ABDA) erklärte, von einer "Ausgabenexplosion" bei den Arzneimittelausgaben könne nicht gesprochen werden. Der Anstieg sei ausschließlich auf die vermehrte Verordnung teurer Innovationen zurück zu führen, da weder die Arzneimittelpreise noch die Zahl der verordneten Arzneimittelpackungen gestiegen seien. Auch Braun ist sicher, dass sich die Wirkungen des Arzneimittelsparpakets erst in der zweiten Jahreshälfte voll bemerkbar machen werden. Allein der erhöhte Apothekenrabatt werde die Krankenkassen 2002 um voraussichtlich 250 Mio. Euro entlasten. Die neue Aut-idem-Regelung werde zu jährlichen Einsparungen in gleicher Höhe führen.

Seehofer: Notsituation

Wenige Stunden vor der offiziellen Bekanntgabe der GKV-Finanzdaten durch die Ministerin am 5. Juni hatte der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagfraktion Horst Seehofer die "umgehende Einberufung der Konzertierten Aktion im Gesundheitswesen" gefordert. Dies wäre in einer solchen "Notsituation die richtige Antwort, um kurzfristig eine finanzielle Katastrophe der GKV abzuwenden", so der Ex-Gesundheitsminister. Schmidt wies hingegen den Vorwurf, die Krankenkassen befänden sich in einer bedrohlichen Notsituation, zurück. Zu Seehofers Zeiten als Gesundheitsminister habe es viel höhere Beitragssatzsteigerungen gegeben.

Krankenkassen: keine Entwarnung bei Arzneimitteln

Die Spitzenverbände der Krankenkassen äußerten, die 2,5-prozentige Steigerungsrate bei den Arzneimitteln sei "nach wie vor besorgniserregend". In einer gemeinsamen Presseerklärung warfen sie den Ärzten vor, es deute nichts darauf hin, dass diese ihre vertragliche Zusicherung, die Arzneimittelausgaben im laufenden Jahr um fünf Prozent (1 Mrd. Euro) zu senken, einhielten. Auch die vom Bundesgesundheitsministerium erhofften Einspareffekte durch das AABG in Höhe von 1 bis 1,3 Mrd. Euro würden nicht erreicht und selbst die eigenen vorsichtigeren Kalkulationen der Kassen, die von Einsparungen von 500 bis 600 Mio. Euro ausgingen, hätten sich als "Seifenblase" erwiesen.

Übrigens: Die Verwaltungskosten der Krankenkassen sind im ersten Quartal 2002 um 4,6 Prozent angestiegen. Die Kassen hatten der Ministerin ihrerseits versprochen, ein besseres Management zu etablieren. Noch wartet Schmidt auf ein Begründung, warum dies nicht gelungen ist.

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.