Randnotitz

Randnotiz: Vorgeführt und abgeurteilt

...so habe ich mich stellvertretend für alle Kolleginnen und Kollegen gefühlt, als ich am Dienstagabend vergangener Woche vor dem Fernseher saß. Das ARD-Magazin "plusminus" bestätigte die gängigen Vorurteile unserer Kritiker: Beratung in der Apotheke? Fehlanzeige! Es geht doch sowieso nur ums Geld, wenn Apotheker massiv gegen Versand- und Internethandel argumentieren. Keinem Zuschauer ist zu verdenken, wenn er die Botschaft so glaubt, wie sie dargestellt wurde. Und wir müssen uns schon an die eigene Nase fassen: Was machen wir falsch, was haben wir jahrzehntelang falsch gemacht, um scheinbar so nutzlos für die Gesellschaft dazustehen? Warum geben wir unseren Kritikern so viel Macht, indem wir immer wieder das Beratungs-Credo "um jeden Preis" herunterbeten?

Zu Recht hat der Gesetzgeber den Pflichthinweis "Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker" geschaffen. Wer diesen Satz aufmerksam liest oder hört, kann nicht abstreiten: der Verbraucher selbst ist in der Pflicht, zu fragen - oder auch nicht. Es kann keinen Beratungs- und Aufklärungszwang geben. Genauso wenig kann die Apotheke die Rolle einer "Gesundheitspolizei" spielen. Man müsste unsere Kritiker einmal fragen: Was würden Sie als Verbraucher wirklich empfinden, wenn Sie beim Kauf eines Schnupfenmittels unvermittelt auf die Gefahr von Herzrhythmusstörungen oder eines zerstörten Flimmerepithels hingewiesen würden?

Würde sich der Kunde nicht zu Recht in die Enge getrieben fühlen, wenn er sich zunächst glaubwürdig als Nicht-Hypertoniker, Nicht-MAO-Hemmer-Schlucker, Nicht-Hyperthyreose- oder Glaukompatient "outen" müsste, bevor wir ihm oberlehrerhaft ein Schnupfenspray verkaufen? Und was machen wir überhaupt mit den Kundinnen und Kunden, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind? Jede Abgabe für die Selbstmedikation verweigern - soll der Arzt doch Fremdsprachen lernen!?

Im Übrigen weiß jeder: Umfrageergebnisse wie das im ARD-Magazin präsentierte lassen sich natürlich abhängig von der Erwartungshaltung der "Macher" beliebig produzieren. Ein Testkäufer, der seine Beratungsunwilligkeit durch Körpersprache unterstreicht, dem Kommunikations-Unlust auf der Stirn geschrieben steht, wird genau das bekommen, was er wünscht: Er wird in Ruhe gelassen und bekommt das verlangte Produkt. Insofern kann man das aktuelle Umfrageergebnis auch für die Apotheke positiv interpretieren: Es spricht für viel Einfühlungsvermögen, ja sogar Empathie, eiligen und einer Beratung gegenüber negativ eingestellten Menschen keine Belehrung aufzuzwingen.

Und noch etwas: Dass der in der ARD-Sendung vorgeführte, "vorbildliche" Online-Apotheker von der Verwendung des Nasensprays letztlich nur abraten muss, ist doch nur logisch: Wie ließen sich die Versandkosten für so ein preisgünstiges Präparat wohl rechtfertigen?

Also: Alles eine Frage der Perspektive und der inneren Erwartungshaltung! Doch was nützt uns diese Einsicht, wenn alle gegen uns sind? Auf keinen Fall dürfen wir uns als Opfer fühlen - das wäre der Anfang vom Ende. Vielmehr schließe ich mich dem Aufruf des Kollegen Lutz Bäucker in der letzten Ausgabe der DAZ an: Offensive ist angesagt! Es ist zwei vor Zwölf und die Uhr tickt mit aller Macht! Wir brauchen Mut zu unkonventionellen Aktionen.

Reinhild Berger

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