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Bundesverfassungsgericht: Wer darf die Festbeträge festsetzen?

Karlsruhe (ks). Vor dem Bundesverfassungsgericht hat am 19. März die Verhandlung über drei Vorlagebeschlüsse des Bundessozialgerichts (BSG) zum Thema "Festbeträge" begonnen. Die Verfassungsrichter haben darüber zu befinden, ob die Regelungen des Sozialgesetzbuchs V (SGB V), nach denen die Spitzenverbände der Krankenkassen ermächtigt werden, Festbeträge für Arznei- und Hilfsmittel festzulegen, mit dem Grundgesetz vereinbar sind.

Kläger in den Ausgangsverfahren sind ein pharmazeutisches Unternehmen, ein Hörgeräteakustiker, eine Versicherte und verschiedene Optiker. Das Bundesverfassungsgericht hat zu klären, ob die Festbeträge von den Spitzenverbänden der Krankenkassen oder aber durch den Gesetzgeber festzulegen sind. Die §§ 35, 36 SGB V weisen diese Aufgabe derzeit den Spitzenverbänden zu.

Bei Arzneimitteln geschieht dies, nachdem zuvor der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen eine entsprechende Gruppenbildung vorgenommen hat. Nach Auffassung des BSG verstoßen diese Vorschriften gegen die Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit und Demokratie sowie das Grundrecht der Berufsfreiheit. Zudem müssten die Festbeträge als Rechtsverordnung mit entsprechend konkreten Vorgaben durch den Gesetzgeber erlassen werden, so die Sozialrichter. Keinesfalls dürfe die Festbetragsregelung, die in die Grundrechte der Arzneimittelhersteller und der Leistungserbringer für Hilfsmittel eingreife, den Krankenkassen überlassen bleiben.

Ganz anders sehen das die Spitzenverbände: Sie sehen sich in korrekter Weise durch das Gesetz zur Festlegung der Festbeträge ermächtigt. Die Selbstverwaltung mit ihrem vereinten Sachverstand von Ärzten und Kassen sei durchaus in der Lage, mit Hilfe der Festbeträge ein ausgewogenes Verhältnis zwischen dem Interesse der Patienten an einer umfassenden Arzneimittelversorgung und dem Interesse der Beitragszahler an Wirtschaftlichkeit zu schaffen. In einer gemeinsamen Pressemitteilung der Spitzenverbände heißt es, eine staatliche Regulierung würde das Selbstverwaltungsrecht als essentielles und konstitutives Element des deutschen Gesundheitswesens aushöhlen und die Steuerungsmöglichkeiten der Selbstverwaltung massiv beeinträchtigen.

Die Hersteller verstehen die Festbeträge hingegen als Eingriff in die freie Preisbildung der Unternehmen. Die Festlegung der Festbeträge erfolgten nach einem Sparziel und nicht nach den tatsächlichen Marktpreisen. Insbesondere bei Brillen und Hörgeräten lägen die Festbeträge deutlich unter den Marktpreisen, sodass Patienten hohe Zuzahlungen leisten müssten. Thomas Hummels, Geschäftsführer des Deutschen Generikaverbandes, äußerte am Rande des Verfahrens, dass Festbeträge generell weder von den Krankenkassen noch vom Gesetzgeber verfassungskonform festgelegt werden könnten. Sie seien wettbewerbswidrig und dienten nicht dazu, sachgerecht Kosten im Gesundheitswesen einzusparen.

Auch der Europäische Gerichtshof befasst sich derzeit mit den deutschen Festbeträgen. Hier geht es darum, ob die Ermächtigung der Krankenkassen zur Festbetragsfestsetzung gegen europäisches Kartellrecht verstößt. So waren es auch kartellrechtliche Bedenken, die den Bundesgesetzgeber im letzten Jahr veranlassten, eine weitere Absenkung der Festbeträge vorübergehend per Rechtsverordnung zu regeln, bis in diesem Punkt Rechtsklarheit herrscht. Die Entscheidung der Gerichte wird allerdings noch einige Wochen, wenn nicht Monate, auf sich warten lassen.

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