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Kassenärztliche Bundesvereinigung: Neue Vorschläge – wie Ärzte bei Arzn

Y BONN (im). Die Mediziner schlagen der Politik vor, bei den Distributionskosten für Arzneimittel zu sparen. Ihrer Meinung nach müsse auch die Preisbildung bei patentgeschützten Medikamenten nach unten geregelt werden. In den Mitte vergangener Woche bekannt gewordenen neuen Eckpunkten skizzieren sie darüber hinaus, wie die "unzumutbaren" Arzneimittelbudgets durch ein neues Instrument (Richtgrößen) abgelöst werden könnten.

Die Ärzte haben Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt am 14. Februar weitreichende Vorschläge zur Begrenzung der Arzneimittelausgaben in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) unterbreitet. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung, die Vertretung der rund 110000 niedergelassenen Ärzte, forderte in einem Brief an Ulla Schmidt neue Rahmenbedingungen für die Arzneiversorgung. Die Politik dürfe die Mediziner nicht länger mit dem Problem der Ausgabensteuerung in diesem Sektor allein lassen.

Zu viele Zuzahlungsbefreiungen

In den Schreiben äußerte sich KBV-Chef Dr. Manfred Richter-Reichhelm besorgt über die Zuzahlungsbefreiungen aufgrund der Härtefallregelung, die inzwischen bei über 50 Prozent lägen. Wörtlich heißt es weiter: "Die Distributionskosten im Rahmen der Arzneimittelpreisbildung sind zu überprüfen." Konkret wird zudem das Einräumen eines Festzuschusses für die Versicherten in Höhe des unteren Preisdrittels des Marktes anstelle der bisherigen Festbetragsregelung vorgeschlagen. Eindeutig ausgeschlossene Medikamente dürften die Krankenkassen den Apotheken nicht mehr länger vergüten.

Außerdem sollten so genannte Bagatellarzneimittel eindeutig ausgeschlossen werden. Der Ärztevertreter fordert zudem Rechtssicherheit bei den Festbeträgen und den Arzneimittel-Richtlinien sowie Klarheit für Mediziner darüber, welche Medikamente zu Lasten der Krankenkassen verordnet werden dürften und welche nicht.

Insgesamt erklärte Richter-Reichhelm die Bereitschaft der Ärzte, im Rahmen ihrer Zuständigkeit die Verantwortung für eine wirtschaftliche Arzneimittelversorgung zu übernehmen. Dazu wollten die Ärzte mit den Kassen eine Empfehlung für ein Datenmanagementkonzept abschließen und die Pharmakotherapieberatung von Medizinern intensivieren.

Bedingung: Budgets müssen weg

Voraussetzung dafür sei die Abschaffung der verfassungswidrigen Kollektivhaftung der Kassenärzte für die Einhaltung der Arzneibudgets und deren Ablösung durch Richtgrößen. Dadurch müsse gleichzeitig die individuelle Verantwortung jedes einzelnen Arztes für sein Verordnungsverhalten gestärkt werden. Nur so könnten die noch vorhandenen Einsparmöglichkeiten in der Arzneimittelversorgung genutzt werden. Weiteres Sparen sei angesichts notwendiger, aber teurer Innovationen auf dem Arzneimarkt unabdingbar. Kostenschübe in der GKV durch Neuerungen in den nächsten Jahren seien absehbar und unvermeidbar.

Versorgungsbedarf im Fokus

In ihren neuen Eckpunkten heben die Ärzte hervor, dass für sie der wissenschaftlich-medizinische Versorgungsbedarf der Bevölkerung im Mittelpunkt der Weiterentwicklung der Arznei-, Verband- und Heilmittelversorgung stehe. Rationale Arzneimittelpolitik erfordere anreizgesteuerte Konzepte, die die Verantwortung bei dem zusammenführe, der sie tragen könne, im Klartext bei den Medizinern selbst.

Neue Rahmenbedingungen

Konkret fordert die KBV diese Veränderungen:

  • Anstelle der bisherigen Festbetragsregelung solle dem Versicherten ein Festzuschuss in Höhe des unteren Preisdrittels des Marktes eingeräumt werden, was zugleich die aktuellen rechtlichen Schwierigkeiten beseitige.
  • Rechtlich eindeutig ausgeschlossene Arzneimittel (etwa die der Negativliste) dürften die Krankenkassen den Apotheken nicht vergüten. Darüber hinaus müsse ein eindeutiger Ausschluss auch von so genannten Bagatellarzneimitteln (nach § 34 Absatz 1 Sozialgesetzbuch V) erfolgen.
  • Es müssten eindeutige Rechtsgrundlagen für die Definition der Leistungspflicht in den Arzneimittel-Richtlinien und für die Pharmakotherapieberatung geschaffen werden.
  • Die Härtefallregelung bei den Zuzahlungen und deren Anwendung durch die Krankenkassen müsse angesichts der Befreiung von mittlerweile mehr als 50 Prozent der Versicherten überprüft werden.
  • Die Distributionskosten im Rahmen der Arzneimittelpreisbildung sollten überprüft werden.
  • Die Mehrwertsteuer sei auf europäisches Niveau abzusenken.
  • Neuzulassungen von Medikamenten sollten von deren therapeutischem Zusatznutzen abhängig gemacht werden.
  • Die Preisbildung patentgeschützter Medikamente müsste an die Finanzierungsmöglichkeiten der Krankenkassen angepasst werden. Das bedeutet nichts anderes als eine Absenkung der Preise.

Valide Daten nötig

Für ein gutes Datenmanagementkonzept seien zeitnah gelieferte, valide Daten durch die Krankenkassen für die Bundes-, Landes-, und Arztebene wichtig, vertritt die KBV. Hier müssten die Krankenkassen noch nachbessern.

Notwendig für eine rationale Arzneimitteltherapie seien zum Beispiel eine Pharmakotherapieberatung der Ärzte durch ihre Kassenärztliche Vereinigung (KV) oder die Krankenkassen sowie Qualitätszirkel.

Das Verordnungsgeschehen solle auf KV-Ebene, der individuellen Arztebene und für evidenzbasierte Behandlungen chronischer Erkrankungen (etwa Hochdruck oder AIDS) durch vergleichende Analysen bewertet werden. Neben kollektiven Versorgungszielen – genannt wurden hier die Stichworte Arzneimittel der Negativliste, "umstrittene" Medikamente, Generikaanteil an der Versorgung und Anteil von "Me-too-Präparaten" sowie Strukturverträge – solle es künftig individuelle Zielvereinbarungen für das Verschreibungsverhalten des einzelnen Arztes geben, die sich an Leitlinien orientieren müssten und die Morbidität berücksichtigen sollten.

Das Richtgrößenkonzept

Wie die Ärzte schreiben, sollten auch beim Wegfall der Kollektivhaftung zunächst die bestehenden Richtgrößenvereinbarungen angewendet werden. Schrittweise müsse man dann zu einem morbiditätsbezogenen Richtgrößenkonzept kommen.

In einer ersten Stufe sollten Listen für unabweislich verordnungsfähige Wirkstoffe erstellt werden sowie von Indikationsgebieten, bei denen die Arzneimittelverordnungen regelmäßig vom Durchschnitt abwichen (so genannte Praxisbesonderheiten). Das Volumen dieser Arzneimittel müsse zwingend als medizinisch erforderlicher Versorgungsbedarf anerkannt werden. In einer zweiten Stufe müssten dann Richtgrößen, leitliniengestützte Verordnungen und Strukturverträge mit Therapiezielen entwickelt werden.

Die niedergelassenen Mediziner schlagen darüber hinaus eine Arzneimittel-Orientierungsgröße als prospektiven Maßstab für den Versorgungsbedarf in einer Region vor. In dieser Kennzahl sollten Zahl, Altersstruktur der Versicherten, Veränderungen bei den Arzneipreisen, Änderungen beim Leistungskatalog der Kassen, Wirtschaftlichkeitsreserven und Innovationen sowie die Entwicklung der Morbidität der Versicherten einfließen.

Die Mediziner schlagen der Politik vor, bei den Distributionskosten für Arzneimittel zu sparen. Ihrer Meinung nach müsse auch die Preisbildung bei patentgeschützten Medikamenten nach unten geregelt werden. In den Mitte vergangener Woche bekannt gewordenen neuen Eckpunkten skizzieren sie darüber hinaus, wie die "unzumutbaren" Arzneimittelbudgets durch ein neues Instrument (Richtgrößen) abgelöst werden könnten.

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