Pharmazeutisches Recht

Arzneimittelrisiko BSE

Bekanntmachung über die Zulassung und Registrierung von Arzneimitteln - Abwehr von Arzneimittelrisiken, Stufe II (Fertigarzneimittel, die in die Zuständigkeit des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte fallen und Körperbestandteile vom Rind enthalten)

Vom 29. Januar 2001 (aus BAnz. Nr. 23 vom 2. Februar 2001, Seite 1582)

Nachdem im Rahmen der Bekanntmachungen des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte vom 25. September 1995 (BAnz. S. 11604), geändert durch Widerspruchsbescheid vom 4. Juli 1996, 28. März 1996 (BAnz. S. 4158) und 8.September 1997 (BAnz. S. 11949), bereits umfassende Maßnahmen für Arzneimittel aus Materialien bovinen Ursprungs angeordnet wurden, hält das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte es für erforderlich, dass diese an die aktuelle Situation angepasst werden. Im Einzelnen ist vorgesehen, kurzfristig folgende ergänzende Maßnahmen anzuordnen:

1. Die Zulassung/Registrierung von Arzneimitteln, die Stoffe enthalten, die aus Darm (vom Duodenum bis zum Rektum) vom Rind jeden Alters hergestellt werden, wird mit sofortiger Wirkung widerrufen.

2. Die Zulassung/Registrierung von Arzneimitteln, die Stoffe enthalten, welche aus irgendeinem Bestandteil des Kopfes exklusive Zunge, jedoch inklusive Hirn, Augen, Trigeminalganglien und Tonsillen oder aus Rückenmark, Thymusdrüse oder Milz vom Rind hergestellt werden, wird grundsätzlich widerrufen, soweit die genannten Ausgangsstoffe nicht für die Herstellung von Arzneimitteln erforderlich sind, die bis auf Weiteres für die Versorgung bestimmter Patienten oder Patientengruppen unverzichtbar sind. Es ist vorgesehen, diese Umstellung mit einer Frist von drei Monaten anzuordnen.

3. Die Zulassung/Registrierung von Arzneimitteln, die von den o.g. Bescheiden betroffen waren und aufgrund der Neubewertung der Länderkategorien eine Punktzahl von 20 nicht mehr erreichen, wird mit sofortiger Wirkung widerrufen.

Die betroffenen pharmazeutischen Unternehmer erhalten hiermit Gelegenheit, zu den vorgesehenen Maßnahmen innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe dieser Mitteilung im Bundesanzeiger Stellung zu nehmen.

Begründung: Rechtsgrundlage für die vorgesehene Anordnung ist § 30 Abs. 1 in Verbindung mit § 25 Bs. 2 Nr. 1 und 5 des Arzneimittelgesetzes (AMG) sowie § 39 Abs. Nr. 3 und 4 AMG in Verbindung mit § 3 Abs. 1 der Verordnung über homöopathische Arzneimittel.

Die Anordnung stellt eine Anpassung der bereits im Bescheid vom 25. September 1995 aufgeführten zusätzlichen Absolutkriterien für Verkehrsfähigkeit von Arzneimitteln unter dem Gesichtspunkt des BSE-Risikos an den aktuellen Erkenntnisstand dar. Während die Verwendung der o.g. Ausgangsmaterialien unter bestimmten Bedingungen noch zulässig war, erscheint dieses in der gegenwärtigen Situation nicht mehr vertretbar und auch nicht notwendig.

Die vorgesehene Anordnung orientiert sich, was die anatomische Art der Organe und Gewebe, die grundsätzlich verboten werden sollen, anbetrifft, im Wesentlichen an der Definition der Europäischen Kommission für so genanntes "spezifiziertes Risikomaterial", wie sie vom Wissenschaftlichen Lenkkungsausschuss der Generaldirektion XXIV der Kommission vorgeschlagen und in der Entscheidung der Kommission vom 29. Juni 2000 zur Regelung der Verwendung von bestimmtem Tiermaterial und zur Änderung der Entscheidung 94/474/EG (2000/418/EG), geändert durch Entscheidung der Kommission vom 27. Dezember 2000 zur Änderung der Entscheidung 2000/418/EG) (2001/2/EG) festgelegt wurde. Abweichend von dieser Kommissionsentscheidung, die ein generelles Verbot der Verwendung von Risikomaterial für Arzneimittel derzeit nicht vorsieht, hält es das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte im Sinne des vorbeugenden Verbraucherschutzes nicht für vertretbar, dieses Verbot nur auf Lebens-, Futter- und Düngemittel zu beschränken. Die vorgesehenen Maßnahmen sind geboten, um eine angemessene Qualität der Arzneimittel sicherzustellen und eine mögliche Gefährdung der Verbraucher weitestgehend zu minimieren.

Wir möchten darauf hinweisen, dass die Inhaber von Arzneimittelzulassungen und Registrierungen aufgrund der Bestimmungen des Arzneimittelgesetzes verpflichtet sind, unabhängig von einschränkenden Entscheidungen der Bundesoberbehörde im Rahmen ihrer Eigenverantwortung ihre Produkte nach dem jeweiligen aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand herzustellen und mit diesem Standard in den Verkehr zu bringen sowie eventuell notwendige Vorsichtsmaßnahmen zum frühest möglichen Zeitpunkt durchzuführen.

Nach den arzneimittelrechtlichen Vorgaben hat die vorgesehene Anordnung nur für Arzneimittel mit Einzelzulassung Gültigkeit. Nutzer von Standardzulassungen und -registrierungen sind jedoch aufgefordert, auf der Grundlage von § 30 Abs. 1 AMG eigenverantwortlich im Vorgriff auf eine entsprechende Änderung der Rechtsverordnungen § 38 Abs. 1, (§39 Abs. 3 AMG) die o.g. Änderungen im Rahmen einer Anpassung an den aktuellen Erkenntnisstand unverzüglich zu übernehmen. Auf die Bestimmungen des § 5 Abs. 1 AMG wird hingewiesen.

Es wird ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht, dass dieses Stufenplanverfahren auch diejenigen homöopathischen Arzneimittel betrifft, die aufgrund der Regelungen des § 38 Abs. 1 AMG von der Pflicht zur Registrierung freigestellt sind, sofern sie in Mengen bis zu 1000 Packungen in einem Jahr in den Verkehr gebracht werden bzw. die gemäß § 135 Abs. 3 AMG einen Antrag auf Registrierung gestellt haben.

Es wird für erforderlich gehalten, dass die betroffenen pharmazeutischen Unternehmer auch für diese Arzneimittel die angeordneten Sicherheitsmaßnahmen durchführen; dieses wird von den jeweils zuständigen Behörden zu überwachen sein, denen entsprechende Unterlagen zur Verfügung zu stellen sind.

Da die in den o.g. Bekanntmachungen getroffene Bewertung hinsichtlich eines BSE-Risikos weiterhin grundsätzlich gültig ist, möchten wir die davon betroffenen pharmazeutischen Unternehmer nochmals auf folgenden Sachverhalt hinweisen:

Aufgrund erster nationaler BSE-Fälle können die Länder Deutschland und Spanien nach den Leitlinien des Internationalen Tierseuchenamtes OIE (International Animal Health Code, Chapter 2.3.13) nicht mehr als frei von BSE gelten. In Frankreich ist durch die stichprobenartige Anwendung von BSE-Schnelltests eine höhere BSE-Inzidenz festgestellt worden als früher.

Durch diese Entwicklung ist eine Neueinstufung dieser Länder in Bezug auf das BSE-Risiko erforderlich. Zur Beurteilung der Inzidenz in Deutschland ist der Quotient aus der Zahl der aufgrund der Schnelltests an Schlachtrindern nachgewiesenen BSE-Fälle (bisher 24) und der Gesamtzahl der damit getesteten Rinder (bisher ca. 100000) zugrunde zu legen, d.h. etwa 2◊10-5. Da die meisten Rinder in einem Alter geschlachtet werden, in dem der BSE-Test auch bei einem infizierten Tier negativ bleibt, muss mit einer Dunkelziffer nicht erkannter BSE-Fälle gerechnet werden. Vor diesem Hintergrund ist Deutschland bei der Anwendung des in den o.g. Bekanntmachungen dargestellten 20-Punkte-Schemas zur Zeit in die Klasse HRK-4 einzustufen. Das 20-Punkte-Schema wird zurzeit überarbeitet und in Kürze bekannt gemacht.

Die pharmazeutischen Unternehmer sind dazu verpflichtet, ständig - d.h. unter Berücksichtigung der jeweils aktuellen Erkenntnisse - sicherzustellen, dass ihre betroffenen Arzneimittel die Anforderungen hinsichtlich BSE-Sicherheit erfüllen (d.h. dass eine Exponentensumme von mindestens 20 erreicht wird). In der gegenwärtigen Situation haben sie zu überprüfen, ob nach der Neueinstufung des BSE-Risikos in den o.g. Ländern diese Sicherheitsanforderungen noch erfüllt sind oder ggf. risikomindernde Maßnahmen (z.B. Änderung der Herkunftsländer, zusätzliche Maßnahmen zur Entfernung eventuell vorhandener TSE-Erreger) zur Erhöhung der BSE-Sicherheit ergriffen werden müssen.

Entsprechende Änderungen in der Bewertung oder in den Herstellungsparametern sind dem BfArM mit Anzeigen gemäß §29 AMG unverzüglich mitzuteilen.

Sofern die Arzneimittel eine Exponentensumme von mindestens 20 nach der Neubewertung nicht mehr erreichen, sind diese Arzneimittel als bedenklich im Sinne von §5 Abs.1 AMG einzustufen.

Es wird darauf hingewiesen, dass die betroffenen Arzneimittel, sofern sie diese Sicherheitsanforderungen nicht erfüllen, ab sofort nicht mehr verkehrsfähig sind und somit von keinem Verkehrskreis mehr, auch nicht von den Apotheken, in den Verkehr gebracht werden dürfen.

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