Arzneimittel und Therapie

Thrombozytenfunktionshemmer: Gastrointestinale Blutungen unter ASS-Langzeitthe

Wie häufig sind gastrointestinale Blutungen unter einer antithrombotischen Langzeitbehandlung mit Acetylsalicylsäure? Eine Metaanalyse ging dieser Frage nach und berücksichtigte auch Studien mit niedriger Tagesdosis oder Präparaten mit modifizierter Freisetzung.

Ende der 60er-Jahre wurde entdeckt, dass eine einzige Dosis Acetylsalicylsäure (ASS) die normale Plättchenaggregation irreversibel hemmt. Diese Wirkung dauert an, bis neue Plättchen freigesetzt werden. Die Lebensdauer von Blutplättchen beträgt etwa neun Tage.

Nützliche antithrombotische Wirkung

Manchmal kann man sich eine Arzneimittel-Nebenwirkung zu Nutze machen. So geschah es bei der antithrombotischen Wirkung der Acetylsalicylsäure, die inzwischen bei vielen Indikationen genutzt wird:

  • Bei Gesunden und KHK-Patienten zum Schutz vor Herzinfarkt
  • Bei Patienten mit frischem Herzinfarkt, um die Sterblichkeit durch weitere Gefäßereignisse zu verringern
  • Bei Patienten mit Vorhofflimmern zum Schutz vor Schlaganfall und systemischer Embolie
  • Bei Patienten nach Schlaganfall oder transienter ischämischer Attacke (TIA) zum Schutz vor weiteren ischämischen Ereignissen

Es gibt sogar Vorschläge, dass alle Männer ab 50 Jahre und alle Frauen nach der Menopause Acetylsalicylsäure einnehmen sollten. Dagegen sprechen jedoch zwei Gründe: Als Prostaglandinsynthese-Hemmer kann ASS die gastrointestinale Schleimhaut schädigen. So entstandene Geschwüre haben aufgrund der Thrombozytenaggregations-Hemmung durch ASS eine erhöhte Blutungsneigung. Daher erscheint es logisch, ASS in möglichst niedriger Dosis einzunehmen, um die antithrombotische Wirkung zu nutzen, aber das Risiko gastrointestinaler Komplikationen gering zu halten.

Gastrointestinale Blutungen bei Langzeittherapie

In einer großen Metaanalyse wurde die Inzidenz (Neuerkrankungsrate) gastrointestinaler Blutungen bei oraler ASS-Langzeittherapie bestimmt und die Wirkung einer Dosisreduktion und einer galenischen Veränderung auf diese Inzidenz untersucht.

Die Metaanalyse erfasste randomisierte, kontrollierte Studien, in deren Behandlungsarm die Patienten orales ASS und in deren Kontrollarm die Patienten Plazebo oder keine Behandlung bekamen. Die Behandlung dauerte mindestens ein Jahr. Die gleichzeitige Gabe anderer Thrombozytenfunktionshemmer war nicht erlaubt. Primäres Zielkriterium war die Inzidenz gastrointestinaler Blutungen. Als Zeichen einer gastrointestinalen Blutung wurde Blutbrechen (Hämatemesis) oder Blutstuhl (Meläna), nicht jedoch eine Blutung aus dem After (Proktorrhagie) akzeptiert.

Daten von fast 66000 Patienten

24 plazebokontrollierte Doppelblindstudien erfüllten die Einschlusskriterien. 65987 Personen hatten daran teilgenommen, überwiegend Männer (74%), meist im mittleren Alter. ASS wurde in einer Tagesdosis von 50 bis 1500 mg durchschnittlich 28 Monate lang eingenommen. Die Indikationen reichten von der Primärprävention bei Gesunden bis zur Sekundärprävention bei Schlaganfallpatienten. Patienten mit einem peptischen Ulkus oder einer gastrointestinalen Blutung in der Anamnese oder mit anderen Kontraindikationen gegen die ASS-Einnahme waren von den Studien ausgeschlossen.

Gastrointestinale Blutungen traten bei 2,47% der Personen auf, die ASS einnahmen, gegenüber 1,42% der Personen, die Plazebo einnahmen. Das relative Risiko für eine gastrointestinale Blutung betrug mit ASS im Vergleich zu Plazebo 1,68, war also signifikant erhöht. Im Mittel erlitt eine Person eine gastrointestinale Blutung, wenn 106 Personen durchschnittlich 28 Monate lang mit ASS statt mit Plazebo behandelt wurden.

Tagesdosen unter 163 mg

Die acht Studien mit ASS-Tagesdosen unter 163 mg (von 50 bis 162,5 mg) wurden getrennt analysiert. An ihnen hatten 49927 Patienten teilgenommen. Gastrointestinale Blutungen betrafen 2,30% der mit niedrigen ASS-Tagesdosen Behandelten und 1,45% der mit Plazebo Behandelten. Das relative Risiko einer gastrointestinalen Blutung war auch mit niedrigen ASS-Dosen erhöht (1,59). Die Metaanalyse ergab keinen Zusammenhang zwischen der Inzidenz gastrointestinaler Blutungen und der ASS-Tagesdosis.

Präparate mit veränderter Freisetzung

In fünf Studien mit 4298 Teilnehmern wurden ASS-Präparate mit veränderter Freisetzung verwendet (Tagesdosen 75 bis 1500 mg). Auch mit diesen Präparaten war das relative Risiko gastrointestinaler Blutungen im Vergleich zu Plazebo erhöht (1,93).

Nutzen und Schaden abwägen

Demnach ist eine ASS-Langzeittherapie mit einem erhöhten Risiko für gastrointestinale Blutungen verknüpft. Die Metaanalyse ergab weder für niedrige ASS-Dosen noch für Präparate mit modifizierter Freisetzung einen Vorteil in dieser Hinsicht. Ärzte und Patienten sollten Nutzen und Schaden einer ASS-Langzeittherapie sorgfältig gegeneinander abwägen.

Besonders groß scheint der Nutzen in der Sekundärprävention des Schlaganfalls zu sein. Einer Studie zufolge müssen 106 Schlaganfallpatienten ein Jahr lang mit ASS behandelt werden, um einen weiteren Schlaganfall zu verhindern. Also schützt ASS pro ausgelöster gastrointestinaler Blutung vor mindestens zwei Schlaganfall-Rezidiven. Weniger ausgeprägt ist der Nutzen in der Primärprävention des Herzinfarktes: Etwa 555 Personen müssen ein Jahr lang mit ASS behandelt werden, um einen Infarkt zu verhindern. Pro verhindertem Herzinfarkt verursacht ASS aber zwei bis drei gastrointestinale Blutungen.

Literatur: Derry, S., Y. K. Loke: Risk of gastrointestinal haemorrhage with long term use of aspirin: meta-analysis. Br. Med. J. 321, 1183-1187 (2000). Tramer, M. R.:Aspirin, like all other drugs, is a poison. Br. Med. J. 321, 1170-1171 (2000).

Nach den Ergebnissen einer Metaanalyse ist eine antithrombotische Langzeitbehandlung mit Acetylsalicylsäure mit einem erhöhten Risiko für gastrointestinale Blutungen verknüpft. Weder eine niedrige Tagesdosis oder Präparate mit modifizierter Freisetzung bieten in dieser Hinsicht einen Vorteil.

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.