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Technologie: Wässriges Filmcoating – ein Update

Ein Kurs der Arbeitsgemeinschaft für Pharmazeutische Verfahrenstechnik e.V. (APV) vom 3. bis 4. Dezember 2001 in Nürnberg befasste sich mit dem Thema "Wässriges Filmcoating". In 13 Vorträgen ging es um neue Entwicklungen wie um praktische Lösungsansätze für Fachleute, die sich mit der Entwicklung, Herstellung und Qualitätskontrolle überzogener Arzneiformen befassen. Es referierten Vertreter der Rohstoff- und Gerätehersteller, einzelner Pharmafirmen und der Universitäten. Kursleiter waren Apotheker Dr. Hermann Osterwald, Göttingen, und Apotheker Hans-Ulrich Petereit, Darmstadt.

Für die Entwicklung überzogener Arzneiformen waren das Versüßen bitterer Arznei oder das Veredeln der Pillen durch Silber- oder Goldüberzüge der Ausgangspunkt. Heutzutage bieten diese Arzneiformen neben dem ursprünglichen Zweck der Geschmackskaschierung unzählige weitere Vorteile, wie z. B.

  • Schutz des Arzneistoffes gegen äußere Einflüsse,
  • Schutz des GI-Traktes vor reizenden Wirkstoffen,
  • steuerbare Wirkstoffabgabe,
  • bessere Unterscheidbarkeit durch den Patienten.

Das Dragieren in Kupferkesseln wurde allmählich verdrängt, und Mitte der 50er-Jahre setzte die Entwicklung automatischer Umhüllungsverfahren ein.

War das Filmcoating früher eine Kunst, so wird es zunehmend wissenschaftlicher. Das Wissen über Ausgangsstoffe, Verarbeitung überzogener Arzneiformen, Prozesssteuerung, Validierung und Reinigung nahm in den letzten Jahren in großem Umfang zu. Die Entwicklung anspruchsvollerer Darreichungsformen und die Senkung der Herstellungskosten setzen qualifizierte Geräte und geeignete Ausgangsmaterialien voraus.

Neue Polymere

LustreClear; von der Firma FMC BioPolymer enthält neben Mikrokristalliner Cellulose (MCC) den Filmbildner Carrageenan. Eudragit RD 100 (Fa. Röhm) ist ein neues Methacrylat-Copolymer, hervorgegangen aus Eudragit RL, wobei dessen Eigenschaften durch Zusatz von Carmellose-Natrium (Na-CMC) modifiziert wurden. Ebenso wie LustreClear dient Eudragit RD 100 hauptsächlich der Geschmacksabdeckung.

Das von der BASF AG entwickelte Kollicoat SR 30 D ist eine durch Emulsionspolymerisation gewonnene 30%ige wässrige Dispersion aus Polyvinylacetat. Die Anwendungsmöglichkeiten reichen von der Tablettierung überzogener Pellets über die Geschmackskaschierung bis zu transdermalen Systemen. Ein neues Produkt aus der Reihe der magensaftresistenten Überzüge präsentierte die Colorcon GmbH: Acryl-Eze, basierend auf Eudragit L 100-55, ist eine komplette pulverförmige Filmformulierung, einschließlich Pigmente.

Bessere Geräte – Neue Methoden

Bei den derzeit eingesetzten Geräten sind die Benutzung adäquater Werkzeuge und deren Wartung unerlässlich. Eine korrekte Sprühdüsenverteilung und -einstellung beispielsweise optimieren das Sprühverhalten und vermeiden Verunreinigungen, die Sprühverluste zur Folge haben können. Dies bedeutet Zeitersparnis und senkt Herstellungskosten.

Die Pharmazeutische Qualitäts- und Prozesskontrolle benötigt moderne Analysenmethoden, die schnell, zuverlässig und ohne Zerstörung der Arzneiform durchzuführen sind. Die NIR-Spektroskopie ist so ein schnelles und nicht-destruktives Verfahren. Dr. Gabriele Reich, Universität Heidelberg, stellte diese Analysenmethode vor. Mit Hilfe des NIR kann man die Filmdicke, die Filmbeschaffenheit und damit auch die Funktionsfähigkeit der Filmtabletten und gecoateten Pellets beurteilen.

Interaktionen

Dr. Jörg Breitkreuz, Universität Münster, zeigte exemplarisch einige unerwünschte Interaktionen zwischen Filmüberzügen und Arznei- bzw. Nahrungsmitteln. So führen z. B. Antacida bei gleichzeitiger Gabe von magensaftresistenten Arzneiformen deren vorzeitigen Zerfall im Magen herbei. Leider fehlen oft entsprechende Warnhinweise in den Packungsbeilagen.

Polyethylenglykole, die als Laxanzien oder als Hilfsstoffe in Arzneimitteln eingesetzt werden, sind in der Lage, den magensaftresistenten Überzug Eudragit L in seiner Funktionalität stark einzuschränken.

Dass Interaktionen auch gezielt hervorgerufen und genutzt werden können, veranschaulichte der Vortrag "Gepulste Wirkstoffabgabe" von Prof. Dr. Claudia S. Leopold, Universität Leipzig. Eudragit RS ist ein kationisches, in Wasser unlösliches, aber quellbares Polymethacrylat. Die Interaktion zwischen einer organischen Säure (Bernsteinsäure u. ä.) im Kern und dem kationischen Polymerüberzug führt nach einer Lag-Phase zu einer beschleunigten Arzneistofffreisetzung. Diese Abfolge verleiht der Freisetzungskurve das typische sigmoidale Profil und war namensgebend für das patentierte Sigmoidal Release System (SRS). Ein solches System eignet sich zur gepulsten Wirkstoffabgabe bzw. zur verzögerten Wirkstofffreisetzung, wie sie z. B. beim Colon-Targeting erforderlich ist.

Der hervorragend organisierte APV-Kurs "Wässriges Filmcoating" hat gezeigt, und das formulierte ein Referent sehr treffend: Nur wenn wir an einem Strick in die gleiche Richtung ziehen, werden wir erfolgreich sein.

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