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Umweltverschmutzung: Arzneimittelrückstände in Boden und Wasser

Im Rahmen der Vortragsreihe der DPhG in Münster berichtete Dr. Gerd Hamscher, Abteilung für Lebensmitteltoxikologie der Tierärztlichen Hochschule Hannover, über Human- und Tierarzneimittel als neue Umweltkontaminanten.

Die aus therapeutischer Sicht erwünschten Eigenschaften eines Arzneimittels können aus ökotoxikologischer Sicht unerwünscht sein. So zieht eine hohe Stabilität eine hohe Persistenz in der Umwelt nach sich; Wasserlöslichkeit bedeutet auch eine hohe Mobilität in der aquatischen Umwelt, und letztlich können therapeutisch wirksame und ökotoxische Eigenschaften eng beieinander liegen.

Der Antibiotikaverbrauch lag 1999 in der EU und der Schweiz bei circa 13 000 Tonnen; in Deutschland werden jährlich 30 000 bis 35 000 Tonnen Arzneimittel produziert. Über verschiedene Eintragswege wie Abwässer und Gülle gelangt ein Teil davon in die Umwelt. Bei punktuellen Messungen konnten Heberer und Mitarbeiter in Berliner Brunnenwasser beispielsweise Clofibrinsäure mit 7,3 Mikrogramm/l nachweisen; Estron, ein Metabolit des 17-beta-Estradiols, konnte von Ternes und Mitarbeitern mit 70 ng/l im Kläranlagenabfluss und mit 1,6 ng/l im Flusswasser bestimmt werden. Die ökotoxikologischen Folgen dieser Rückstände sind zurzeit nicht absehbar, aber erste Untersuchungen deuten daraufhin, dass insbesondere die hormonell wirksamen Stoffe Konzentrationen erreichen, die schädliche Wirkungen auf Wasserlebewesen ausüben. Im Gegensatz zu anderen wichtigen Umweltkontaminanten wie den Pestiziden, deren Umweltbelastung jahreszeitlich variiert, ist die Umweltbelastung mit Arzneimitteln permanent vorhanden.

Insgesamt ist die eingesetzte Arzneimittelmenge beim Tier, sei es zur Therapie, Prophylaxe, Metaphylaxe oder - mit stetig abnehmendem Anteil - als Leistungsförderer, geringer als beim Menschen. Dennoch ist bei circa 26 Millionen Schweinen und 15 Millionen Rindern in Deutschland ein beachtlicher Eintrag in die Umwelt zu erwarten.

Beispiel Tetracycline

Mit einem Boden-Dauerbeobachtungsprogramm wird in Niedersachsen am Beispiel der mengenmäßig bedeutendsten Tetracycline der Eintrag von Antibiotika über die Gülleausbringung auf landwirtschaftlichen Nutzflächen untersucht. Definierte Flächen mit gut dokumentierter Bodennutzung und -beschaffenheit und die Kontrolle von Wetterdaten ermöglichen die Durchführung aussagekräftiger Feldstudien.

So konnten mittels aufwendiger Analytik die Antibiotika Tetracyclin und Chlortetracyclin in güllegedüngten Böden nachgewiesen werden. In den obersten Schichten traten nach wiederholter Gülleausbringung Konzentrationen von bis zu 300 Mikrogramm/kg Tetracyclin auf. Es zeigte sich, dass die Substanzen nicht nur sehr persistent sind, sondern auch akkumulieren können. In tieferen Schichten und im Grundwasser war das Antibiotikum, vermutlich aufgrund seiner starken Bindung an organische Bestandteile in der Ackerkrume, nicht mehr nachweisbar.

Seit 1996 ist für die Zulassung von neuen Tierarzneimitteln eine umfassende ökotoxische Prüfung vorgeschrieben, wenn die vorhersagbaren Arzneimittelkonzentrationen, basierend auf der Durchführung von "worst-case-Szenarien", größer als 100 Mikrogramm/kg Boden sind. Die Untersuchungen des Vortragenden zeigen, dass diese Konzentrationen im Falle des Alt-Tierarzneimittels Tetracyclin durchaus erreicht werden. Zurzeit sind mögliche ökotoxische Konsequenzen für die Böden und insbesondere ihre Mikroflora noch nicht abzusehen. Weitere Forschung - auch mit anderen Arzneistoffen - unter Berücksichtigung einer möglichen Akkumulation in der Nahrungskette ist geplant.

Abschließend wurde festgestellt, dass im Sinne eines vorbeugenden Umwelt- und Verbraucherschutzes eine Minimierung des Arzneimitteleintrages - insbesondere durch fachgerechte Entsorgung - angestrebt werden muss.

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