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Verantwortung der Medien: Objektiviät gibt es nicht

HERINGSDORF (diz). Unter der Überschrift "Verantwortung der Medien in der Informationsgesellschaft" setzte sich der ehemalige "heute-journal"-Moderator Alexander Niemetz auf der Scheele-Tagung (9. bis 11. November) in Heringsdorf mit der Verantwortung und der Macht der Medien auseinander. Niemetz, der zur Zeit als freier Publizist in Berlin lebt, rief zu einem kritischen Umgang mit den Medien auf. Er versuchte zu verdeutlichen, dass es Objektivität bei der Aufbereitung und Übermittlung von Nachrichten nicht gibt, "es gibt nur subjektiv Gefärbtes".

Unser Wissen verdoppelt sich heute alle fünf Jahre. Kein Mensch kann heute mehr alles wissen - im Gegensatz zu früher, als das bekannte Wissen noch in einer überschaubaren Zahl von Büchern niedergeschrieben werden konnte. Zur Verbreitung des Wissens tragen die Medien bei: Unsere Gesellschaft braucht die Medien als Vermittler von Informationen. Angesichts der Flut von Informationen müsse man jedoch kritisch hinzufügen, dass der Einzelne zwischen Wahrheit und Manipulation nur noch schwer unterscheiden könne. Bei einer Menge von 483 Billiarden Wörtern, die Jahr für Jahr an Informationen auf uns hernieder prasseln, ist ein Vermittler nötig, der die Flut kanalisiert.

Wir behalten nur einen Bruchteil der Informationen

Gegen die Reiz- und Informationsüberflutung kann sich der Einzelne nur sehr schwer wehren. In aller Regel geschieht es durch Verdrängen. Interessant ist in diesem Zusammenhang eine Untersuchung, was der Mensch von übermittelten Informationen behält: etwa acht Prozent der Informationen bleiben hängen, wenn eine Person eine Zeitschrift durchsieht. Nur noch drei Prozent bleiben hängen, wenn eine Person Fernsehen schaut und nur 0,6 Prozent an Informationen sind nach einer Rundfunksendung präsent, "der Rest rauscht an einem vorbei", so Niemetz, wobei er allerdings hinzufügte, dass viel auch zu Recht an uns vorbeigeht.

Immer mehr "news light"

Wie sich Informationsübermittlung im Lauf der Zeit verändert machte Niemetz am Beispiel der Tagesschausendung deutlich. In den früheren Jahren, als es nur ein oder zwei Fernsehprogramme gab, war die Tagesschau eine Informationsvermittlung pur. Allerdings war bereits diese Sendung gefärbt und "manipuliert" dadurch, dass gewisse Themen weggelassen werden mussten. Allein die Auswahl der Nachrichten einer Nachrichtensendung stellt in gewisser Weise eine Art Manipulation dar.

Auf der anderen Seite muss ausgewählt werden, sonst ginge der Zuschauer in der Flut der Informationen unter. Dennoch, die Tagesschau war damals wie eine "Klosterliturgie, so Niemetz, der Sprecher war glaubwürdig, man glaubte dem Fernsehen, das Fernsehen hatte Macht.

Heute dagegen strahlen rund 30 Sender Nachrichten aus. Man buhlt um die Gunst von 30 Millionen Zuschauern auch bei den Nachrichten. Die Fernsehsender stehen im Wettbewerb untereinander, gefragt sind Quoten - immerhin geht es um einen lukrativen Werbemarkt. Doch damit hat man bereits einen großen Teil der Verantwortung abgegeben. Für viele Sender kommt es lediglich auf die Verpackung an, weniger auf die Inhalte. Ähnlich wie in den USA steht Infotainment im Vordergrund, also eine Mischung aus Information und Entertainment. Niemetz: "Das aber sind "news light", was beispielsweise RTL bietet, und zwar hinsichtlich der Prioritätenliste als auch in der Form der Sprache."

Quote ist alles

Auf der anderen Seite ist es die Gesellschaft selbst, die den Sendern einen gewissen Quotendruck auferlegt. Niemetz erinnerte in diesem Zusammenhang an die Macht des Zuschauers, indem er den Knopf zum Ausschalten betätigt. Dem Quotendruck ist es auch zuzuschreiben, dass selbst Nachrichtensendungen dem Voyeurismus verfallen. Als Beispiel nannte Niemetz eine Nachrichtenübermittlung, die zum Inhalt hatte, wie Schwarze vor laufender Kamera erschossen wurden. Solche Informationen rufen nach einer Erklärung und einer Einbettung in den Zusammenhang, sonst sind solche Filme Voyeurismus pur. Überhaupt sei es notwendig, die Hintergründe zu erklären, wenn das Leid von Menschen, wie es immer öfter geschieht, zu Markte getragen wird. Nur weiterführende Erklärungen und Hintergründe rechtfertigen, menschliches Leid und Grausamkeiten, die sich gegen Menschen richten, zu zeigen.

Ein Übel der heutigen Informationsübermittlung ist u. a., dass sich die Sender mit dem Angebot an Nachrichten zu übertreffen versuchen und heute rund um die Uhr Nachrichten senden. Reporter, die für diese Sender arbeiten, kommen nicht mehr dazu, alles zu hinterfragen und sauber zu recherchieren, weil jeder Sender ein Statement dieses Reporters haben möchte.

Technischer Fortschritt erzeugt Druck

Neben dem Quotendruck trägt auch die technische Revolution dazu bei, dass oberflächlicher gearbeitet wird. Während früher ein Reporter in einem Kriegsgebiet einen entsprechenden Informationsfilm drehte, die entsprechenden Szenen zusammenstellte und mit Kommentaren unterlegte, diesen Film dann zum Flughafen brachte und nach Deutschland schickte, damit er dort gesendet werden kann, läuft heute die Berichterstattung fast zeitgleich ab. Die Live-Satellitenübertragung setzt die Reporter unter Druck, aktuelle Berichterstattung mehrmals am Tag zu liefern - was zu Lasten einer entsprechenden Kommentierung und einem Hinterfragen der Geschehnisse geht. Hinzu kommt, dass immer mehr schlecht ausgebildete Leute den Job des Reporters ausüben, weil der Bedarf an Reportern ständig wächst. So werden Leute eingesetzt, die nur unzureichend für diese Herausforderung ausgebildet sind.

Die technische Revolution, die sich der Digitalisierung von Bildern und den damit Tricks bedienen kann, führt dazu, dass selbst Bilder heute nicht mehr unbedingt glaubwürdig sind, da jedes digitale Bild in beliebiger Weise veränderbar ist - Niemetz: "Man kann heute alles vorspiegeln."

Man müsste die Journalisten hofieren

Niemetz bemängelte auch, dass beispielsweise bei der Kriegsberichterstattung oft verschwiegen wird, wenn man aus Ländern berichtet, die Nachrichten zensieren. Wenn man aus Ländern mit Pressezensur und eingeschränkter Meinungsfreiheit berichtet, dann muss man dies dem Publikum mitteilen, damit die Nachrichten entsprechend eingeordnet werden können.

Schließlich sollte sich der Fernsehzuschauer auch vergegenwärtigen, dass Sender zum einen durch Parteipräsenz beeinflusst werden, zum andern durch die Einnahmen aus Werbung, "fragt sich nur, was schlimmer ist", so Niemetz. Vor diesem Hintergrund müsste man eigentlich die Journalisten hofieren, damit sie sauber und möglichst neutral arbeiten. Für ihn gelte nach wie vor: Journalisten sind Transmissionsriemen für Nachrichten. Und: Letztendlich hat noch immer das Publikum die größte Macht, es kann den Knopf zum Ausschalten drücken.

nter der Überschrift "Verantwortung der Medien in der Informationsgesellschaft" setzte sich der ehemalige "heute-journal"-Moderator Alexander Niemetz auf der Scheele-Tagung (9. bis 11. November) in Heringsdorf mit der Verantwortung und der Macht der Medien auseinander. Niemetz, der zur Zeit als freier Publizist in Berlin lebt, rief zu einem kritischen Umgang mit den Medien auf. Er versuchte zu verdeutlichen, dass es Objektivität bei der Aufbereitung und Übermittlung von Nachrichten nicht gibt, "es gibt nur subjektiv Gefärbtes".

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