Prisma

Memantin reduziert den Phantomschmerz

Memantin, ein NMDA-Rezeptor-Antagonist, der in Deutschland zur Therapie von leichten bis mittelschweren Hirnleistungsstörungen und zur Überwindung von Bewusstseinsstörungen nach Schädel-Hirn-Verletzungen zugelassen ist, wird derzeit für eine neue Indikation geprüft: Bei amputierten Personen soll er die Entstehung von Phantomschmerzen verhindern.

Phantomschmerzen machen amputierten Personen manchmal mehr Probleme als die Amputation selbst. Die Ursache der Schmerzen liegt in einer Fehlfunktion des Nervensystems. Gehirnbereiche, die bislang Nervenimpulse vom nun amputierten Körperteil erhalten hatten und sozusagen "brach liegen", werden von benachbarten Gehirnarealen rekrutiert. Sie erhalten somit neue Impulse von anderen Körperregionen, die sie allerdings nicht richtig zuordnen können. In der Annahme, dass auch die neuen Impulse vom gewohnten (amputierten) Körperteil kommen, senden sie an dieses Impulse zurück. Das Resultat ist der Phantomschmerz.

Bislang versucht man mittels Analgetika die Schmerzen zu beherrschen. Allerdings kann man damit nur die Schmerzintensität reduzieren, nicht aber die Ursachen behandeln und auch nicht die Wahrscheinlichkeit für spätere Phantomschmerzen vermindern.

Wissenschaftler von der Universität Tübingen haben daher versucht, die Fehlfunktion des Nervensystems medikamentös zu beeinflussen. Sie setzten dazu Memantin, einen NMDA-Rezeptor-Antagonisten, ein, von dem bekannt ist, dass er übererregte Nervenbahnen im Rückenmark und im Kortex dämpft. 19 Patienten behandelten sie innerhalb der ersten Wochen nach einer Amputation zusätzlich zur örtlichen Betäubung mit Memantin. Das Auftreten und die Stärke von Phantomschmerzen wurden dann über einen Zeitraum von einem Jahr erfasst. Ergebnis: Verglichen mit Patienten, die die Zusatzmedikation nicht erhalten hatten, litten die Studienteilnehmer unter deutlich weniger Schmerzen. Der Phantomschmerz konnte durch Memantin um 80 Prozent reduziert werden.

Die Tübinger Forscher wollen Memantin nun in einer Langzeitstudie an einem größeren Patientenkollektiv testen, um herauszufinden, ob der Effekt auch dauerhaft ist. ral

Quelle: New Scientist online, Meldung vom 15. November 2001

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.