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Chinesische Medizin: TCM für Pharmazeuten

TCM gewinnt an Popularität. Nicht nur mehr in Großstädten finden sich Ärzte und Therapeuten, die nach den Prinzipien der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) behandeln. Und so sehen sich immer mehr Apotheker mit Problemen konfrontiert, die mit der Verschreibung und Verarbeitung von chinesischen Arzneimitteln, in erster Linie mit chinesischen Arzneidrogen zu tun haben. Neben der Akupunktur ist die chinesische Phytotherapie das wichtigste Standbein der TCM. Zum zweiten Mal wurde, diesmal in Ulm, am 27./28. Oktober Apothekern und ihren Mitarbeitern vom Ausbildungsinstitut für Chinesische Medizin TCM-Advance, Ravensburg, die Möglichkeit geboten, in einem Wochenendseminar eine Pharmazeuten-orientierte, systematische Einführung in die chinesischen Phytotherapie zu erhalten.

Prof. Dr. Rudolf Bauer vom Institut für Pharmazeutische Biologie in Düsseldorf - sein Name steht längst für Chinesische Medizin und vor allem für Chinesische Drogen in Deutschland - und Dr. Stefan Englert, Facharzt für Allgemeinmedizin in Ravensburg, praktizierender TCM-Arzt und nach langjährigen China- und Japan-Studienaufenthalten Dozent für chinesische Medizin und Phytotherapie in Deutschland und Österreich, boten in diesen beiden Tagen zusammen mit dem chinesischen Experten für TCM-Drogen, Apotheker Yutian Sun, einen umfassenden Einblick in die chinesische Phytotherapie aus pharmazeutischer und medizinischer Sicht.

"Oft werde ich nach Vorträgen mit Fragen zum Medizin-Verständnis der TCM konfrontiert, die über meine Kompetenz hinausgehen", berichtete Professor Bauer. "Das hat uns veranlasst, ein Seminar anzubieten, in dem beides angesprochen wird, Pharmazie-relevante Problematik genauso wie medizinisch-philosophische und therapeutische Grundlagen der TCM." Man wolle die Anliegen der TCM in einem großen Kontext darstellen, dem Apotheker den Einstieg ebnen und den Dialog zwischen Ärzten und Apothekern vertiefen und damit die Akzeptanz der TCM verbessern, betonte Englert in seiner Begrüßung.

TCM keine Modeerscheinung

Traditionelle chinesische Medizin sei weit mehr als nur eine kurzfristige Modeerscheinung, so Englert. Sie hat eine Jahrtausende lange Tradition in China, Japan und ostasiatischen Ländern. Während sich in Deutschland die Akupunktur bereits soweit etabliert hat, dass ihre Kosten auch von den Krankenkassen übernommen oder bezuschusst werden, sei die chinesische Phytotherapie erst auf dem Weg zu dieser Anerkennung. (Die USA, England oder Australien sind da sehr viel pragmatischer.) Dabei biete sie sich gerade auch in Deutschland als ideale Ergänzung zur westlichen Medizin an, vertrat Englert. Denn sie sei sehr sanft und habe wenig Nebenwirkungen und werde daher vom Patienten sehr gut angenommen.

An Fallbeispielen zeigte Englert bei seiner Einführung in die Wirkungsweise, Diagnostik und Therapie der TCM auf, wie sich gerade hartnäckige funktionelle Störungen, bei denen unsere Schulmedizin nicht selten an ihre Grenzen gerät, hervorragend mit chinesischen Phytopharmaka behandeln und heilen lassen. Dies sei auch ein Grund dafür, dass sich immer mehr Ärzte in diesem Bereich fortbilden. Dann aber brauchen sie auch die Apotheken, die die entsprechenden Arzneimittel für ihre Patienten bereitstellen können.

Praxisorientiert

Den Neu-Einsteigern unter den zahlreichen Seminarteilnehmern wurden daher die Fragen aus der Praxis gleich direkt beantwortet: Wo kann ich TCM-Drogen beziehen, woher bekomme ich potenzielle Verordner für TCM-Medikamente? Wie motiviere ich mein Personal? Nach welchen Gesichtspunkten wählt ein TCM-Therapeut die Rezepturen aus? Darf man Rezepturen wiederholen? Praktische Kochanweisungen, an den Apothekenkunden weiter zu geben, waren genauso darunter wie Etikettierungsvorschläge, Gebrauchsanweisungsmodelle und sonstige Tipps zur Logistik.

Apotheker für Qualität der Drogen verantwortlich

Bei der raschen Ausbreitung der TCM in letzter Zeit in Deutschland blieben viele anstehende, rechtliche Fragen noch offen. Sind chinesische Heilkräuter Lebensmittel - dann unterliegen sie der Zulassungspflicht gemäß der "novel food"-Verordnung - oder Arzneimittel und sind sie damit apothekenpflichtig?

Noch weitgehend ungeklärt und auf Eigeninitiative angewiesen ist derzeit die Qualitätssicherung bei Drogenlieferungen. Bauer ermunterte die Apotheker, nötigenfalls mit Druck durch gemeinsames Vorgehen, schon im Vorfeld bei verlässlichen (!) Lieferanten auf allen vorgeschriebenen Parametern vollständig zertifizierte und Arzneibuch-konforme Qualität zu fordern. Gerade die wichtigsten Prüfkriterien - Belastungen durch Pestizide, Schwermetalle und Aflatoxine - werden von unseriösen Händlern oft sehr undurchsichtig oder irreführend abgehandelt oder gar unterschlagen. Die Verantwortung für die Qualität der abgegeben Drogen liege schlussendlich allein beim Apotheker.

In seiner ausführlichen Beleuchtung der rechtlichen Aspekte der TCM-Drogen für den Apotheker und geeigneter Prüfmethoden nach "anerkannten pharmazeutischen Regeln" (§ 6,1 ApBetrO) betonte Bauer, dass auch für chinesische Drogen die gesetzliche Hierarchie unserer Pharmakopöen gilt. Das chinesische Arzneibuch (in der deutschen Bearbeitung von Stöger oder englischen Übersetzung) ist zwar für den TCM-Apotheker unerlässlich, ist jedoch erst in dritter Präferenz relevant (nach EuAB und DAB und Arzneibüchern anderer Mitgliedstaaten der EU).

Für Neuanfänger sind chinesische Drogen erst einmal unbekannt, es existiert wenig Literatur dazu (eine Bücherschau bot einen guten Überblick in das verfügbare Angebot), ihre uneinheitliche Nomenklatur ist verwirrend, und die sehr ähnlich lautenden Namen können leicht zu Verwechslungen führen. In China selbst gehören etwa 800 pflanzliche Arzneidrogen zum festen Stamm der dort praktizierten Phytotherapie. "Hoffentlich sind in Deutschland die TCM-Ärzte pragmatisch genug, sich auf 200 bis 300 Drogen in der Verschreibung zu beschränken, sie könnten völlig genügen." Alle angesprochen Drogen wurden von Apotheker Sun zur "sensorischen Prüfung" und zum Kennenlernen herumgereicht.

Wechselwirkungen erwünscht

Ausführlich ging Bauer auch auf mögliche Interaktionen von chinesischen Arzneidrogen ein, eine Frage, die nicht selten an den Apotheker gestellt wird. In der TCM selbst sind unerwünschte Wechselwirkungen der Drogen untereinander durch die lange Anwendungspraxis über mehrere tausend Jahre weitgehend bekannt, Synergismen und Verstärkungen sind beabsichtigt und werden therapeutisch genützt.

Inzwischen existieren auch Beobachtungen und Studien von möglichen Interaktionen einiger Chinadrogen mit westlichen Medikamenten, etwa die Wirkungsverstärkung von Warfarin durch chinesische Angelikawurzel (Dangui). Im Gegensatz zu den USA stehe Deutschland dank seiner dichten Gesetzgebung auf der sicheren Seite. Bauer wörtlich: "Wechselwirkungen sind kein Grund zur Aufregung und zum schnellen Verbieten, sondern ein Grund zur alleinigen und kontrollierten Handhabung durch Ärzte und Apotheker!"

Zufriedene Patienten

Neben den erst wenigen Wirksamkeitsstudien einiger chinesischer Präparate nach westlichen Maßstäben beeindruckte die Evaluation von Patientenberichten der TCM-Klinik Kötzting aus den Jahren 1996 bis 2000 am nachhaltigsten: Obwohl häufig schulmedizinisch "austherapierte" Patienten (hoffnungslose Fälle) hier letzte Hoffnung schöpfen, sind die Heilungserfolge groß: Fast 50% der Befragten beurteilten sie auch ein Jahr nach der Entlassung noch als gut bis sehr gut.

Die Referenten resümierten: "Die TCM kann bei uns nicht mehr totgeschwiegen werden. Darum ist der Apotheker mehr denn je aufgerufen, sich dieser Richtung zu öffnen und die Befähigung zu erwerben, mit den Problemen der TCM umzugehen."

Kastentext: TCM in der Apotheke

Seit 2 Jahren gibt es die Arbeitsgemeinschaft TCM-Apotheken (TCM-Apo Ag), eine bundesweite Vereinigung von bereits 40 Apotheken, die TCM betreiben. Sie hat sich den kollegialen Austausch von praxisorientierten Problemen und die Zusammenarbeit bei der Durchsetzung wichtiger Anliegen (gemeinsame Taxation, gemeinsame Chargenprüfung, Kollegenbelieferung etc.) zum Ziel gesetzt. Sie trifft sich halbjährig (s. DAZ Nr. 44, S. 66). Homepage: www.TCM-Apo.de

Von Mitgliedern der TCM-Apo AG wurde die ChinaLog-Software entwickelt. Sie bietet eine ideale Unterstützung in allen Bereichen der TCM-Arbeit in der Apotheke. Information und Anfragen beim Schriftführer der TCM-Apo Ag, Dr. W. Erdle, Augsburg, Tel. (08 21) 9 98 40 70, Fax (08 21) 9 98 40 71 oder an WAE-Pharma@t-online.de

Kastentext: Termine

Weitere TCM-Wochenendseminare für Apotheker:

  • 27./28. April 2002 in Hamburg
  • 9./10. November 2002 in Leipzig

Auskunft: Dr. Stefan Englert, Marktstr. 8, 88212 Ravensburg Tel. (07 51) 3 54 19 96, Fax (07 51) 3 54 19 97 E-Mail: info@tcm-advance.de Internet: www.tcm-advance.de

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