Rechtsprechung aktuell

Apothekenwerbung: Nicht jede Werbung ist erlaubt

Enge Grenzen für Werbe- und Marketingaktionen von Apotheken hat das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen in einem - noch nicht rechtskräftigen - Urteil gezogen. Dabei stellt das Gericht fest, dass bei der Auslegung von Werbeverboten in Berufsordnungen nicht auf den flüchtigen Verbraucher, sondern auf einen "durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbraucher" abzustellen ist. (Urteil des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen vom 7. September 2001, Az.: 13 A 2814/99)

In Nordrhein-Westfalen können nach den Bestimmungen des dortigen Heilberufsgesetzes u.a. Apothekerkammern bei der Überwachung der Erfüllung von Berufspflichten ihrer Angehörigen sowie zur Beseitigung berufsrechtswidriger Zustände belastende Verwaltungsakte erlassen.

Soweit es darum geht, Werbemaßnahmen rechtlich zu beurteilen, ist nunmehr aufgrund der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu beachten, dass es dabei hinsichtlich der Wirkung auf den Verbraucher nicht mehr auf den "flüchtigen Verbraucher" ankommt, sondern von einem "durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbraucher" auszugehen ist. Auch der Bundesgerichtshof stellt inzwischen auf dieses neue Verbraucherleitbild ab, das nach Auffassung des Oberverwaltungsgericht deshalb jetzt auch in wettbewerbsrechtlich relevanten Fragen des Apothekenrechts zur Anwendung kommt.

Gesundheitstage sind erlaubt

Vor diesem rechtlichen Hintergrund erklärte es das Oberverwaltungsgericht für berufsrechtlich zulässig, wenn eine Apotheke gemeinsam mit einer Krankenversicherung Einzelaktionen in Form von Gesundheitstagen durchführt, die in Apothekenräumen stattfinden. In der Zusammenarbeit könne aus Sicht eines aufgeklärten Verbrauchers kein missbräuchlicher Einsatz "fremder Autorität" gesehen werden. Bei unbefangener Betrachtung dienten Gesundheitstage, auch in Kooperation mit einer Krankenkasse oder einem sonstigen Krankenversicherer, dem öffentlichen und privaten Interesse an der Gesundheit. Jedenfalls sei kein Verstoß gegen ein Gemeinwohlinteresse - wie es grundsätzlich zur Einschränkung der Berufsfreiheit erforderlich ist - zu erkennen.

"Wir sind immer für Sie da ..."

Dagegen sah das Gericht in dem Slogan einer Apothekenwerbung "Wir sind immer für Sie da - kostenlos unter: 0130/..." eine Irreführung des Verbrauchers, da im konkreten Fall keine "Rund-um-die-Uhr-Beratung" angeboten wurde, sondern die telefonische Beratung nur während der Öffnungszeit der Apotheke erfolgte. Auch verboten die Verwaltungsrichter der betroffenen Apotheke, "mit Hilfe der Veröffentlichung von Fotos zu werben, die die Apothekeninhaberin anlässlich der Übergabe eines symbolischen Schecks über einen Spendenbetrag zeigen". Nach § 9 Abs. 2 Nr. 7 der in Nordrhein-Westfalen geltenden Berufsordnungen ist es nämlich einem Apotheker untersagt, es zu dulden, dass Berichte oder Bildberichte mit werbendem Charakter über seine berufliche Tätigkeit angefertigt und mit Verwendung des Namens und der Anschrift der Apotheke veröffentlicht werden. Diese Bestimmung, deren Voraussetzungen im vorliegenden Fall vorlagen, ist nach Auffassung der Münsteraner Richter "mit höherrangigem Recht ohne weiteres zu vereinbaren".

Vorsicht vor Signalfarben

Wann liegt eine Anzeigenwerbung vor, die übertrieben wirkt? Auch mit dieser diffizilen Abgrenzungsfrage befasste sich das Oberverwaltungsgericht in seiner Entscheidung. Dabei kam es zu dem Schluss, dass vier bzw. fünf rot unterlegte und mit dem Apotheken-A versehene Wochenblatt-Anzeigen in einer Art und Weise ins Auge springen, dass sich davon niemand der optischen Wirkung entziehen kann und alle anderen Inserate verdrängt werden. Solche Anzeigen verstießen erkennbar gegen das Verbot von "nach Form und Häufigkeit übertriebener Werbung". Insbesondere die Signalfarbe Rot wirke besonders auffallend. Durch die geballte Art der Präsentation des Randsortiments entstehe beim "Durchschnittsverbraucher" der Eindruck, dass die werbende Apotheke vor allem auf die Steigerung ihres Warenumsatzes im Nebensortiment Wert lege. Dadurch werde das Vertrauen der Verbraucher in die Institution Apotheke beeinträchtigt.

Das Zugabeverbot gilt weiter

Streng argumentierte das Gericht auch im Zusammenhang mit dem von der Apothekerkammer ausgesprochenen Verbot, "einen Block mit Bleistift in einer Plastikhülle als Zugabe im Sinne der Berufsordnung" an Kunden abzugeben. Auch dieses Verbot fand die Billigung des Oberverwaltungsgerichts. Nach § 9 Abs. 2 Nr. 9a der nordrhein-westfälischen Berufsordnungen für Apothekerinnen und Apotheker ist "vorbehaltlich einer Würdigung der konkreten Umstände des Einzelfalls . . . das Gewähren von Zugaben und Zuwendungen mit Ausnahme von apothekenüblichen Kunden- und Kinderzeitungen oder -zeitschriften sowie Kurzinformationen mit beratendem Inhalt, ferner Kalendern" nicht erlaubt.

Die Gültigkeit dieser Vorschrift, so das Gericht, werde nicht dadurch beeinflusst, dass die Zugabeverordnung Mitte des Jahres außer Kraft getreten ist. Zwar läge es nahe, diese Gesetzesänderung auch zum Anlass einer Lockerung des standesrechtlichen Zugabeverbots zu nehmen - zwingend sei dies jedoch nicht, da Apotheker keine "gewöhnlichen Gewerbetreibenden" sind und im Gesundheitswesen einen öffentlichen Auftrag erfüllen.

Nach Auffassung des Gerichts ist die grundsätzliche Untersagung von Zugaben in § 9 Abs. 2 Nr. 9 der Berufsordnungen auch im Lichte des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und des Grundrechts der Berufsfreiheit unbedenklich, da die Bestimmungen neben den ausdrücklich zugelassenen Ausnahmen auch sonst in konkreten Einzelfällen abweichende rechtliche Beurteilungen erlauben.

Lieferservice für Heil- und Hilfsmittel darf nicht beworben werden

Schließlich bestätigte das Oberverwaltungsgericht auch das Verbot der Apothekerkammer, "einen Lieferservice für Heil- und Hilfsmittel zu bewerben". Rechtsgrundlage hierfür ist § 9 Abs. 1 Satz 2 der Berufsordnungen, der eine irreführende Werbung verbietet, in Verbindung mit § 9 Abs. 2 Nr. 6, der einen Hinweis auf einen Zustelldienst für Arzneimittel innerhalb und außerhalb der Apotheke untersagt. Auch ein durchschnittlich informierter, aufmerksamer und verständiger Verbraucher werde nach Auffassung des Senats nämlich den Begriff Heilmittel entweder als einen Oberbegriff verstehen, der Arzneimittel mitumfasst, oder aber für ein Synonym für Arzneimittel halten. Deshalb und vor dem Hintergrund, dass § 43 des Arzneimittelgesetzes die Auslieferung von Arzneimitteln aus der Apotheke in der Regel verbietet, sei die Bewerbung eines Lieferservices für Heil- und Hilfsmittel irreführend und verboten.

Mit seinem Urteil bestätigt das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen weitgehend die erstinstanzliche Entscheidung des Verwaltungsgerichts Düsseldorf. Das Urteil der Münsteraner Richter ist noch nicht rechtskräftig.

Enge Grenzen für Werbe- und Marketingaktionen von Apotheken hat das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen in einem – noch nicht rechtskräftigen – Urteil gezogen. Dabei stellte das Gericht fest, dass bei der Auslegung von Werbeverboten in Berufsordnungen nicht auf den flüchtigen Verbraucher, sondern auf einen "durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbraucher" abzustellen ist.

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