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Disease-Management-Programme: Ersatzkassen stellen Qualitätskonzept für Chro

BERLIN (ks). Herbert Rebscher, Vorstandsvorsitzender des Verbandes der Angestellten-Krankenkassen und des Arbeiter-Ersatzkassen-Verbandes, (VdAK/AEV), verspricht sich von der Einführung von Disease-Management-Programmen (DMP) eine deutliche Verbesserung der medizinischen Versorgung chronisch Kranker. DMP sind Bestandteil der Neuregelung des Risikostrukturausgleichs (RSA) in der Gesetzlichen Krankenversicherung: Krankenkassen, die ihren chronisch kranken Versicherten spezielle Programme anbieten, sollen im Gegenzug verstärkt beim Finanztransfer zwischen den Kassen berücksichtigt werden. Gemeinsam mit Professor Karl Lauterbach vom Institut für Gesundheitsökonomie an der Universität zu Köln, stellte Rebscher am 17. Oktober in Berlin das Konzept der Ersatzkassen für qualitativ hochwertige DMP vor.

Damit die DMP zu einem wirklichen Erfolg führen, müssten hohe Maßstäbe an die Qualität, Nachvollziehbarkeit und Überprüfbarkeit angelegt werden, sagte Rebscher. Auf keinen Fall dürfe die Anbindung der DMP an den RSA dazu führen, dass die Kassen "quick and dirty-Programme" schaffen, um möglichst viel Geld aus dem RSA-Topf zu erhalten.

Über 50 Prozent der Chroniker unzureichend versorgt

Lauterbach, der auch Mitglied des Sachverständigenrats für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen ist, hat in einem Gutachten für den VdAK/AEV die Voraussetzungen, Rahmenbedingungen und Faktoren zur Einbindung von DMP in das Gesundheitssystem untersucht. Grundsätzlich hält er DMP für ein geeignetes Instrument, um die Situation chronisch Kranker entscheidend zu verbessern. Gegenwärtig werde weniger als der Hälfte der chronisch Kranken eine kontinuierliche und qualitativ hochwertige Versorgung nach dem neuesten Stand der Wissenschaft zuteil.

Mit guten DMP könnten nach Lauterbachs Einschätzung mehr als 80 Prozent der Betroffenen erreicht werden. Die Programme könnten zudem kurzfristig für einen gleichzeitigen und gleichmäßigen Abbau der Über-, Unter- und Fehlversorgung sorgen und dadurch Kosten sparen. Die Verknüpfung mit dem RSA würde für Kassen mit vielen chronisch kranken Versicherten eine wirtschaftliche Entlastung mit sich bringen. Dennoch hält Lauterbach einige Verbesserungen des Gesetzentwurfes für nötig.

Abbau von Über-, Unter- und Fehlversorgung

So könnten DMP nur dann Kosten stabilisieren, wenn sie qualitätsgesichert seien und darauf abzielten, gleichzeitig Über-, Unter- und Fehlversorgung abzubauen. Gegenwärtig ist im Gesetzentwurf vorgesehen, dass Leistungsausgaben von Versicherten, die in DMP eingeschrieben sind, im RSA besonders zu berücksichtigen sind.

Lauterbach gibt zu bedenken, dass dies für einige Kassen einen Anreiz schaffen könnte, möglichst viele ihrer Versicherten für eine Einschreibung zu gewinnen, ohne dass jedoch qualitätsgesicherte Programme angeboten werden. Wer sich etwa einseitig auf den Abbau von Unterversorgung konzentriert, sollte aus der Förderung durch den RSA ausgeschlossen werden. Die wichtigsten Versorgungsziele zum Abbau von Über-, Unter- und Fehlversorgung sollten nach Auffassung Lauterbachs im Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch (SGB V), durch die Spitzenverbände definiert werden.

Orientierung an evidenzbasierten Leitlinien

Weiterhin fordert Lauterbach, dass zur Vermeidung widersprüchlicher Standards pro Krankheit drei bis vier evidenzbasierte Leitlinien festgelegt werden. Daran orientierte Versorgungsziele sowie Standards zur Erreichung dieser Ziele müssten von den Spitzenverbänden der Krankenkassen einheitlich definiert werden. Nur so sei zu erreichen, dass die Versorgungsqualität verbessert und die Kosten stabilisiert werden.

Dokumentierung der Behandlung und ihrer Ergebnisse

Letztlich, so Lauterbach, müssten die Einschreibekriterien für DMP möglichst manipulationssicher festgelegt werden. Dies könnte mithilfe eines minimalen "Benchmarkingdatensatzes" geschehen, der nach evidenzbasierten Parametern gewisse Patientendaten abfragt, so etwa einige Laborwerte, die durchgeführten Untersuchungen und für den Patienten bedeutsame Arzneimittel, zudem, ob dem Patienten geeignete Schulungen angeboten wurden. So könnte die Prozess- und Ergebnisqualität der Programme sicher dokumentiert und gemessen werden. Auch ließe sich ermitteln, welche DMP besonders zur Verbesserung der Versorgungsqualität beitragen.

Rebscher: Patienten sind bereit für DMP

Rebscher betonte, dass die Ersatzkassen entsprechend qualitätsgesicherte DMP bereits vorbereiten und sich dabei auf alle Krankheiten konzentrieren, die vom Sachverständigenrat für DMP-fähig befunden wurden (Diabetes, Hypertonie, Koronare Herzkrankheit, Brustkrebs, Schlaganfall, Herzinsuffizienz und Asthma). Derzeit werde bei chronisch kranken Versicherten eine Befragung durchgeführt, um die Schwachstellen im gegenwärtigen Versorgungssystem aufzudecken und die Bereitschaft von Chronikern an DMP teilzunehmen, zu ergründen.

Rebscher berichtete, die noch nicht veröffentlichte Umfrage habe ergeben, dass sich 51 Prozent der chronisch Erkrankten sicher in die Programme einschreiben würden. 37 Prozent gaben an, sie würden wahrscheinlich teilnehmen. Der Ersatzkassen-Chef erhofft sich von der Einführung der DMP, dass der Wettbewerb unter den Kassen künftig darauf abzielt, wer die besten Programme für Chroniker anbietet.

RSA-Gesetzentwurf in letzter Beratungsphase

Der Gesetzentwurf zur Neuregelung des RSA, mit dem die DMP eingeführt werden sollen, wird am 7. November abschließend im Gesundheitsausschuss beraten. Die Verabschiedung im Bundestag ist für den 9. November vorgesehen. Änderungen sind also noch möglich. Vielleicht hat Rebscher bei den DMP mehr Glück als beim so genannten Grundlastmodell, das die Fraktionen vergangene Woche begraben haben. Die Ersatzkassen hatten dieses als Ausgleich für den gekippten Mindestbeitragssatz gefordert. Jene Kassen, die mehr Kassen aus dem RSA-Topf erhalten als sie tatsächlich für die Versorgung ihrer Versicherten benötigen, sollten hierdurch stärker zur Kasse gebeten werden. Martin Pfaff von der SPD-Arbeitsgruppe Gesundheit griff die Idee der Ersatzkassen zwar auf, vermochte aber weder seine Fraktionskollegen noch die Gesundheitsministerin von dem Modell zu überzeugen.

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