Berichte

DPhG-Fachgruppe Pharmazeutische Biologie wieder reaktiviert

Nach langen Jahren der Pause veranstaltete die Fachgruppe Pharmazeutische Biologie der DPhG am 11. Oktober 2001 bei der diesjährigen Jahrestagung der Gesellschaft in Halle wieder ein Vorsymposium. Das aktuelle Thema lautete: Vom Pflanzenextrakt zum Phytopharmakon.

Angeregt wohl durch den Präsidenten der DPhG selbst - Professor Dingermann kommt ja aus dieser Fachrichtung -, hatte PD Dr. Susanne Alban von der Pharmazeutischen Biologie der Universität Regensburg die Vorbereitung und Leitung des Vorsymposiums in die Hand genommen. Mit diesem "Revival" wolle sich die Fachgruppe wieder verstärkt in die DPhG einbringen, so begründete Alban in ihrer Begrüßung den zahlreichen Teilnehmern aus Industrie und Forschung ihre Initiative. Eine intensivierte Mitarbeit und fachpolitische Aktivität solle zudem die Zugehörigkeit zur DPhG wieder klar demonstrieren und zugleich die Interdisziplinarität der Pharmazie in der Forschung stärken.

Mit Erscheinen der Positivliste sind Phytopharmaka verstärkt in den Brennpunkt der Diskussionen geraten. Etwa 70 Prozent aller Phytos basieren auf Pflanzenextrakten. In einhelliger Meinung, dass sie als Bestandteil einer rationalen medikamentösen Behandlung von Patienten denselben höchsten Qualitäts-, Effizienz- und Sicherheitsansprüchen Rechnung tragen müssen wie synthetische Monopräparate, hatte man "den Extrakt" in den Mittelpunkt der Veranstaltung gestellt.

Extraktmonographien in der Ph. Eur. neu überarbeitet

Prof. Dr. G. Franz, Regensburg, der direkt von der Expertensitzung 13B der Europäischen Arzneibuch-Kommission aus Straßburg kam, berichtete über den neuesten Stand der dortigen Beratungen. Gegenüber den 120 Pflanzenmonographien im derzeitigen Europäischen Arzneibuch sei der Anteil von derzeit nur sechs Extraktmonographien vergleichsweise gering. Noch gelten hier weitgehend die Vorschriften der nationalen Pharmakopöen und Vorschriftensammlungen, die aber allmählich durch die europäischen Regelungen abgelöst werden. Die Überarbeitung inzwischen veralteter Extraktmonographien sind in Straßburg Hauptthema einer "flächendeckenden" Kommission aus allen Bereichen der Pflanzenforschung und -verarbeitung.

In der 4. Ausgabe 2001 des Europäischen Arzneibuches werden dazu neueste Erkenntnisse aus Analytik und pharmakologisch-klinischen Ergebnissen berücksichtigt, um für Hersteller und Anwender eine europaweite Basis zu schaffen. Nach anfänglichen Überlegungen sollten Extrakte nach folgenden Kriterien in einer Hierarchie definiert werden:

  • Typ-A-Extrakte können auf bestimmte therapeutisch aktive Inhaltsstoffe standardisiert/normiert werden, bei denen klare Dosis-Wirkungs-Beziehungen nachweisbar sind (Beispiele: Belladonanna-, Senna-Extrakt).
  • Typ-B-Extrakte sollen durch chemisch definierte Inhaltsstoffe charakterisiert werden, die wesentliche Beiträge zur klinischen Effizienz leisten und von denen wissenschaftlich relevante pharmakologische Eigenschaften bekannt sind (sog. Wirksamkeits-mitbestimmende Inhaltsstoffe). Beispiele sind Ginkgo- oder Hypericum-Extrakt.
  • Typ-C-Extrakte würden analytisch überprüfbare Marker- oder Leit-Substanzen enthalten, die nicht eindeutig mit pharmakologischen und klinischen Effekten korrelierbar sind, aber wichtige Kontrollparameter darstellen (Beispiele: Baldrian- oder Passionsblumen-Extrakt). Für sie ist die genaue Beschreibung der Herstellungstechnologie analytisch grundlegend.

In der endgültigen Form, die im November der Europäischen Arzneibuch-Kommission zur Verabschiedung vorgelegt wird, sind die engen Klassifizierungen mit A, B und C weggefallen. Dafür konnte man sich in der Expertengruppe auf eine "weichere" Formulierung - wie folgt - einigen:

  • Verschiedene Extrakttypen können unterschieden werden:
  • Standardisierte Extrakte werden auf einen vorgegebenen Gehalt an therapeutisch aktiven Inhaltsstoffen eingestellt.
  • Quantifizierte Extrakte werden auf einen definierten Bereich von Inhaltsstoffen eingestellt.
  • Andere Extrakte sind im wesentlichen durch den Produktionsprozess definiert."

Die neue Spezifizierung nach "liquid extracts (hier werden in Zukunft auch Tinkturen subsumiert), semisolid extracts und solid extracts" steht ebenfalls vor der Verabschiedung. An stringenteren Prüfmethoden auf Schwermetalle, Aflatoxine, Pestizidrückstände und Radioaktivität wird noch gearbeitet.

Franz betonte, dass alle Neubearbeitungen der AB-Kommission zwar in Pharmeuropa zur allgemeinen Stellungnahme vorpubliziert werden (in der DAZ wird regelmäßig auf den Inhalt der Pharmeuropa-Ausgaben hingewiesen), dass die erwünschte Resonanz, z. B. von Seiten der verarbeitenden Industrie, aber immer noch relativ gering sei.

Extraktpräparate - eine Herausforderung an die Technologie

Dass moderne Phytopharmaka besondere Herausforderungen an den Technologen stellen, zeigte Prof. Dr. P. C. Schmidt, Tübingen, im folgenden Teil des Symposiums auf. In den heute gängigen Darreichungsformen Kapseln, Tabletten, Filmtabletten oder Dragees beträgt der Anteil des verarbeiteten Extrakts oft bis zu 80 Prozent des Gesamtgewichtes. Dem gemäß bestimmen dessen Eigenschaften - ob hygroskopisch, schlecht fließfähig oder schwer verpressbar - seine Verarbeitbarkeit zum Fertigarzneimittel.

Viele solcher nachteiligen Eigenschaften eines Extraktes beruhen eher auf den Extraktbegleitstoffen wie Zucker, organischen Säuren und ihren Gegenionen, Fett, Wachs, Pektinen oder Proteinen, die normalerweise inert sind, daher gar nicht bestimmt werden und deswegen auch nicht bekannt sind. Außerdem variieren sie stark von Charge zu Charge. Als besonders schwierig erweisen sich hygroskopische und quellende Extraktanteile wie etwa Zucker, die Tabletten und Dragees bei der Lagerung platzen lassen oder die Zerfallszeit stark verlängern. Fette und Wachse bedingen häufig eine schlechte Fließfähigkeit und Verpressbarkeit pflanzlicher Extrakte.

Gute Ergebnisse erzielte man im Tübinger Arbeitskreis mit der Trockengranulation entweder in Kompaktierung oder Brickettierung solch schwierig zu verarbeitender Extrakte. Sie hat in der Pharmazie bisher wenig Eingang gefunden, dürfte aber zukünftig das Mittel der Wahl sein. Zudem konnte man in Studien an Hypericum-Trockenextrakten feststellen, dass die Kompaktierung zu einer Verbesserung der Zerfallszeit der Tabletten und der Auflösungsgeschwindigkeit des Wirkstoffes führt.

Eine weitere Möglichkeit, die Zerfallszeit zu regulieren, stellt die Menge und Art der Einarbeitung des nötigen Schmiermittels dar. Bei Hypericum-Extrakten reichte die Zugabe von Magnesiumstearat zur inneren Granulatphase, um eine optimale Wirkstofffreisetzung zu erreichen. Schmidt betonte abschließend, dass gerade bei pflanzlichen Zubereitungen der Optimierung der Arzneiform eine besondere Bedeutung zukomme.

Geringere Verordnung pflanzlicher Arzneimittel durch Kassenärzte

Zu einem Politikum habe sich inzwischen die Frage nach der Verschreibbarkeit pflanzlicher Arzneimittel entwickelt, beklagte Prof. Dr. Volker Schulz, Berlin, die derzeitige Lage auf dem Phytosektor. Bis jetzt sei ein Rückgang von fast 30 Prozent der vertragsärztlichen Verordnungen zu erkennen. Und wenn diese Entwicklung nicht aufgehalten werden könne, seien "moderne Phytopharmaka in fünf Jahren vom Markt".

Das Ziel der Kampagne, durch die "Ausrottung umstrittener Arzneimittel" (so manche Stimmen) die Gesamtkosten für Arzneimittel zu Lasten der GKV zu reduzieren, habe sich aber ins Gegenteil gekehrt, sodass die Kostenkurve steiler denn je ansteigt. Dass dies nicht unbedingt, wie von Seiten der Phytogegner begründet, mit einer notwendigen Modernisierung der Arzneimitteltherapie zusammenhängt, zeigte Schulz anhand des Vergleichs der Wirkung moderner Antidepressiva mit Johanniskraut-Präparaten.

Die differenzierte Analyse einer großen Zahl plazebokontrollierter Studien machte deutlich, dass bei dem Indikationsgebiet "leichte und mittelschwere Depressionen" die Arzneistoffe - unabhängig von ihrer chemischen oder pflanzlichen Herkunft - nur zu etwa einem Drittel, die Therapeuten und deren Umfeld dagegen zu etwa zwei Dritteln zum Behandlungsergebnis beitragen. Ein guter Arzt erziele demnach mit einem pharmazeutisch gut definierten Johanniskrautpräparat nahezu denselben Heileffekt wie mit einem dreifach teureren "innovativen" Antidepressivum.

In der Auswertung der Daten habe sich gezeigt, dass sich die Responserate (entsprechend die Erhöhung der Wirksamkeit) synthetischer Antidepressiva in den letzten 40 Jahren kaum verändert hat, wenn auch ihre Verträglichkeit. Die therapeutische Praxis stellt somit bei bestimmten Indikationen den Sinn kostspieliger Neuentwicklungen in Frage.

Das Beispiel Johanniskraut mache aber auch deutlich, wie wichtig es ist, dass Phytotherapeutika in der Hand des Arztes und Apothekers bleiben. Denn die viel diskutierten Wechselwirkungen machen die Kontrolle durch einen Arzneimittelfachmann erforderlich. Zudem lassen sich durch eine fachkundige, von Ärzten und Apothekern gelenkte Therapie mit Phytopharmaka in geeigneten Anwendungsgebieten die ins Immense steigenden Ausgaben für neue, kostenintensive, aber nicht immer effizientere Arzneimittel vermeiden. Das dadurch gesparte Geld könne sinnvoller verwendet werden.

Besorgniserregend sei der Trend der Auslagerung von Phytopräparaten in Drogerien und Gesundheitsregale des sonstigen Einzelhandels sowie in die Paramedizin, bedeute er doch den unaufhaltsamen Untergang rationaler Phytotherapeutika. Schulz mahnte zu mehr Ökonomie in der Arzneitherapie sowie zur unbedingten Beibehaltung ihrer Kontrolle durch die Schulmedizin.

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