Toxikologie

U. SchulteB-Waffen – Bedrohung durch Mikroben

Die Bedrohung unserer Bevölkerung durch biologische Waffen wird in den letzten Wochen und Monaten stark diskutiert. Seit den Flugzeugattentaten des 11. September 2001 in New York und Washington sind Anschläge mit krankmachenden biologischen Agenzien ein dominierendes Thema in den politischen Nachrichten und Kommentaren. An solchen B-Waffen wird in einigen Ländern trotz weltweiter Ächtung immer noch geforscht.

Krankheit als Waffe - Biologische Kampfstoffe

Krankheit als Waffe gegen Menschen einzusetzen, ist kein neues Thema. Die technische Revolution in Biologie und Medizin der letzten zwei Jahrzehnte rückt die daraus resultierenden Gefahren wieder stärker in den Blick. Die Angst vor dieser "Atombombe des kleinen Mannes" ist nicht unbegründet. Denn trotz permanenten Geredes von der Ächtung biologischer Waffen arbeiten einige Staaten nicht nur an Vakzinen und Antibiotika, sondern versuchen auch, durch infektiöse Bakterien, Viren, Rickettsien usw. weiter aufzurüsten. Die Bedrohung durch terroristische Anschläge ist in den letzten Wochen offensichtlich geworden.

140 Nationen haben 1975 das Bio- und Toxin-Waffen-Protokoll zur Ächtung der Waffengattung unterzeichnet. Doch es ist unerheblich, ob ein Land betont, ausschließlich defensiv zu forschen. Denn ohne das Wissen über die aggressiven Organismen kann keine rein abwehrende Forschung betrieben werden. Der "dual use", also der doppelte Nutzen daraus ist die Erweiterung der eigenen Biowaffenkompetenz und die Ausweitung der medizinisch-pharmakologischen Fähigkeiten zu deren Abwehr.

Jenseits der Biologie ist die Applikationsforschung ein wichtiger Teil der B-Waffenforschung. Um ein begrenztes Gebiet großflächig zu verseuchen, erscheint die Kontamination der Atemluft als sehr effektiv. Die Agenzien müssen lagerfähig gemacht werden, um sie mit einem Schlag als Aerosole und dünne Nebel verbreiten zu können. Temperatur und Wetter spielen beim Ausbringen die entscheidende Rolle. Bakterien und Viren sind meistens sonnenlichtempfindlich. Wind und Feuchtigkeit senken die Wirkung. "Ideal" wäre deshalb die Anwendung in der Morgendämmerung bei Inversionswetterlage.

In der Vergangenheit gab es solche Versuche. Die Sowjetunion traktierte regelmäßig Affen auf der tränenförmigen "Insel der Wiedergeburt" im Aralsee. Über die USA wurde bekannt, dass z. B. 1966 in der U-Bahn von New York Bacillus subtilis freigesetzt worden ist, um die Ausbreitung eines Erregers zu studieren.

Alte Bekannte und neue Genossen

Bakterien und Viren scheinen ideal für den Einsatz als B-Waffen. Aggressive Mutanten von bereits unangenehmen Vertretern sollten schnell vermehrt werden können. Doch die Entwickler sind bei Bacillus anthracis und Variola major nicht stehen geblieben (Tab. 1). In der Vergangenheit ist intensiv nach Krankheit und Tod bringenden Organismen gesucht worden. Die Molekularbiologie hilft kräftig dabei. Dass das HI-Virus von einem Biologen der untergegangenen DDR als ein aus einem B-Waffenlabor der USA entkommenes Agenz bezeichnet worden ist, mag dabei eine Anekdote bleiben. Doch wird die Biotechnologie, z. B. mit den Erkenntnissen der Gentherapie, ganz sicher auch die B-Waffenforschung weiter befruchten.

Darüber hinaus werden auch Rickettsien, Algen, Dinoflagellaten oder Pilze nach Toxinen abgesucht. Auch Weichkorallen (Krustenanemonen), Frösche oder Rizinus dienen in den Laboren als Versuchsobjekte bei der Suche nach neuen Supergiften (Tab. 2). Darauf soll hier nicht eingegangen werden. Ebenso wenig auf die kombinatorische Chemie, die jährlich 50 000 toxische Verbindungen identifiziert.

Neue Forschung

Die Gefahren eines B-Waffeneinsatzes - ob von Staaten oder Terroristen - sind erkannt. Denn in vielen Industriestaaten entstehen neue Zentren für die Forschung an Organismen der höchsten Gefahrenstufe. Allein in den USA gibt es neben den bekannten Seuchenlabors der Centers for Disease Control (CDC) in Atlanta und dem Armee-Forschungszentrum AMRIID in Fort Detrick (Maryland) drei weitere Hochsicherheitslabors. Vier Neubauten sind geplant.

Demnächst werden weltweit rund 30 solcher BSL4-Labors (Biosafety Level 4) in Betrieb sein. In Schweden öffnet im Herbst eins, die Briten stocken ihre Forschungskapazitäten auf fünf Hochsicherheitslabors auf, in Lyon wird die Forschung ausgebaut, und auch in Deutschland wird eins von zwei Zentren, das Hamburger Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin, mit 21 Millionen Mark ausgebaut und modernisiert.

Drei Faktoren bei Bacillus anthracis

Milzbrand tritt in der Regel bei Rindern, Schafen, Antilopen, Kamelen und anderen Herbivoren auf. Der Erreger Bacillus anthracis ist außer in Mitteleuropa nahezu überall in den landwirtschaftlichen Regionen zu finden. Die Tiere infizieren sich direkt über Boden und Gras, 80 Prozent sterben. Durch Kontakt mit tierischen Produkten gelangt der Erreger über kleine Verletzungen in den menschlichen Körper. Daher stammt der alte Name "Leder- und Fellverarbeiterkrankheit".

Als "Hadernkrankheit" wurde der noch gefährlichere Lungenmilzbrand bezeichnet, der durch Einatmen übertragen wird. Ohne Behandlung führt er durch Lungenblutungen unweigerlich zum Tod. Insekten wie die Rinderbremse können die Mikrobe durch Bisse übertragen. Der Mensch kann sich auch gastrointestinal infizieren. Am gefährlichsten jedoch ist die Inhalation der Sporen, wie sie bei einem B-Waffen-Einsatz vorkommen könnte. Die Infektion äußert sich zunächst als Erkältung. Nach einigen Tagen kommt es zu ernsten Atembeschwerden und Schockzuständen und schließlich zu einer Lungenentzündung. Drei Tage später ist der Infizierte tot.

B. anthracis wurde zwar von Robert Koch schon 1876 entdeckt, doch erst 1954 konnten seine toxischen Eigenschaften aufgeklärt werden. Bis dahin glaubte man, dass die enorme Zahl von mehr als 109 Bakterien/ml im Blut befallener Tiere einfach die Kapillaren verstopfen und so zum Tod führen. Doch virulente Stämme produzieren das aus drei Virulenzfaktoren zusammengesetzte Anthraxexotoxin.

  • Faktor I ist der Ödemfaktor EF. Diese inhärente Adenylatcyclase ist verantwortlich für die Ödembildung.
  • Faktor II ist das protektive Antigen PA. Es ist die bindende Domäne für EF und LF.
  • Faktor III ist der Letalfaktor LF. Er ist - in Kombination mit EF und PA - essenziell für die Letalität.

Zusätzlich bildet das Bakterium eine Kapsel aus Poly-D-Glutamat-Polypeptiden, die es gegen Bakterizide und vor Phagozytose schützt. Infizierte Personen können mit Antibiotika behandelt werden. Allerdings sind auf dem Balkan penicillinresistente Stämme beobachtet worden. B. anthracis bildet unter aeroben Bedingungen sofort Sporen. Erst bei steigenden CO2-Gehalten werden Kapsel und Virulenzfaktoren gebildet. Das CO2-Signal ist physiologisch wichtig für die Keimung. Die Sporen können Jahrzehnte auf der Wiese auf die Gelegenheit zur Infektion warten. Rex Watson, der Direktor der britischen BC-Waffen-Abwehr, wurde 1981 so zitiert: "Falls Berlin im Zweiten Weltkrieg mit Anthrax-Bakterien bombardiert worden wäre, wäre es noch immer kontaminiert."

Wurstkampfstoff

Jedermann weiß, dass er keine gekochten Bohnen wieder aufwärmen soll oder rohes Hackfleisch nicht allzu lange lagern darf. Denn das Bakterium Clostridium botulinum bildet sehr schnell ein Toxin, das die Ausschüttung von Acetylcholin verhindert. Die Muskeln können dann nicht mehr kontrahieren. Weitet sich diese Paralyse auf den Brustkorb aus, kann der Infizierte an Atemnot sterben. Das Botulinum-Toxin ist ein extrem giftiger Stoff, der leicht herstellbar ist und als biologische Waffe dienen könnte.

Eine Vakzine ist zwar verfügbar. Doch Massenimpfungen würden den therapeutischen Einsatz von Botulinum-Toxin (Botox, Dysport) bei Dystonien, Migräneattacken und anderen Problemen gefährden. Terroristen haben bereits versucht, damit Unheil anzustiften. 1984 waren bei einer Razzia in einem von der RAF angemieteten Haus in Frankreich einige Fläschchen mit C. botulinum gefunden worden. Die Aum-Shinrikyo-Sekte in Japan hatte das Toxin Anfang der 90er-Jahre dreimal erfolglos als Terrorwaffe eingesetzt.

Die Blattern "sterben" nicht aus

Ein Krankenhauskoch der Stadt Merka in Somalia war 1977 das letzte Pockenopfer - vermeintlich. Seither gilt diese Geisel der Menschheit als ausgerottet. Doch 1978 kam es durch einen Laborunfall in Birmingham in England zu einem Toten. Weitere Unfälle sind zwar nicht bekannt, Birmingham war aber ein deutlicher Hinweis, dass mit Pocken weiter gearbeitet wurde.

Das Pockenvirus Variola major ist sehr zäh, es bleibt über einen langen Zeitraum sogar in der kontaminierten Wäsche eines Erkrankten infektiös. Der Mensch als einziger echter Wirt kann es durch Husten übertragen. V. major nistet sich in Zellen nahe der Hautoberfläche und im neuronalen System ein. Die Infektion stoppt die normale DNA-Synthese der Zelle. Nach der Inkubationszeit von sieben bis zehn Tagen kommt es plötzlich zu hohem Fieber, Erbrechen, Kopfschmerzen und einer merkwürdigen Steifigkeit der Glieder. Einige Tage später bildet sich ein Ausschlag im Gesicht, der sich zügig ausbreitet. Die Pusteln verschorfen nach wenigen Wochen, trocknen schließlich aus und werden zu den entstellenden Blattern.

Pocken töten 30 bis 50 Prozent der Infizierten, bei einer Erkrankungsrate von bis zu 90 Prozent. Liegen die Symptome vor, gibt es kein Mittel der Heilung mehr. Viele Patienten erblinden oder sind ihr Leben lang entstellt (Pockennarben). Bösartige Formen wie die Schwarz- oder Rotpocken führen binnen weniger Tage zum Tod.

Pocken machen nervös

Wie nervös die beteiligten Staaten bei diesem Thema sind, zeigt der Wirbel um die Vernichtung der Pockenviren. Am 30. Juni 1999 sollten die letzten Pockenvirusstämme aus den Gefriertruhen genommen und zerstört werden. Doch die USA hatten sich geweigert, da noch Forschungsbedarf bestehe. Möglicherweise gibt es auch heute noch weit mehr als ein paar Petrischalen im Zentrum für Seuchenkontrolle in Atlanta und im Iwanowski-Institut für Virologie in Moskau. Denn zumindest die Sowjetunion hatte seit den 70er-Jahren 20 Tonnen davon vorrätig. Soviel hielt man offenbar für notwendig.

Zur Produktion wurden monatlich hunderttausende Eier mit feinen Spritzen infiziert und ein paar Tage lang bebrütet. In den Hühnerembryonen vermehrten sich die Viren sehr gut. Als Flüssigei ließ sich der Kampfstoff ein Jahr tiefgefroren lagern. Noch 1990 ist eine Anlage zur Produktion von 100 Tonnen Pockenviren pro Jahr gebaut worden. Parallel wurden genetisch veränderte Virenstämme entwickelt.

Die Überlegungen der Roten Armee waren einfach. Es gibt keine ausreichenden Mengen an Pockenimpfstoff mehr. Da kein Kind mehr geimpft wird, wäre die Welt sehr anfällig. Und der KGB hatte mit Indien-1 Ende der 50er-Jahre einen hochvirulenten Stamm auf dem Subkontinent gefunden, der bereits nach fünf Tagen zum Ausbruch der Erkrankung führte. Als die WHO am 8. Mai 1980 die Ausrottung der Pocken bekannt gab, setzte die Forschung in der Sowjetunion erst richtig ein.

Von Marburg bis Zaire

Am 8. August 1967 meldete sich ein Laborant der Behringwerke in Marburg krank. Er klagte über trocknen Mund, brennende Augen und starke Kopfschmerzen. Er hatte Grünen Meerkatzen der Art Cercopithecus aethiops die Schädel aufgesägt und das Hirn entnommen. Einige Wochen später war er tot. Der Affe stammte aus Uganda. In Frankfurt und Belgrad traten weitere Fälle auf. Noch fünf Tote waren zu beklagen. Als die Meerkatze als Überträger identifiziert war, wurden die übrigen 600 Exemplare mit Blausäure vergast. Neun Jahre später starben am Ebola-Fluss in Zaire und im Sudan 430 Menschen an einer ähnlichen Krankheit.

Marburg- und Ebola-Virus sind die ersten bekannten Vertreter der Filoviridae. Sie sind so pathogen, dass sie nur in Laboren der höchsten Sicherheitsstufe (BSL4) bearbeitet werden dürfen. Das Virus ist fadenförmig und mit bis zu 14 Mikrometern sehr lang. Es besitzt eine Lipidhülle. Das Genom ist eine einzelsträngige, lineare RNA mit negativer Polarität. Die Viren gehören damit zur Gruppe der Mononegavirales.

Nach bis zu 14 Tagen Inkubationszeit setzen plötzlich Schüttelfrost, hohes Fieber und Schmerzen überall ein. Ab dem dritten Tag kommt es zu Erbrechen, Diarrhö mit schleimigen, manchmal blutigen Stühlen, masernartigen Exanthemen, Enanthemen und zu hämorrhagischer Diathese. Es gibt keinerlei Therapiemöglichkeiten oder Impfungen. Der ehemalige sowjetische Militärbiologe Ken Alibek schildert den Fall eines Opfers wie folgt: "Das geheimnisvolle Virus schien die Organe der Betroffenen zu verflüssigen. Einer der Überlebenden wurde wahnsinnig, als das Virus seine Gehirnzellen auflöste. Kurz bevor die Opfer starben, war jeder Zentimeter ihres Körpers blutgetränkt." Neben Marburg und Ebola sind in der Vergangenheit zahlreiche weitere Viren (Tab. 1) auf ihre Waffentauglichkeit hin getestet worden.

Pflanzen als Opfer und Ziel

Die Phytopathologie hat wesentlich dazu beigetragen, dass Europa den Hunger nicht mehr kennt. Dieses Wissen lässt sich aber auch als Hungerwaffe einsetzen. Die zwar meistens auf menschliche Fehler zurückgehenden Katastrophen, wie die durch die Kraut- und Knollenfäule der Kartoffel ausgelöste Hungersnot in Irland 1854, zeigen, was Phytopathogene anrichten können.

Die Arbeiten der Biowaffenentwickler konzentrierten sich auf die wichtigsten Nahrungspflanzen wie Weizen oder Reis. Zu den Kandidaten gehören der Rostpilz Puccinia graminis ssp. tritici und Tilletia tritici, ein Brandpilz an Weizen, sowie das Bakterium Xanthomonas campestris pv. oryzae, das den Reis befällt. Während des Koreakrieges sollen die USA eine "Antikornbombe" entwickelt und möglicherweise auf Reisfeldern abgeworfen haben. Ein besonders barbarischer Akt ist der Einsatz von Herbiziden während des Vietnamkrieges gewesen. 72 Millionen Liter waren damals versprüht worden, um den Urwald zu entlauben und dem Vietkong die Deckung zu nehmen.

Die US-Armee hatte bereits 1951 die damals neuen und schnell wirkenden Phenoxyherbizide im Versuch. In Vietnam testeten die USA 15 verschiedene Mischungen, die mit Codenamen versehen waren. Agent Orange - in orangefarbenen Fässern - erwies sich als am wirksamsten. Es bestand aus je 50 Prozent 2,4-D (2,4-Dichlorphenoxyessigsäure) und 2,4,5-T (2,4,5-Trichlorphenoxyessigsäure). Mit Kerosin oder Diesel versetzt, wurden fast 45 Mio. Liter davon über Südvietnam versprüht. Die übereilte Produktion des Herbizids führte jedoch zu seiner Kontamination mit 2 bis 40 ppm 2,3,7,8-Tetrachlordibenzo-p-dioxin (TCDD). Üblich waren 0,05 ppm. Die Wälder Vietnams wurden deshalb fast tausend Mal höher als die Äcker in den USA mit einem extrem giftigen Stoff verseucht, der allerdings keine B-Waffe ist. 4 bis 6 mg/kg Körpergewicht sind für den Menschen tödlich. Einen Zusammenhang zwischen TCDD und vielen tausend missgebildeten Kindern in Vietnam streiten die USA noch heute ab.

Die Idee, Vegetation großflächig zu vernichten, ist heute noch aktuell, wie das nächste Beispiel zeigt: Zur Lösung ihres nationalen Drogenproblems haben die USA gemeinsam mit den Vereinten Nationen ein biologisches Programm aufgelegt, um den Anbau der Drogenpflanzen Koka, Hanf und Schlafmohn in Südamerika und Asien zu erschweren. Dazu sollen Stämme der Pilze Fusarium oxysporum und Pleospora papaveraceae eingesetzt werden. Ein Problem dieses Vorgehens ist die Tatsache, dass F. oxysporum das für den Menschen toxische Trichothecin bildet und deshalb zu den B-Waffen zählt (Tab. 2). Doch das scheint keine Rolle zu spielen, da ja Pflanzen vernichtet werden sollen. P. papaveraceae ist in Usbekistan bereits im Feldversuch getestet worden.

Gentechnik - von der Hasenpest bis E. coli

In den USA wurde 1986 der Virulenzkomplex von B. anthracis in Escherichia coli übertragen. In diesem harmlosen Darmbewohner wirkten die letalen Faktoren genau so tödlich wie im Milzbranderreger. Die bloße Tatsache solcher Forschungen sagt nichts über deren Zweck aus. Schließlich kann ja alles defensiven Zielen dienen oder als Grundlagenforschung durchgehen.

So wurde an der Sanitätsakademie der Bundeswehr in München in einem defensiven Ansatz dem Bakterium Francisella tularensis ssp. holarctica, einer Unterart des Tularämieeregers, eine Tetracyclin- und Chloramphenicol-Resistenz zusammen mit einem Fluoreszenz-Gen eingepflanzt, um den Krankheitsverlauf der Hasenpest zu untersuchen. In Porton Down in England und in Amherst in den USA sind virulente Stämme von B. anthracis antibiotikaresistent gemacht worden. Ähnliche Arbeiten gibt es auch in Frankreich und Russland.

Antibiotikaresistenzen dienen im Allgemeinen als Marker für die Genmutation. Deshalb kann hier keine Angabe über den Zweck solcher Arbeiten gemacht werden. Eindeutig ist aber das Ergebnis, das russische Forscher 1997 in der Zeitschrift Vaccine veröffentlichten. Sie änderten mit gentechnologischen Methoden die Immunpathogenität virulenter B.-anthracis-Stämme. Die existierenden Anthrax-Vakzine wurden damit unwirksam. Doch gleichzeitig entwickelten sie gegen diesen maskierten Stamm ein spezielles Vakzin. In der Konsequenz bedeutet das, dass die eigenen Soldaten gegen diese B-Waffe immunisiert werden könnten.

Angriff an Hormonen

Russische Forscher haben ein Gen für die Synthese von beta-Endorphin, dem so genannten Glückshormon, in einen schwach virulenten Vakzinstamm von Francisella tularensis, dem Erreger der Hasenpest oder Tularämie, eingebaut. Infizierte Personen sollten sich dadurch über ihren Gesundheitszustand täuschen. Ehe die Krankheitsursache erkannt wäre, käme jede Hilfe zu spät. Endorphine sind körpereigene Hormone. In abnormen Mengen gegeben, können sie jedoch massiv in die Lebensvorgänge eingreifen. Selbst ein geringfügiges Ungleichgewicht dieser Bioregulatoren kann zu starken Angstzuständen, Müdigkeit, Depression und Kampfunfähigkeit führen.

Tödlich für Maus und Mensch

Ein Beispiel, wie auch unbeabsichtigt Grundlagenforschung für die Herstellung eines Biokampfstoffes getrieben wird, stammt aus Australien. Forscher der National-Universität versuchten, einen empfängnisverhütenden Impfstoff für Mäuse zu entwickeln. Dazu manipulierten sie das Genom des relativ harmlosen Mäusepockenvirus. Sie transferierten zwei Gene, die für zwei Proteine auf der Oberfläche der Eizelle codieren, sodass die Eizelle vom Immunsystem als "fremd" erkannt wird, und das Gen für die Synthese des Botenstoffs Interleukin-4 (IL-4), der normalerweise die Immunantwort stimuliert, in das Genom des Virus.

Im Zusammenwirken mit den beiden Fremdproteinen inaktivierte IL-4 jedoch das Immunsystem völlig: Alle Mäuse, die mit dem transgenen Virus infiziert waren, starben nach wenigen Tagen. Die beteiligten Forscher sind davon überzeugt, dass das für IL-4 codierende Gen, wenn es in Variola major übertragen würde, für Menschen zu einer schnell tötenden Biowaffe würde.

Ein fundamentaler Irrtum weist den Weg

Zu den etablierten gentechnischen Methoden gesellt sich nun ein Verfahren, das am Max-Planck-Institut für physikalische Chemie in Göttingen entdeckt worden ist. Die Doppelstrang-RNA-Interferenz (RNAi) wurde entwickelt, um funktionelle Genomik zu betreiben. Das Einschleusen doppelsträngiger RNA in die Zelle erlaubt es, auch in Säugetieren spezifisch jedes Gen auszuschalten.

Man ist damit einem fundamentalen Irrtum der Gentechnologie auf die Schliche gekommen. Denn die Vorstellung, dass antisense-RNA z. B. bei der Antimatschtomate die Reife verzögert, indem sie an die mRNA des Reifungs-Gens bindet, ist falsch. Die Wirkung stammt von geringen Mengen doppelsträngiger RNA. Mit RNAi erhofft man sich, neue Wege in der Gentherapie beschreiten zu können, da es nun gelingt, auch in Säugetieren sehr spezifisch Gene auszuschalten. Es wird befürchtet, dass diese Erkenntnis auch die B-Waffenforschung befruchtet.

Ethnobomben gibt es nicht ...

Über rassenspezifische B-Waffen, die so genannten Ethnobomben, wird schon einige Zeit spekuliert. Die Entschlüsselung des menschlichen Genoms lässt hier die Phantasie mancher Militärbiologen ins Kraut schießen. In den Medien kursieren unglaubliche Geschichten. So soll die Sunday Times am 15.11.1998 berichtet haben, dass Israel an einer B-Waffe speziell gegen Araber arbeite. Ähnliche Berichte gibt es auch aus Japan, wo es Überlegungen gegeben haben soll, auf diese Weise gegen Korea zu rüsten. Auch die Bundeswehr soll schon auf die Möglichkeit von biologischen Waffe gegen bestimmte Menschengruppen hingewiesen haben.

Vor allem das zum Humangenomprojekt gehörende Genomdiversitätsprojekt, das nach genetischen Unterschieden zwischen Völkern sucht, könnte die Grundlage für Ethnobomben sein. Auch die Arbeiten zur individualisierten Gentherapie, die auf punktuellen genetischen Unterschieden, den SNPs, beruht, könnte dazu beitragen. Ob dieses Ziel jemals erreicht wird, ist allerdings zweifelhaft. Denn ein völkerselektives Virus müsste die Ausprägungen genetischer Unterschiede - z. B. spezifische Rezeptoren an der Zelloberfläche - erkennen können, falls es sie geben sollte. Dies ist sehr fraglich. Hans Lehrach vom Max-Planck-Institut für molekulare Genetik in Berlin soll gesagt haben: "Wir hätten schon Probleme, eine Ethnowaffe gegen Schimpansen zu bauen."

... aber Stinkbomben

Der Geruch einer Stinkbombe ist jedem, der einmal jung war, unangenehm vertraut. Die USA arbeiten derzeit intensiv an der Superstinkbombe, einem Agenz, das niemanden verletzt, aber jeden Betroffenen sofort in die Flucht schlagen soll. Eine solche Waffe wäre nicht streng militärisch. Auch die Polizei könnte sie als deeskalierend gegen gewalttätige Demonstranten und ungebetene Menschenmassen einsetzen. So einfach die Idee, so schwierig scheint aber die Umsetzung. Die Suche muss nach dem Prinzip Versuch und Irrtum durchgeführt werden. Sie scheint nicht einfach zu sein. Denn das Agenz soll ungiftig, aber zuverlässig sein und ganz demokratisch jedermann sofort zur Flucht überreden.

Dabei ist die Idee nicht neu. Eine chinesische Sammlung der wichtigsten Militärtechniken, das Wu Ching Tsung Yao von 1040 n. Chr., vermerkt den Einsatz von Gestank: Fäkalien, vermischt mit Krotonöl (von Croton tiglium), Arsensulfid und weiteren "Köstlichkeiten", wurden über die Mauern zu erobernder Städte geschleudert. Die Verteidiger gaben, nach Luft schnappend, ihre Stadt auf.

Im letzten Weltkrieg setzten französische Partisanen Schwefelgase ein. Heute nehmen sich Kognitionsphysiologen dieser Frage systematisch an. Es soll ein Stoff gefunden werden, der die Geruchszellen der Nase so stimuliert, dass das Limbische System panische Reaktionen, Angst und schließlich Flucht auslöst. Da Gerüche evolutionsgeschichtlich tiefer verankert sind als Hören oder Sehen, sollten solche Stimuli auch intensiver wirken.

Bereits in den 60er-Jahren suchte die US-Armee nach stinkenden Substanzen, bei deren olfaktorischer Wahrnehmung es keine kulturellen Unterschiede gibt. Doch weder Buttersäure noch verbranntes Haar noch Fäkalien scheinen bei allen Ethnien die gleiche Wirkung zu erzielen. Potenzielle Kandidaten sind bisher t-Butylthiol und das "US Government Standard Bathroom Malodor", das man benutzt, um die Wirksamkeit von Reinigungsmitteln zu testen.

Ob es je zu einer universellen Stinkbombe kommt, die bei allen Menschen den Urinstinkt der Flucht auslöst, erscheint Experten zweifelhaft. Für Lyall Watson, den Universalbiologen, der irgendwo vor Irland auf einem Schiff wohnt, ist die Sache jedoch klar. Der ultimative, alle Menschen überzeugende Geruch finde sich im ostafrikanischen Hochland. Die dort lebende Mähnenratte Lophiomys imhausi sondere ein nicht lokalisierbares Gas ab, das beim Menschen Mundtrockenheit und ein undefinierbares Unbehagen auslöse.

Nicht ganz so schlimm?

Stinkbomben gehören zwar zu den chemischen Waffen. Wenn sie aus Lebewesen gewonnen werden, liegen sie aber an der Grenze zu den Biowaffen. In diese Grauzone fallen auch materialzerstörende Bakterien. Die US-Marine hat angeblich bereits Bakterien entwickelt, die Kunststoffe angreifen und Erdöl oder sogar Stahl zersetzen sollen. Der Einsatz solcher Organismen erscheint jedoch wenig effektiv, da z. B. der Energiegewinn der Bakterien beim Abbau langkettiger Kohlenwasserstoffe (Kunststoffe) extrem gering ist, sodass sie sehr langsam wachsen.

Die Ansichten zum Thema Biowaffen sind konträr. So ist es wohl nicht so einfach, B-Waffen herzustellen, wie sich die Militärs das vorstellen. Es erfordert sehr viel Können, Mikroorganismen zu kultivieren, zu manipulieren und ohne Virulenzverluste zu lagern und in einer effektiven Formulierung auszubringen. 1992 ging Shoko Asahara, der Chef der Aum-Shinrikyo-Sekte, nach Zaire, um angeblich den Opfern des Ebola-Virus zu helfen. In Wahrheit hatte die Sekte versucht, sich das Virus zu verschaffen, um es zu kultivieren, zu reproduzieren und für ein künftiges Attentat zu nutzen. Doch das hat sie nie geschafft. Sie hat schließlich Sarin in der U-Bahn von Tokio freigesetzt.

Die Irakis sollen ihre Anthraxkulturen nicht selbst erzeugt, sondern aus den USA bezogen haben. Der Handel mit solchen Organismen ist seitdem streng reglementiert. Auch gibt es Stimmen, die es für unmöglich halten, Botulinum-Toxin in großem Stil als B-Waffe einzusetzen, weil es sehr instabil und nicht in ausreichender Menge rein darzustellen sei. Nur die USA und Russland seien in der Lage, Organismen wie B. anthracis effektiv einzusetzen, behauptet der Pilzphysiologe und Wissenschaftskritiker Gary Novak. Die Sporen müssen inhaliert werden. Die Pulverisierung großer Mengen beherrsche sonst kein Staat und keine nichtstaatliche Organisation. Selbst der Irak setzte Anthrax in flüssiger Form ein, mit sehr geringem Erfolg. Vielleicht ist die Ineffektivität der Grund, weshalb bis heute in keinem Krieg B-Waffen in großem Stil eingesetzt worden sind. In jedem Falle stellen solche Kampfmittel ein erhebliches Tötungspotenzial dar.

Panikattacken unnötig

Ganz ähnlich sieht das der Biologe Jan van Aken vom Sunshine Projekt in Hamburg, der sich seit Jahren mit diesem Thema befasst. In einer Stellungnahme vom 25. September 2001 fasst er das Thema so zusammen: "Vieles spricht dafür, dass gut vernetzte und langfristig arbeitende Gruppen in der Lage sein könnten, biologische Waffen wie Milzbrand einzusetzen, wenn wohl auch nur kleinräumig und in eng begrenztem Umfang. ... In den Besitz von gewissen Mengen an Biokampfstoffen zu gelangen ist jedoch nur der erste Teil eines biologischen Angriffes. Sehr viel schwieriger und selbst für sehr gut organisierte Gruppen mit langjähriger Vorplanung fast unlösbar ist die weiträumige Ausbringung dieser Krankheitserreger. Bei nicht oder nur sehr wenig ansteckenden Krankheiten - wie es die meisten klassischen B-Waffen-Erreger sind - kann eine Masseninfektion nur dadurch ausgelöst werden, dass diese vielen Menschen direkt mit dem Erreger in Kontakt kommen. Die erfolgversprechendste Methode ist dabei über die Luft als Aerosol, als feiner Bakterienstaub.

Allein die Herstellung des Aerosols ist technisch sehr anspruchsvoll, da Teilchen einer ganz bestimmten Größe hergestellt werden müssen. Zu feiner Staub wird wieder ausgeatmet, zu grober Staub gelangt nicht tief genug in die Lungen. Selbst wenn dies im großen Maßstab und von einem Flugzeug aus gelingen sollte, ist es ein reines Lotteriespiel, ob die so erzeugte tödliche Wolke tatsächlich das Zielgebiet erreicht, ohne vorher zu stark ausgedünnt zu werden. Sehr viel wahrscheinlicher ist die Verdünnung der Bakterien in der Luft, die Verwehung durch Wind, oder die Zerstörung durch Sonnenstrahlen. Hinzu kommt, dass ein tieffliegendes Sprühflugzeug über einer Stadt mit Sicherheit auffallen und Nachforschungen auslösen wird. Bei einer rechtzeitigen Diagnose lassen sich viele der typischen Biowaffen-Erreger jedoch sehr leicht mit Antibiotika behandeln. Lungen-Milzbrand oder auch die Pest sind nur dann so gefährlich, wenn sie zu spät diagnostiziert werden. ...

Damit bleibt als vorstellbares und nicht mehr auszuschließendes Szenario ein kleinräumiger Angriff, z. B. in geschlossenen Räumen oder U-Bahn-Waggons. Dort kann mit extrem einfachen Mitteln - Bakterienstaub in einer Plastiktüte oder vermittels einer Sprühdose - eine ausreichend hohe Aerosolkonzentration erzeugt werden, um einige wenige Menschen mit dem Kampfstoff zu infizieren.

Abbildungen und Tabellen s. Printausgabe der DAZ.

Kastentext: B-Waffen-Forschung international

Zu den Ländern, die mit hoher Wahrscheinlichkeit an offensiven B-Waffen geforscht haben, gehören:

  • Ägypten
  • Bulgarien
  • China
  • Frankreich
  • Großbritannien
  • Indien
  • Irak
  • Iran
  • Israel
  • Kuba
  • Laos
  • Libyen
  • Nordkorea
  • Russland
  • Südafrika
  • Südkorea
  • Syrien
  • Taiwan
  • USA
  • Vietnam

Kastentext: B-Waffen-Verbot

Die Bio- und Toxinwaffen-Konvention (BTWC) ist 1975 in Kraft getreten. Erstmals wurde eine gesamte Waffengattung verboten. Die BTWC verbietet die Entwicklung, Produktion, Lagerung, Beschaffung und Zurückbehaltung mikrobieller und anderer biologischer Agenzien oder Toxine in Mengen und Arten, die der Nutzung für prophylaktische, schützende oder andere friedliche Zwecke zuwiderlaufen.

Kastentext: Schutzprogrammforschung

Die Bundeswehr hält Stammkultursammlungen von über 500 relevanten Bakterien-, Pilz- und Virenstämmen, um Schutzprogrammforschung zu betreiben. Die Projekte werden an der Sanitätsakademie der Bundeswehr in München und am Wehrwissenschaftlichen Institut für Schutztechnologien und ABC-Schutz in Munster durchgeführt.

Zitat

"Ich habe meine Geruchssinn vollständig eingebüßt und das breiteste Allergiespektrum, das man sich vorstellen kann. Ich kann keine Butter essen, keine Eier, keinen Käse, keine Mayonnaise, keine Würste, keine Schokolade und keine Süßigkeiten. Ich schlucke täglich zwei oder drei Tabletten Antiallergika. [...] Jeden Morgen reibe ich Gesicht, Hals und Hände mit Feuchtigkeitscreme ein, da meine Haut chronisch ausgetrocknet ist. Die zahllosen Impfungen gegen Milzbrand, Pest und Tularämie haben mein Immunsystem geschwächt und wahrscheinlich auch meine Lebenserwartung verringert." Ken Alibek (Kanatjan Alibekow), ehemals führender sowjetischer B-Waffenforscher

Die Bedrohung unserer Bevölkerung durch biologische Waffen wird in den letzten Wochen und Monaten stark diskutiert. Seit den Flugzeugattentaten des 11. September in New York und Washington machen einige Fälle von Milzbrand in den USA Schlagzeilen. Aber auch größere terroristische Anschläge mit verschiedenen krankmachenden biologischen Agenzien erscheinen durchaus möglich. An solchen B-Waffen wird in einigen Ländern trotz weltweiter Ächtung immer noch geforscht.

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