DAZ aktuell

Öffentlichkeitsarbeiter Friese (Kommentar)

"Reden ist Silber, Schweigen ist Gold." Ein schönes Sprichwort, das gelegentlich durchaus noch Geltung haben kann, das allerdings im Kontext moderner Massenmedien etwas anders interpretiert werden sollte: wer nichts sagt, bleibt höchstens zweiter Sieger, bzw. macht sich zum Verlierer. Und genau diese falsche Taktik war es, die in der ARD-Reportage "Der Kunde ist immer der Dumme", gesendet am Dienstag den 9. Oktober, Herrn Friese reichlich alt aussehen ließ. Der Film behandelte u. a. die Auseinandersetzung des Apothekers Stange mit der ABDA. Dabei ließ sich der Regisseur auf groteske Art von Stange instrumentalisieren und präsentierte den Mann, der eine Art verbotene Apothekenkette ins Leben rufen wollte, mit der Aura des ach so tüchtigen Unternehmers, der von einer finsteren Standesvertretung und von deutschen Gerichten - warum wohl? - ausgebremst wurde. Um die Zuschauer gegen die Standesvertretung einzunehmen, bediente sich der Filmemacher eines besonders infamen Tricks: So ist es seit den späten sechziger Jahren eine - besonders bei kritisch sich gerierenden Intellektuellen - beliebte Machart, denjenigen, den man auf dem Kieker hat, mit der Nazi-Keule zu prügeln. Der Vorwurf ist dann so massiv, dass Gegenwehr oder eine differenzierte Aufklärung beinahe nicht mehr möglich scheinen. Gleichzeitig ist dieses letztlich plumpe Verfahren mittlerweile schon so inflationiert und antiquiert, dass es jedem in der Öffentlichkeit agierenden Menschen gleichsam eine sportive Freude bereiten sollte, dieses durchsichtige Kalkül seinerseits in seiner Plattheit kenntlich zu machen und somit auszuhebeln. Zumal der Vorwurf im Film ja auch nicht sonderlich raffiniert eingefädelt wurde. So wurde die ganze Reportage schon bei den einleitenden Sätzen als ein Sachverhalt dargestellt, der "wie eine verrückte Geschichte aus Absurdistan" klingt. Der mehrfach verurteilte Stange wurde dann als unternehmerische Gallionsfigur installiert, die neben berechtigtem Gewinnstreben auch noch jungen Nachwuchspharmazeuten mit seinem Franchisesystem die Chance geben wollte, sich selbstständig zu machen. Im Anschluss daran wurde eine Stange-Getreue gezeigt, die mit tatsächlich fragwürdigen Einwänden - die jedoch in keiner Weise mit Nazi-Methoden zu vergleichen sind - gepiesackt wurde. Ihr wurde u. a. zum Vorwurf gemacht, mit den vor ihrer Apotheke platzierten Schütten Kunden gegen ihren Willen in die Offizin gelockt zu haben. Dass dies von der Standesvertretung juristisch verfolgt wurde, diente dem Filmemacher als Steilvorlage dazu, der ABDA zu unterstellen, sie habe im Blick auf Kunden "unmündige Menschen" im Visier, die man vor sich selbst schützen müsse. Und dann war es nur noch ein kleiner Schritt, das entsprechende Menschenbild aus dem Hut zu ziehen und es mit der Standesvertretung in Verbindung zu bringen: "Es ist das Menschenbild aus der Zeit als die deutschen Kammern in den Jahren zwischen 1933 und 36 mit der heute noch bestehenden Macht versehen wurden, die Zeit der nationalen Sozialisten." Dieser Vorwurf war wohl der Höhepunkt in diesem holzschnittartigen Sittengemälde. Herr Friese hätte angesichts solcher Anschuldigungen auf gar keinen Fall Sprachlosigkeit demonstrieren dürfen. Mehrere Anfragen des Reporters, zu den Anwürfen des windigen Herrn Stange Stellung zu beziehen, lehnte der ABDA-Präsident - wie die Kameraeinstellung von unten suggerierte - nach Gutsherrenart ab und untermauerte damit noch zusätzlich den Eindruck, der beim Zuschauer hervorgerufen wurde, nämlich dass da eine Bande von Standesvertretern reichlich selbstherrlich im Geiste der braunen Ursprünge hinter den Kulissen klüngelt und mauschelt, was das Zeug hält. Klar, Friese wusste, was da auf ihn zukam, er wusste von der unsäglichen Nazisoße, in die er getunkt werden sollte - der TV-Autor ist für diesen Stil bekannt. Trotzdem: Eine klare Absprache mit dem Macher der Sendung, dass ein zeitlich genau definierter Redebeitrag des Präsidenten in der Nachbearbeitung nicht der Schnitttechnik zum Opfer fallen darf, und schon wäre in kurzer, knackiger Form ein klärendes Statement möglich gewesen - das hätte ich als wesentlich bessere Strategie empfunden. In der Wirkung auf die Zuschauer war es unklug, sich nicht zu äußern, um nicht zu sagen: eine Katastrophe. Wenn heutzutage jeder Politiker sich nicht zu schade ist, beispielsweise der Zeitung mit den großen Buchstaben - die eher als dadaistisches Artikel-Konglomerat, denn als journalistisch redliches Organ daherkommt - Rede und Antwort zu stehen, dann sollte das für einen Standesvertreter ebenfalls eine professionelle Pflicht sein - zumal wenn das vermutlich noch bedeutendere Medium Fernsehen ihn um Auskünfte zu bestimmten Vorwürfen bittet. Dass der Präsident glaubt, sich sein Schweigen überhaupt leisten zu können, legt den Verdacht nahe, dass da einer heimlich die Meinung vertritt, sich nicht mehr vor der gesamten Apothekerschaft rechtfertigen zu brauchen, sondern sein Verhalten lediglich im Kreise der Funktionäre - die er ohnehin hinter sich weiß - erklären zu müssen. Das Schweigen des Präsidenten wertete die Redebeiträge seines Gegenspielers beim Zuschauer natürlich enorm auf: Hier der Held und dort der Schurke, schwarz und weiß, Stange hui, Apotheker pfui. Übrigens, mit dieser Art der Öffentlichkeitsarbeit erreichte Herr Friese 2,65 Millionen Zuschauer, ein Marktanteil, der mit 11,6% fast ebenso groß war, wie derjenige der Tagesthemen, die an diesem Tag bei 11,8% lagen!

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