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Verbraucherschützer fordern mehr Transparenz im Gesundheitswesen

BERLIN (ks). Mehr Transparenz und ein entschiedeneres Vorgehen gegen Missbrauch im Gesundheitswesen fordern der deutsche Ableger der Anti-Korruptionsgesellschaft Transparency International (TI) und der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv). Die Organisationen gehen davon aus, dass der Gesetzlichen Krankenversicherung durch betrügerische Machenschaften jährlich Milliardenbeträge verloren gehen. Allein der "graue Arzneimittelmarkt" besitze einen Warenwert von schätzungsweise 500 Millionen Mark, heißt es in einem Thesenpapier, das TI Deutschland erarbeitet hat.

Das Gesundheitswesen ist vielschichtig, undurchsichtig und damit idealer Nährboden für Korruption. Jeder im System Beteiligte hat eigene Interessen, die er durchsetzen möchte. Die Strukturen der Selbstverwaltung und der Industrie sind von außen nur schwer einsehbar. Zwar ist Korruption nicht nur ein Problem des Gesundheitswesens - und auch dort ist es nur ein Thema unter vielen.

Doch wer in diesem Bereich etwas ändern will, muss sich Öffentlichkeit verschaffen. TI, der vzbv und die Bundeszentrale für politische Bildung veranstalteten daher am 28. September in Berlin den Kongress "Transparenz und Verantwortung". Verschiedene Vertreter aus Politik und Gesundheitswesen - unter ihnen die Präsidentin der Landesapothekerkammer Hessen Dr. Gabriele Bojunga - diskutierten über bestehende Missstände und was dagegen unternommen werden kann.

Abrechnungsbetrügereien in Apotheken

Anke Martiny, TI-Gesundheitsexpertin und frühere SPD-Bundestagsabgeordnete, stellte ein Thesenpapier vor, das sich mit Abrechnungsbetrügereien und der Käuflichkeit medizinischer Sachverständiger auseinandersetzt. Im Bereich der Apotheken sei vor allem der "graue Arzneimittelmarkt" besorgniserregend: Krankenhausware wird zum Verkauf in öffentlichen Apotheken umgeleitet, vorgebliche Arzneimittelspenden für Krisengebiete landen auf wundersame Weise wieder in der Offizin. Die auf diesem Wege kostenlos oder preisgünstig erstandenen Medikamente werden dann zum gewöhnlichen Apothekenabgabepreis verkauft, der Gewinn landet in der Tasche des Apothekers.

Als weitere Erscheinungsformen der Betrügereien in Apotheken nennt das TI-Thesenpapier das Aufweichen der gesetzlichen Überwachung durch Etablierung neuer Vertriebswege (z. B. Broker), die Berechnung von Originalpräparaten bei Abgabe von Reimporten, die Fälschung von Mengenangaben auf Rezepten, die Abrechnung teurer Verordnungen, die aufgekauft aber nicht beliefert werden und Provisionszahlungen von Apothekern an verordnende Ärzte. Geschädigt werden hierdurch nicht nur die Krankenkassen, sondern auch der rechtschaffene Teil der eigenen Berufsgruppe.

LAK Hessen: Betrüger aufs Korn nehmen

Die hessische Kammerpräsidentin Bojunga bestätigte derartige Machenschaften. Sie unterstrich, dass die hessische Kammer die erste sei, die eigens Gelder zur Ermittlung solcher Betrügereien bereitgestellt hat. Zudem sei zusammen mit Kassenvertretern eine Arbeitsgruppe eingerichtet worden, die sich unter Einbindung der Staatsanwaltschaft um Aufklärung bemüht. Bojunga verwies auch auf die von ihrer Kammer gestellten Anträge beim diesjährigen Apothekertag:

So hat sich die Mitgliederversammlung dafür ausgesprochen, den Gesetzgeber aufzufordern, eine lückenlose Vertriebskette zwischen Hersteller und Apotheke vorzuschreiben, um einen illegalen Zwischenhandel auszuschließen. Bojunga räumte ein, dass sich die Apothekerkammern in den vergangenen Jahren vor allem mit der Ahndung von Wettbewerbsverstößen einzelner Apotheker beschäftigt haben. Wesentliches, wie etwa die Aufdeckung krimineller Machenschaften, wurde gar zu lange übersehen.

TI: Problematische Struktur der ABDA

Den Selbstverwaltungen werfen TI und vzbv vor allem mangelnde Transparenz vor. Besonders die Organisation der Apotheken auf Bundesebene erscheint IT fragwürdig: Weder Bundesapothekerkammer noch Deutscher Apothekerverband verfügten über einen eigenen Haushalt. Finanziert werden sie über die Mitglieder der Landesapothekerkammern und -verbände. Auch die ABDA erhält so ihre Gelder. Als Dachorganisation der Kammern und Verbände obliegen ihr somit zum einen hoheitliche Aufgaben, andererseits vertritt sie wirtschaftliche Interessen der Apotheker. Zudem ist die ABDA auch Trägerin privatwirtschaftlicher Unternehmen, wie z. B. dem Govi-Verlag oder der ABDATA. Ein Interessenkonflikt zwischen hoheitlicher Tätigkeit und freien Wirtschaftsinteressen sei der Konstruktion des Dachverbandes damit immanent, heißt es in dem TI-Thesenpapier. Eine Abgrenzung dieser beiden Aufgaben sei jedoch dringend nötig.

Auch Bojunga hält die Strukturen der ABDA und der BAK nicht für ein Vorbild an Transparenz: Die hessische Apothekerkammer stellte beispielsweise dieses Jahr beim Apothekertag den Antrag, die Mitgliederversammlung der beiden Organisationen berufsöffentlich zu machen. Erfolglos. Ebenso wurde der hilfsweise gestellte Antrag, Fachpresse zu den Mitgliederversammlungen zuzulassen, zurückgewiesen.

Verbraucherschützer fordern Stärkung der Patientenrechte

Um Korruption und Missbrauch in sämtlichen Bereichen des Gesundheitswesens wirksam begegnen zu können, muss nach Auffassung von TI und vzbv vor allem mehr Transparenz ins System gelangen. Zentral sei hierfür die Stärkung der Verbraucher- und Patientenrechte. Thomas Isenberg, Fachbereichsleiter Gesundheit und Ernährung beim vzbv, will die Patientensouveränität als Leitbild der gesamten Gesundheitspolitik verstanden wissen. So müsse etwa eine unabhängige Patientenberatung Institution im Gesundheitswesen werden.

Der Verbraucherschützer monierte insbesondere die mangelnde Transparenz der Ausschüsse. Im Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen gehe es den einen um Gewinnmaximierung, den anderen um Kostenminimierung - Patientenrechte blieben außen vor. Ein Anhörungsrecht für Patienten- und Verbrauchergruppen sei daher unerlässlich. Isenberg appellierte an alle Parteien, eine gemeinsame Plattform zu bilden, auf welcher Patientenbeteiligungen im Gesundheitswesen thematisiert werden.

Kritik an Pharmaindustrie

vzbv und TI kritisieren weiterhin, dass die klinische Forschung in den Händen der pharmazeutischen Industrie liegt. Die Unterdrückung unliebsamer Studienergebnisse führe immer wieder dazu, dass vermeidbare Nebenwirkungen auftreten. Daher fordern sie eine stärkere Einbindung von Verbrauchern im Bereich der Arzneimittelrisikoeinschätzung, insbesondere die Aufnahme von Verbrauchervertretern in die Gremien der Arzneimittelzulassung.

Isenberg verspricht sich von der Entlarvung korrupter Aktivitäten im Gesundheitswesen auch eine Milderung der Finanznöte der GKV: "Statt einseitig den Leistungskatalog der GKV einzugrenzen, sollte die Politik Missbrauchsmöglichkeiten konsequent bekämpfen und die Grundlagen einer Leistungs- und Angebotstransparenz schaffen".

Mehr Transparenz und ein entschiedeneres Vorgehen gegen Missbrauch im Gesundheitswesen fordern der deutsche Ableger der Anti-Korruptionsgesellschaft Transparency International (TI) und der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv). Die Organisationen gehen davon aus, dass der Gesetzlichen Krankenversicherung durch betrügerische Machenschaften jährlich Milliardenbeträge verloren gehen. Allein der "graue Arzneimittelmarkt" besitze einen Warenwert von schätzungsweise 500 Millionen DM, heißt es in einem Thesenpapier, das TI Deutschland erarbeitet hat.

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