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Chemikalien: Das "dreckige Dutzend" soll verboten werden

Vom 2. bis 10. Dezember 2000 fand in Johannesburg die fünfte und letzte Verhandlungsrunde (INC 5) zu einem völkerrechtlich bindenden Instrument zur Implementierung internationaler Maßnahmen hinsichtlich bestimmter persistenter organischer Schadstoffe (POP-Konvention) statt. Der Bericht über die Verhandlungen fasst die wichtigsten Inhalte der POP-Konvention zusammen, auf die sich die Staaten in Johannesburg verständigten. Bis auf wenige spezifische Ausnahmen sollen danach Herstellung und Gebrauch von zwölf besonders gefährlichen, von Menschen erzeugten Chemikalien weltweit verboten werden.

Konvention über langlebige Umweltgifte auf den Weg gebracht

"Don't repeat The Hague!", prangte in großen Lettern über dem Informationsstand des WWF International im Sandton City Convention Center in Johannesburg. Dort fanden vom 2. bis 10. Dezember die fünften Vertragsverhandlungen (INC5) zu einem "völkerrechtlich bindenden Instrument zur Implementierung internationaler Maßnahmen hinsichtlich bestimmter persistenter organischer Schadstoffe", kurz: POP-Konvention, statt. Delegationen aus 122 Ländern sowie Vertreter von zwölf Internationalen Regierungsorganisationen und über hundert Nichtregierungsorganisationen (NGOs) trafen sich in Johannesburg, um einen zweieinhalbjährigen Verhandlungsprozess zum Abschluss zu bringen, der mit dem Mandat des Governing Council des Umweltprogrammes der Vereinten Nationen (UNEP) Mitte 1998 begann. Der Erfolgsdruck nach den gescheiterten Klimaverhandlungen von Den Haag war allen Beteiligten anzumerken. Nach den äußerst schwierigen Verhandlungen hatten viele ein positives Ende kaum noch für möglich gehalten. Und so war die Freude und Erleichterung groß, als nach dem einwöchigen Marathon, der in einer 24-stündige Sitzung am Schlusstag gipfelte, der Kanadier Dr. John Buccini in seiner Funktion als Vorsitzender am Morgen des 10. Dezember verkünden konnte: "Liebe Kollegen, wir haben eine Konvention!"

Verbote und Regulierungen der POP-Konvention

Das Herzstück der Konvention ist derjenige Artikel, der sich mit Verbot und Beschränkung der zwölf POPs beschäftigt. Mit Ausnahme von DDT, das länderspezifisch noch eingeschränkt für die Malariabekämpfung produziert und eingesetzt werden kann, sowie der unerwünschten Nebenprodukte sind alle anderen Stoffe in den Anhang der Konvention aufgenommen worden, der den Ausstieg aus der Produktion und Verwendung der Stoffe regelt. Dies betrifft die Pestizide Aldrin, Chlordan, Dieldrin, Endrin, Heptachlor, Hexachlorbenzol, Mirex und Toxaphen sowie als Industriechemikalien die Gruppe der PCBs.

Das Ziel der EU, möglichst wenige stoff- und länderspezifische Ausnahmen zuzulassen, wurde weitgehend erreicht. Generelle Ausnahmen sind lediglich für POPs als Laborchemikalien, Referenzstandards und geringfügige Verunreinigungen zugelassen. Zudem wird es spezifische Ausnahmen für bestimmte, derzeit in Gebrauch befindliche Produkte geben, in denen POPs verwendet wurden (articles in use). Weitere Ausnahmen wird es für POPs als Zwischenprodukte bei der industriellen Herstellung von Chemikalien geben. Die beiden letztgenannten Ausnahmeregelungen sind etwas genereller ausgefallen als von der EU angestrebt, jedoch konnten Notifizierungs- und Publikationspflichten durchgesetzt werden. Länderspezifische Ausnahmeregelungen sollen in einem definierten Zeitraum auslaufen. Mit der Zeichnungskonferenz im Mai 2001 in Stockholm wird ein Register über Ausnahmeregelungen installiert, das neben der jeweiligen Ausnahme die Länder sowie die angestrebten Zeiträume des Auslaufens der Ausnahmen auflistet. Das Register soll, um eine größtmögliche Transparenz zu erhalten, im Internet frei zugänglich sein.

Produktion und Gebrauch von DDT zur Bekämpfung der Malaria gemäß den Richtlinien der WHO wird nötig bleiben, solange es keine kostengünstigen Alternativen gibt. Das Chemikalien-Sekretariat von UNEP (UN Environmental Panel) und die WHO sollen dabei von den jeweiligen Ländern über den Gebrauch von DDT informiert werden. Mit einer Handlungsanleitung im Anhang ist sichergestellt worden, dass eine regelmäßige Überprüfung dieser Anwendung auf ihre Notwendigkeit hin vorgenommen wird. Der Einsatz von DDT als Schädlingsbekämpfungsmittel im Agrarsektor wird verboten.

In dem Artikel der Konvention, der die Maßnahmen zur Verminderung der Emission unerwünschter Nebenprodukte behandelt, werden Anforderungen für neue und existierende Quellen festgelegt. Der Konventionstext schreibt eine kontinuierliche Verringerung mit dem Ziel einer langfristigen Eliminierung dieser Schadstoffe vor. Um diese hochgesteckten Ziele zu erreichen, sollen die Länder auf der Basis eines selbst zu erstellenden Emissionsinventars ihre Hauptemissionsquellen identifizieren und bei Neuanlagen grundsätzlich den für sie bestmöglichen Stand der Technik einsetzen. Bei Altanlagen sind Maßnahmen nach dem bestmöglichen Stand der Technik und der besten Umweltpraxis anzustreben.

Verfahren für die Neuaufnahme von Stoffen

Einer der Hauptstreitpunkte zwischen der EU und anderen Industrieländern - allen voran die USA, Australien und Japan - waren die Kriterien für die Aufnahme weiterer POPs in die Konvention. Diese sind in einem erst in den Morgenstunden der letzten Verhandlungsnacht gefundenen Kompromiss progressiv geregelt und verleihen der Konvention ein dynamisches Element. Besonders hervorzuheben ist, dass bei der Neuaufnahme von Stoffen in die Konvention neben den wissenschaftlichen Kriterien auch das Vorsorgeprinzip gelten soll, eine Forderung der EU, die bis zuletzt auf Widerstand stieß.

Vertragsstaaten können danach dem Sekretariat weitere Stoffe für die Konvention vorschlagen. Wenn die gelieferten Informationen bezüglich eines Stoffes ausreichend sind, werden die Vorschläge von einer Expertengruppe (Persistent Organic Pollutants Review Committee) anhand von klar definierten, wissenschaftlichen Kriterien geprüft. Diese sind u. a. für Persistenz eine Halbwertszeit von mindestens zwei Monaten in Wasser bzw. sechs Monaten im Boden, für Bioakkumulation ein Biokonzentrations- bzw. Bioakkumulationsfaktor (BCF bzw. BAF) für Wasserorganismen von 5000 oder mehr, das Potenzial für Ferntransport (Nachweis durch Monitoring) und eine nachgewiesene Öko- oder Humantoxizität. Wenn ein Stoff die Kriterien erfüllt, erstellt das Komitee ein frei zugängliches Risikoprofil und kann den Vertragsstaaten die Aufnahme des Stoffes in die Konvention empfehlen.

Die EU konnte sich weitgehend mit ihrer Position zum Inkrafttreten von Neuaufnahmen durchsetzen. Es wurde ein Verfahren beschlossen, nach dem die Neuaufnahme eines Stoffes in die Konvention ein Jahr nach Beschluss der Vertragsstaatenkonferenz automatisch rechtsbindend ist. Das Verfahren hat den Vorteil, dass nicht erst auf langwierige Ratifizierungsprozesse in den Vertragsstaaten gewartet werden muss, um einen Stoff zu verbieten oder zu beschränken.

Vertragsstaaten, die über ein rechtliches System zur Chemikaliensicherheit verfügen, sollen darüber hinaus neue Industriechemikalien und neue Pestizide, die POP-Eigenschaften aufweisen, mit dem Ziel der Vermeidung regulieren. Auch bei der Bewertung von existierenden Stoffen sind diese Maßstäbe anzulegen. Mit dieser an der Risikovorsorge orientierten Bestimmung werden auch neue Herausforderungen an die europäische Chemikalienpolitik gestellt, die im Rahmen der derzeit diskutierten Neuorientierung umzusetzen sind.

Vorsorgeprinzip

Die Verankerung des Vorsorgeprinzips war ein Thema, an dem verschiedene Auffassungen aufeinander stießen und den positiven Ausgang der Verhandlungen lange behinderten. Das Vorsorgeprinzip wurde schließlich in folgenden Stellen der Konvention verankert: der Präambel, dem "Ziel" der Konvention und in dem Artikel, der die Neuaufnahme von Stoffen in die Konvention regelt. Dies wurde von der EU so angestrebt und kann als wichtiges politisches Signal im Kampf gegen gesundheits- und umweltgefährliche Stoffe gewertet werden.

In der Präambel heißt es: "Anerkennend, dass Vorsorge den Bedenken aller beteiligten Parteien dieser Konvention zugrunde liegt und in ihr eingebettet ist ("Acknowledging that precaution underlies the concerns of all Parties to this Convention and is embedded within it").

In den Zielsetzungen der Konvention wird auf die Formulierung des Vorsorgegedankens im Prinzip 15 der Deklaration des Weltumwelt- und -entwicklungsgipfels in Rio de Janeiro von 1992 (Rio-Deklaration) verwiesen.

Bei der Neuaufnahme von Stoffen in die Konvention soll das Fehlen eines endgültigen wissenschaftlichen Beweises der Umweltgefährlichkeit die Vertragsstaaten nicht von weiteren Maßnahmen abhalten ("lack of full scientific certainty shall not prevent the proposal from proceeding").

POPs als Abfall

Für Lagerbestände von POPs und für Abfälle, Produkte und Erzeugnisse, die POPs enthalten, sowie kontaminierte Flächen sollen Strategien zu deren Identifizierung entwickelt werden. Lagerbestände, die nicht mehr genutzt werden dürfen, müssen als Abfälle entsorgt werden. POPs-Abfälle sind in umweltgerechter Weise zu sammeln, zu transportieren und zu entsorgen, wobei internationale Entsorgungsregeln berücksichtigt werden müssen (wie beispielsweise Technische Richtlinien unter dem Basler Übereinkommen von 1989 über die Kontrolle der grenzüberschreitenden Verbringung gefährlicher Abfälle und ihrer Entsorgung). Oberhalb eines bestimmten Konzentrationsniveaus sind die POPs in Abfällen zu zerstören oder irreversibel umzuwandeln, es sei denn, dass die Zerstörung nicht die aus Umweltsicht zu bevorzugende Option ist.

Die Konvention soll in regelmäßigen Abständen auf Konferenzen der Vertragsstaaten weiterentwickelt werden. Auf der ersten Vertragsstaatenkonferenz nach Inkrafttreten der Konvention soll in Zusammenarbeit mit den Gremien der Basler Konvention festgelegt werden,

  • oberhalb welcher Konzentrationsniveaus die POPs in Abfällen zu zerstören oder irreversibel umzuwandeln sind,
  • welche Umsetzungsgrade der Zerstörung oder irreversiblen Umwandlung zu erreichen sind und
  • welche Methoden zur Entsorgung umweltgerecht sind.

Da Technische Richtlinien unter der Basler Konvention lediglich Empfehlungscharakter haben, können sie so durch einen Beschluss der Vertragsstaatenkonferenz rechtlich verbindlich werden.

Finanzmechanismus

Obwohl der Einigungswille zwischen den Industrieländern, die hierfür das bereits eingerichtete Finanzinstrument der Vereinten Nationen (Global Environment Facility, GEF) favorisierten, und den Entwicklungsländern (so genannte Gruppe der G77 plus China), die zunächst einen eigenständigen Fonds forderten, offensichtlich war, erwiesen sich die Verhandlungen als äußerst schwierig. Innerhalb der G77 bestand Uneinigkeit. Während sich die frankophonen afrikanischen Staaten offen für GEF aussprachen, lehnte eine große Mehrheit GEF als alleinige Finanzierungsquelle ab. Erst in der letzten Nacht konnte eine einvernehmliche Paketlösung zwischen der G77 und den Industrieländern, die auch von den osteuropäischen Ländern unterstützt wurden, erzielt werden.

GEF erscheint danach nicht im eigentlichen Artikel zum Finanzmechanismus der Konvention, sondern wird in einem separaten Artikel als Interim-Finanzmechanismus benannt. Gleichzeitig wurde eine Resolution erarbeitet, die bei der Zeichnungskonferenz verabschiedet werden soll. In dieser Resolution wird GEF aufgefordert, einen neuen Schwerpunkt (Focal Area) zur Umsetzung der POP-Konvention einzurichten.

Sonstige Vereinbarungen

Die bei der vierten Verhandlungskonferenz in Bonn (INC 4) aufgekommene Forderung nach einem Artikel, der das Verhalten der POP-Konvention mit anderen multilateralen Umweltabkommen sowie mit Handelsabkommen im Rahmen der Welthandelsorganisation WTO regelt, konnte sich nicht durchsetzen. Stattdessen wird nun in der Präambel auf die gegenseitige Unterstützung der POP-Konvention und den Vereinbarungen innerhalb der WTO hingewiesen. Das Inkrafttreten der Konvention ist an die Mindestzahl von fünfzig Ratifizierungen gebunden.

Deutschland beteiligte sich während der zweieinhalbjährigen Verhandlungen und in Johannesburg aktiv an der Gestaltung aller Artikel. Der Abschluss der Verhandlungen zur POP-Konvention stellt einen großen Erfolg dar, von dem Signalwirkungen für weitere anstehende multilaterale Konventionsverhandlungen ausgehen können.

Die Leistungen des Gastgeberlandes Südafrika, des Chemikalien-Sekretariats von UNEP und des Konferenzvorsitzenden John Buccini können nicht genug hervorgehoben werden. Ohne Buccinis außerordentlichen Integrationswillen wären die Verhandlungen möglicherweise gescheitert. In einer bewegenden Schlusszeremonie wurde Buccini von allen Parteien und NGOs gewürdigt. Greenpeace International und WWF International sprachen von einem historischen Augenblick im Kampf gegen gesundheits- und umweltgefährliche Chemikalien. In Abwandlung der oben zitierten Losung kann nun geworben werden mit: "Repeat Jo'burg!"

Kastentext: Worum geht es in der POP-Konvention?

Mit der Einigung über den Entwurf der POP-Konvention, die Ende Mai 2001 von den zuständigen Ministern der Vertragsstaaten unterzeichnet wird, ist ein Prozess in Gang gesetzt worden, an dessen Ende das weltweite Verbot von besonders gefährlichen Chemikalien, des so genannten "dreckigen Dutzend" (dirty dozen), stehen wird. Dieses "dreckige Dutzend" umfasst ein Reihe von Pflanzenschutzmitteln und Industriechemikalien sowie in Produktions- und Verbrennungsprozessen entstehende unerwünschte Nebenprodukte wie die hochgiftigen Dioxine und Furane. Obwohl es sich um ganz unterschiedliche Schadstoffe handelt, haben sie doch entscheidende Charakteristika gemein: Sie zeichnen sich durch Langlebigkeit, Bioakkumulation, Öko- und Humantoxizität sowie das Potenzial zum Ferntransport in Wasser, Boden und Luft aus.

In den Industrieländern sind Produktion und Gebrauch dieser Chemikalien bereits verboten oder weitestgehend reguliert. Die Hauptemissionsquellen für unerwünschte Nebenprodukte, wie z.B. Müllverbrennungsanlagen, sind mit scharfen Grenzwertvorschriften belegt, sodass gesundheitliche Risiken und Umweltgefährlichkeit minimiert sind. Anders ist dies hingegen in Entwicklungsländern und in verschiedenen osteuropäischen Staaten, in denen diese Chemikalien weiterhin als Pestizide oder in Holzschutzmitteln eingesetzt werden oder wo Polychlorierte Biphenyle (PCBs) in Transformatoren weit verbreitet sind. In Osteuropa und auf dem afrikanischen Kontinent bereiten Alt- und Lagerbestände von Pflanzenschutzmitteln in Größenordnungen von mehreren 100000 Tonnen, die häufig in alten Fässern vor sich hinrotten, Anlass zu großer Sorge. Dioxine und Furane gelangen in hohen Konzentrationen oftmals völlig ungefiltert in die Luft, sei es durch die Verbrennung von Müll auf der "grünen Wiese" oder, wie z.T. in Südostasien, durch Emissionsquellen wie Krematorien.

Ob und wie die Vereinbarungen in den Entwicklungsländern umgesetzt werden, ist daher maßgeblich für den Erfolg der Konvention. Nicht ohne Grund fordern die Entwicklungsländer deshalb ein starkes finanzielles Engagement und umfangreiche technische Hilfe seitens der Industrieländer. Wie dieses Engagement auszusehen hat, war auch einer der Hauptstreitpunkte in Johannesburg. Dennoch ist das Problem der POPs nicht regional auf den Süden begrenzt. Denn POPs haben durch den so genannten "Grasshoppers Effect" die Eigenschaft, durch wiederholtes Verdunsten und Kondensieren mit den Luftströmungen in Richtung der Erdpole zu wandern. Auch durch den Ferntransport in Wasser und durch wandernde Tierarten haben sie weitreichende Konsequenzen vor allem für die kalten Regionen der Erde.

Hauptleidtragende sind Säuger am oberen Ende der Nahrungskette wie z.B. Robben und Wale, ebenso wie die Eskimobevölkerung in der Nordpolarzone, die sich von diesen Tieren ernährt. POPs sind also ein globales Problem, dem nun durch eine weltweite Konvention Rechnung getragen wird.

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