DAZ aktuell

Das Aus für freiverkäufliche Johanniskraut- und Gelee Royale-haltige Arzneimit

(bah/diz). Niedrig dosierte Johanniskraut-haltige Arzneimittel und Arzneimittel, die Bienenköniginnenfuttersaft (Gelee Royale) enthalten, gibt es seit vielen Jahren auf dem deutschen Arzneimittelmarkt. Sie werden als freiverkäufliche Arzneimittel auf Basis der Regelung für traditionelle Arzneimittel nach Paragraph 109a AMG vermarktet. Die Zukunft beider Produktgruppen sieht jedoch derzeit düster aus.

Die entsprechenden Arzneimittel werden von jeweils 37 Unternehmen in Deutschland vertrieben und erzielen zusammengenommen einen Jahresumsatz von rund 75 Mio. DM (Stand 1999). In beiden Fällen hat das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) quasi mit einem Handstreich, ohne dass sich vorher die zuständige Sachverständigenkommission damit befasst hat, bei Johanniskraut sogar entgegen deren ausdrückliches Votum, die entsprechenden Listenpositionen gestrichen. Zum Hintergrund führten wir ein Gespräch mit Dr. Elmar Kroth, Referent für Arzneimittelsicherheit beim Bundesfachverband der Arzneimittel-Hersteller e.V. (BAH) in Bonn.

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Herr Dr. Kroth, woher rühren die Probleme bei diesen beiden Produktgruppen?

Kroth:

Nach der völlig unvermittelt erfolgten Streichung der jeweiligen Positionen auf der Liste der traditionellen Arzneimittel nach Paragraph 109a AMG hat das BfArM in beiden Fällen ein Stufenplanverfahren eröffnet. Bei Gelee Royale standen dabei Berichte über angebliche schwerwiegende allergische Reaktionen bis hin zu Todesfällen zur Diskussion, bei Johanniskraut boten Berichte über mögliche Wechselwirkungen von Johanniskraut, Risiken also, die nur in Kombination mit anderen Arzneimittelgruppen auftreten können, den Anlass für ein Stufenplanverfahren. In beiden Fällen wurden die zugrunde liegenden Risiken in den jeweiligen gemeinsamen Stellungnahmen der Verbände ausführlich diskutiert. Im Falle von Gelee Royale konnte der Sachverhalt vollständig geklärt werden, da sich die Risikoberichte bei näherer Betrachtung nicht bestätigten. Bei Johanniskraut haben die betroffenen Unternehmen sogar mehrere große wissenschaftliche Studien durchgeführt, die klar zeigten, dass die schädlichen Wirkungen bei den üblichen Dosierungen freiverkäuflicher Arzneimittel nicht zu erwarten sind. Die Ergebnisse wurden dem BfArM im September letzten Jahres vorgelegt. Bereits im Vorfeld wurden von vielen Herstellern Hinweise auf mögliche Wechselwirkungen freiwillig aufgenommen. In beiden Fällen wurde von den betroffenen Unternehmen Anträge auf Wiederaufnahme auf die Liste der traditionellen Arzneimittel gestellt. Damit wurden nach Ansicht der Industrie beide Sachverhalte einer adäquaten Lösung zugeführt.

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Was wurde daraufhin vom BfArM unternommen?

Kroth:

Das BfArM hat sich bislang zu keinem der beiden an sich entscheidungsreifen Stufenplanverfahren geäußert. Jedoch wurden die Anträge zur Wiederaufnahme auf die Traditionsliste nach unserer Information sämtlich abgelehnt, nicht zuletzt mit Hinweis auf die schwebenden Verfahren. Aufgrund der Entscheidungsunwilligkeit zweier Abteilungen des BfArM wurden hier die notwendigen Entscheidungen nicht getroffen. Wo bleibt hier die notwendige Initiative des neuen Leiters des BfArM, Prof. Dr. Schweim?

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Was hat dies letztendlich für Konsequenzen?

Kroth:

Die betroffenen Unternehmen streben nach wie vor für beide Produktgruppen einen Vertrieb auf Basis der Traditionsregelung an, für die jedoch die Rechtsgrundlage mit Streichung der Listenpositionen entfallen ist. Eine zusätzliche Brisanz erhält die Angelegenheit dadurch, dass die Firmen sich aufgrund der 10. AMG-Novelle bis Ende Januar definitiv entscheiden müssen, ob sie den Weg der "normalen" Nachzulassung mit vollständigen Ex-ante-Unterlagen gehen oder auch weiterhin eine "traditionelle" Nachzulassung anstreben, was ohne bestehende Listenpositionen unmöglich sein wird. Damit sind die Hersteller geradezu gezwungen, zum Erhalt der Verkehrsfähigkeit ihrer Produkte Klage gegen die Streichung der Listenposition zu erheben. Dies hat zur Folge, dass sich für die Hersteller der betroffenen Arzneimittel, aber auch für das BfArM und die Gerichte eine erhebliche - und aus unserer Sicht unnötige - Arbeits- und auch Kostenbelastung ergeben wird.

Kroth:

Gemeinsam mit den anderen Verbänden haben wir mehrmals Appelle an das BfArM gerichtet, Entscheidungen in den Verfahren zu treffen, um den Unternehmen vor dem herannahenden 31. Januar 2001 die Grundlage für unternehmerische Entscheidungen zu geben. Diese Appelle haben jedoch nicht gefruchtet.

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Wird Ihre Position denn anderweitig unterstützt?

Kroth:

Ja. Der Bundestagsabgeordnete Dr. Dieter Thomae hat sich dieser Sache angenommen und gegenüber der früheren Bundesgesundheitsministerin Andrea Fischer Lösungsvorschläge angemahnt. Hierauf folgte jedoch keine Antwort.

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Was wird denn mit Ablauf der Ex-ante-Frist am 31. Januar 2001 passieren?

Kroth:

Wenn nun das BfArM in Kürze - wie angekündigt - die ersten Versagungen der Nachzulassung ausspricht und diese Bescheide mit Sofortvollzug versieht, würde die Verkehrsfähigkeit der Produkte mit Inkrafttreten des Bescheides unmittelbar entfallen. Rechtsmittel gegen diese Versagung hätten dann keine aufschiebende Wirkung. Die Produkte müssten kurzfristig aus dem Markt genommen werden.

Enttäuscht über BfArM

Die DAZ fragte vor diesem Hintergrund beim Bundestagsabgeordneten Dr. Dieter Thomae nach:

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Herr Dr. Thomae, wie wir vom Bundesfachverband der Arzneimittel-Hersteller erfahren haben, haben Sie sich für den Erhalt mehrerer Gruppen freiverkäuflicher Arzneimittel eingesetzt und sich diesbezüglich an die damalige Ministerin Fischer gewandt. Was hat Ihnen das Ministerium geantwortet?

Thomae:

Nichts. Trotz mehrfachen Nachfassens in dieser Sache hat sich das Ministerium nicht geäußert. Die Anfragen gingen offenbar gemeinsam mit der Leitungsebene des Ministeriums unter. Besonders enttäuscht bin ich über die Vorgehensweise des BfArM, das die Angelegenheit offenbar zu Lasten der Industrie auszusitzen gedenkt. Soll dies der vielbeschworene Wandel von der Gegnerschaft zur Partnerschaft sein?

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