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Koalitionsinitiative: Arzneimitteltherapie bei Kindern und Jugendlichen soll sic

BERLIN (spd/diz). Die derzeitige Situation auf dem Gebiet der Arzneimitteltherapie für Kinder und Jugendliche ist nach Auffassung von SPD und Bündnis 90/Die Grünen in Deutschland so unbefriedigend, dass sie nicht mehr länger hinnehmbar ist: "Es besteht dringender Handlungsbedarf." Um hier Abhilfe zu schaffen, stellte die Koalition am 17. Januar einen Bundestagsantrag "Arzneimitteltherapie bei Kindern und Jugendlichen sicherer machen" vor.

Nach Auffassung des Gesundheitsexperten der SPD-Bundestagsfraktion Horst Schmidbauer leben Kinder und Kinderärzte in der Bundesrepublik gefährlich, wenn es um den Einsatz von Arzneimitteln geht. Für sie gelten nämlich nicht die gleichen Sicherheitsstandards, die für die Erwachsenen und ihre Ärzte gelten. Schmidbauer: "'Erwachsenenärzte' fänden vielfach in der Arzneimittelinformation Angaben zu Dosierung, Wirkung und Nebenwirkung von Arzneimitteln nur für die erwachsenen Patienten. Die Arzneimittel sind für die Erwachsenen zugelassen."

Wie der SPD-Gesundheitsexperte erklärte, besitzen etwa 80% der bei Kindern angewendeten Arzneimittel keine formale Anerkennung aufgrund behördlicher Überprüfung oder Zulassung. Sie seien nicht hinsichtlich ihrer Dosierung, Wirkung und Nebenwirkungen gezielt untersucht worden und freigegeben. Kinderärzte seien daher häufig gezwungen, ihnen bekannte Erwachsenen-Medikamente bei Behandlungsnotwendigkeit außerhalb der zugelassenen Anwendungsbereiche und des haftungsrechtlichen Schutzes des Arzneimittelgesetzes einzusetzen. Schmidbauer wörtlich: "Sie bewegen sich am Rande der Legalität und sind doch nach ihrem Berufsethos verpflichtet, sich bestmöglich für die Gesundheit des Kindes einzusetzen und alles zu unternehmen, um dem akut gefährdeten Kind zu helfen." Die Standards für die medizinische Versorgung, müssten für den Kinderarzt und das kranke Kind ebenso gut und vor allem auch so sicher sein wie für den "Erwachsenenarzt" und den kranken Erwachsenen. 11 000 Kinderärzte und die 17 Millionen von diesen Kinderärzten zu versorgenden Kinder und Jugendliche seien in der Bundesrepublik einem vermeidbaren Risiko ausgesetzt. Qualität und Sicherheit der Arzneimittelanwendung in der Kinderheilkunde müssten daher dringend verbessert werden.

Abhilfe sieht der SPD-Gesundheitsexperte an erster Stelle in einer Revision des Arzneimittelgesetzes. Man wolle prüfen lassen, ob Arzneimittelhersteller dazu angehalten werden können, die Indikationsstellung auch für die Kinderheilkunde zu beantragen - nicht ohne entsprechende Anreize dafür zu geben. Anreize könnten nach Ansicht des Koalitionsantrages in Form eines Patent- und/oder Verwertungsschutzes geschaffen werden.

Außerdem wolle man ein staatliches Förderprogramm für den Aufbau und den Betrieb eines Netzwerkes von Kompetenzzentren. Dieses Netzwerk soll ein Informationspool sein, in dem Erfahrungswissen gebündelt und öffentlich zur Verfügung gestellt wird. Dies könne nur im Zusammenwirken von Politik, Wissenschaft und Industrie gelingen. Hierzu könnte eine Stiftung ins Leben gerufen werden, die vorausschauend arbeitet, so Schmidbauer.

Um die Arzneimittelsicherheit zu stärken, müssten allerdings auch mehr klinische Studien mit kranken Kindern durchgeführt werden. Bisher lehnten viele Eltern die Teilnahme ihrer Kinder an solchen Studien ab, da sie befürchteten, ihre Kinder würden als Versuchskaninchen missbraucht werden. Diese Sorge sei unbegründet, so Schmidbauer, Ethikkommissionen gemeinsam mit staatlichen Stellen verhinderten dies.

USA mit Vorreiterrolle

Wie aus dem Antrag der Koalition hervorgeht, habe die USA auf diesem Gebiet eine Vorreiterrolle übernommen. Sie haben mit dem ModernizationAct von 1997 ein Gesetzpakt geschnürt, das zum einen Zwangsmaßnahmen und zum anderen wirtschaftliche Anreize enthält. So sind die Hersteller innovativer Arzneimittel seither gehalten, die Indikationsstellung auch für die Kinderheilkunde zu beantragen und die entsprechenden Nachweise beizubringen, wenn erwartet werden kann, dass das Medikament für die Behandlung kranker Kinder und Jugendlicher geeignet ist. Die Sicherheit und therapeutische Wirksamkeit solcher Arzneimittel müsse für jede einzelne Altersgruppe untersucht werden. Ferner kann die US-amerikanische Zulassungbehörde, die Food and Drug Administration (FDA) kindgerechte Darreichungsformen vorschreiben. Den Herstellern bereits zugelassener "Erwachsenenmedikamente" kann die FDA gegebenenfalls vorgeben, ihre Präparate im Nachhinein für den Einsatz in der Kinderheilkunde zu untersuchen. Sie hat insoweit eine Prioritätenliste erstellt, die 400 zu prüfende Wirkstoffe umfasst.

Die wirtschaftlichen Anreize, so der Bundesantrag weiter, bestehen in der Verlängerung des Patentschutzes bzw. Alleinvertriebsrechts um sechs Monate, wenn das Arzneimittel auch für den Einsatz in der Kinderheilkunde zugelassen wird. Beantragt der Arzneimittelhersteller eine nachträgliche Indikationsstellung in der Kinderheilkunde, wird er von den Bearbeitungsgebühren befreit.

Kastentext: Für mehr Sicherheit in der Arzneitherapie bei Kindern und Jugendlichen

Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, 1. zu prüfen, ob Arzneimittelhersteller nach dem europäischen und dem nationalen Arzneimittelrecht dazu angehalten werden können, bei Neu- und insbesondere auch bei Nachzulassungen die Indikationsstellung auch für die Kinderheilkunde zu beantragen und die dazu erforderlichen Unterlagen, insbesondere klinische Studien einzureichen, wenn absehbar ist, dass dem jeweiligen Medikament die Behandlung kranker Kinder und Jugendlicher ein hoher Stellenwert zukommt; 2. auf der Basis der Konzeption "Koordinationszentren klinischer Studien" ein staatliches Förderprogramm für den Aufbau und den Betrieb eines speziellen Netzwerkes von Kompetenzzentren bereitzustellen, das nationale und internationale empirische Erkenntnisse über den Einsatz von "Erwachsenenmedikamenten" in der Kinderheilkunde erfasst, systematisch auswertet und die Ergebnisse seiner Analysen veröffentlicht, multizentrische klinische Studien an kranken Kindern und Jugendlichen vorbereitet, betreut und partiell oder vollständig finanziert; 3. zu prüfen, ob unter Beteiligung der pharmazeutischen Industrie eine Stiftung gegründet werden kann, die klinische Studien für die Erprobung von Arzneimitteln in der Kinderheilkunde finanziert; 4. sicher zu stellen, dass in die Zulassungskommission nach Paragraph 25 Abs. 6 Arzneimittelgesetz pädiatrischer Sachverstand einbezogen wird, und dafür Sorge zu tragen, dass bei der wissensschaftlichen und ethischen Evaluation von Prüfplänen, die Arzneimittel für Kinder und Jugendliche betreffen, stets pädiatrische Expertisen herangezogen werden; 5. zu prüfen, ob der Patent- und/oder Verwertungsschutz verlängert werden kann, wenn der Arzneimittelhersteller eine Indikationsstellung des Medikaments auch für die Kinderheilkunde beantragt und die erforderlichen Nachweise und Unterlagen beibringt; 6. am Verbot fest zu halten, keine klinischen Studien an gesunden Kindern durchzuführen, wenn das Arzneimittel für therapeutische Zwecke bestimmt ist; 7. die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung oder eine andere geeignete Institution zu beauftragen, die Akzeptanz von klinischen Studien an kranken Kindern und Jugendlichen durch Aufklärungs- und Öffentlichkeitsarbeitsmaßnahmen zu steigern.

Die derzeitige Situation auf dem Gebiet der Arzneimitteltherapie für Kinder und Jugendliche ist nach Auffassung von SPD und Bündnis 90/Die Grünen in Deutschland so unbefriedigend, dass sie nicht mehr länger hinnehmbar ist: "Es besteht dringender Handlungsbedarf." Um hier Abhilfe zu schaffen, stellte die Koalition am 17. Januar einen Bundestagsantrag "Arzneimitteltherapie bei Kindern und Jugendlichen sicherer machen" vor.

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