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Kommentar: Kein Apothekertag für Mitarbeiterinnen

Welch ruhiger, gedämpfter Apothekertag! Selten so wenig diskussionsfreudige Delegierte erlebt, die sich so erstaunlich einig waren. Nur eine einzige Abstimmung musste ausgezählt werden, Ausschussverweisungen, gar Geschäftsordnungsanträge gab es selten - alles Friede, Freude, Eierkuchen? Fast war es, als sei angesichts des Terrors, der so plötzlich über die Menschen in New York und Washington hereingebrochen war, der Wunsch nach Harmonie besonders groß.

Sichtbare Zeichen der Anteilnahme an der Tragödie waren die Schweigeminuten, die an mehreren Tagen von der Versammlung eingehalten wurden, sowie das Fehlen der VertreterInnen aus der Politik, die in Berlin bleiben mussten. Auf der Messe hingegen herrschte business as usual, das übliche Geschäft wurde nicht unterbrochen, Informationen über die aktuelle politische Entwicklung, etwa über eine Großleinwand im Eingangsbereich, fehlten. Weitere Katastrophen hätten sich ereignen können - die ExpoPharm hätte als letztes davon erfahren. Ein Zeichen der Anteilnahme gab es über die persönliche Betroffenheit eines jeden Einzelnen hinaus nicht - schade.

Mitarbeitermangel?

Und der Apothekertag selbst? Während noch im vergangenen Jahr der Mitarbeitermangel in Apotheken ein großes Thema war, ist er in diesem Jahr bis auf eine kurze Erwähnung in der Eröffnungsrede von ABDA-Präsident Friese praktisch nicht vorgekommen. Dabei hat sich die Situation eher noch verschärft als verbessert, und hilfreiche Programme für Wiedereinsteiger (auch der BVA bietet eins an) können dem Mangel nicht entscheidend abhelfen.

Eines der ganz wenigen Indizien, die auf die dramatische Situation hinwiesen, war die fast einhellige Zustimmung des Plenums zu einem Adhoc-Antrag, der mehr Qualität bei der Ausbildung im Praktischen Jahr forderte. Offenbar nehmen Arbeitgeber lieber PJ'ler, deren Ausbildung sie (zukünftig) nach noch zu schaffenden Qualitätskriterien selbst in die Hand nehmen müssen, als gar keinen Angestellten. Was hatte es auf früheren Apothekertagen für heftige, ablehnende Diskussionen zu diesem Thema gegeben (der Antrag ist ja nicht ganz neu ...). Aber derzeit kommen auf einen Pharmaziepraktikanten 40 (!!) offene Stellen!

Arbeitskreise

Wenn ich an frühere engagierte Diskussionen in den Arbeitskreisen zurückdenke, erschienen die diesjährigen Arbeitskreise wenig inspiriert, und strittig diskutiert wurde gar nicht. Lag's an den Themen oder an der Form? An sich Themen wie "Arzneimitteldistribution" und "Apotheke und Internet" Stoff für lange Diskussionen geboten hätten.

Vielleicht sollte hier für die Zukunft noch einmal über das Prozedere nachgedacht werden. Mal jemanden einladen, der zu einem Thema eine ganz andere Meinung hat? Einen Krankenkassenvertreter etwa? Indem man gezwungen wird, gegenüber anderen die eigene Meinung zu vertreten, wird die eigene Position klarer, und es soll schon vorgekommen sein, dass Denkanstöße von außen auch Meinungen verändern konnten. So sah es verdächtig danach aus, als ob die meisten der Anwesenden bereits so lange in der eigenen Argumentation schmurgelten, dass wirklich Neues einfach nicht zu erwarten war.

Satt und zufrieden?

Dabei hätte es so viele wichtige Themen gegeben! Gerade vor dem Hintergrund des Lipobay-"Skandals" hätte über Arzneimittelsicherheit und über die Compliance von Patienten, über knappe Ressourcen und deren Verteilung gesprochen werden können. Wo und an welcher Stelle hat der Apotheker zukünftig welche Aufgabe? Auch die Gesundheitspolitik hat statt eines Sommerloches zahlreiche Themen in die Diskussion geworfen. Auch hier hätte das eine oder andere diskutiert werden können. Zeit genug gab es; der DAT war so schnell zu Ende wie selten zuvor.

Sicherlich ist der Arzneimittelpass, den sich Ulla Schmidt jetzt zu eigen gemacht hat, ein großer Erfolg für die ABDA und ihre mühevolle Arbeit. Hier zeigt sich exemplarisch, dass auch Vorleistungen, die erst einmal kein Geld einbringen, eines Tages von der Politik und von Patienten angenommen werden. Dies ist ein Erfolg - der aber nicht den Blick auf andere, drängende Probleme vernebeln darf.

Wie immer war es ein Apothekertag der Apothekenleiter und der Apotheken, nicht der Apothekerinnen und Apotheker in ihrer Gesamtheit. Nicht ganz so offensichtlich wie in den vergangenen Jahren, aber schließlich hat die Aufhebung der Arzneimittelbudgets Anfang des Jahres etwas Luft gegeben. Lehnen sich deshalb alle satt und zufrieden zurück, weil die Umsatzzahlen wieder nach oben zeigen?

Insa Heyde, BVA Bundesvorstand, Bereich Presse

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